Es ist nur ein Ballspiel
»Ich verstehe es einfach nicht.« Mein Kopf schüttelt und schüttelt und schüttelt sich. »Ganz ehrlich. Ich raff’s einfach nicht.«
Entsetzt starre ich meine Freundin an, die heute schon viel besser aussieht als gestern. Sie hat mit Appetit gefrühstückt und plappert den ganzen Morgen wie ein Wasserfall. Ihre Wangen haben wieder eine normale Farbe und sie strahlt von innen heraus in ihrem dämlichenSilvers-Trikot und der kurzen Jeans Hotpants.
»Da gibt’s nichts zu kapieren. Das hier kann dich unmöglich kalt lassen.«
Auch ihr Kopf schüttelt sich mittlerweile und ihr Pferdeschwanz wippt aus dem Basecap hervor. Es ist selbst hier in der VIP Lounge ohrenbetäubend laut. Ich will mir gar nicht vorstellen, wie es auf den Rängen der normalen Zuschauer ist.
Wie sich das anhört … der Normalen. Als ob ich nicht viel eher zu ihnen passen würde, als zu der Familie eines Superstars. Ich habe mir nie etwas aus Reichtum und Luxus gemacht. Umso seltsamer ist es für mich, auf einem mit Leder gepolsterten Sessel zu sitzen, während sich die wirklichen Fußballfans wie die Ameisen auf einen Haufen quetschen müssen.
»Lauren, da laufen zweiundzwanzig erwachsene Männer hinter einem Ball her.«
Sie beißt genüsslich in ihre Bratwurst und lacht mich an. »Eigentlich nur zwanzig. Die Torhüter bleiben in der Regel stehen.«
Ich folge ihrem Blick zurück aufs Spielfeld, weil gerade offensichtlich irgendwas Spannendes passiert. Ich habe nicht den leisesten Schimmer, was das sein könnte, als die Leute um mich herum fast synchron ein enttäuschtes Stöhnen ausstoßen und wieder zurück in ihre Sitze sacken.
»Mal im Ernst. Du sagst, es passen vierzigtausend Menschen in dieses Stadion.«
Lauren blickt stur aufs Spielfeld, mit einem knappen Nicken signalisiert sie mir, dass sie mir wenigstens zuhört.
»Selbst wenn jedes Ticket nur zwanzig Pfund kosten würde … Das ist doch totaler Irrsinn. Davon könnte man so viel Gutes tun.«
Ihr Gesicht verfinstert sich, dass sehe ich auch im Seitenprofil. Wunder Punkt, schon klar. Ich komme einfach mit dem System des Profifußballs nicht klar. Wir haben in den letzten Monaten nicht nur einmal darüber diskutiert.
»Scott tut sehr viel Gutes.« Sie lässt die Bratwurst sinken und hat sich schon halb aus ihrem Sitz erhoben.
»Zum Beispiel ein …«, brüllt Maggie mir aus der Reihe hinter mir ins Ohr und hüpft wie ein Kind auf und ab. »Tooooor«, schreit sie in ungesunder Tonlage und fällt Sam um den Hals, der sich mindestens genauso freut wie seine Frau. Waren die beiden bis vor zwei Stunden noch die Favoriten unserer Reisegruppe, bin ich mittlerweile nicht mehr sicher, ob der Handerson/Peterson-Clan nicht ernsthafte Probleme hat.
»Das ist definitiv nicht mehr normal«, zische ich über das Gejohle von Sams Familie hinweg.
Lauren hat die Hände vor ihrem hübschen Gesicht gefaltet und ihre Augen leuchten. Ich folge ihrem Blick und sehe gerade noch die Ausläufer eines Purzelbaums, den Scott offensichtlich für seine Fans hinlegt. Ich kann spüren, wie mein Mund sich unwillkürlich zu einer Grimasse zieht.
O Mann. Ich komme mir vor wie im Kindergarten.
»Die …«, beginnt Lauren und schaut jetzt ebenfalls zu Maggie und Mister Peterson, dem Ursprung allen Übels. Immerhin hat er als Fußballcoach Scott und Maggie diese wahnsinnigen Züge in die Wiege gelegt. »… sind sicher nicht ganz normal. Aber ich liebe sie trotzdem«, schwärmt sie und klopft mir auf die Schulter. »Du musst dich nur darauf einlassen. Dann wird es dir auch Spaß machen.«
»Ja sicher«, schnaube ich. Ganz gleich, worauf ich mich einlasse, dass mir das hier Spaß machen könnte, wird nicht passieren. »Ich mache einfach, wofür ich mitgekommen bin«, sage ich und halte ihr meine nigelnagelneue Nikon unter die Nase. Seit circa zwei Monaten mein bester Freund auf der Welt. Ich nenne sie liebevoll Magnolia. Keine Ahnung warum. Ich mag es, wenn Dinge einen Namen haben und Magnolia ist ein wirklich hübscher Name für so ein traumhaft schönes Gerät. Ich stehe auf Magnolia. Wir führen eine innige Beziehung. Auch wenn mich immer noch ein schlechtes Gewissen plagt, dass Scott mir eine dermaßen teure Kamera gekauft hat. Aber hey, er wollte, dass ich die Hochzeitsbilder schieße. Und das ist für mich eine Riesenehre. Immerhin bin ich