: Anthony Lawrence, Graham Spence
: Der Elefantenflüsterer Mein Leben mit den sanften Riesen und was sie mir beibrachten
: mvg Verlag
: 9783864152283
: 1
: CHF 2.40
:
: Romanhafte Biographien
: German
: 440
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der bewegende Bericht vom preisgekrönten Umweltschützer Lawrence Anthony über seine Elefantenherde in der Wildnis Südafrikas. In Lawrence Anthonys Naturschutzreservat hatten fast hundert Jahre keine Elefanten mehr gelebt. Eines Tages erfuhr er von einer heimatlosen und bedrohten Herde, die er bei sich aufnahm. Er entwickelte eine enge Beziehung zu den sanften Riesen, die sein Leben für immer veränderten.

Der Umweltschützer Lawrence Anthony war Gründer der Earth Organization. Für seine Arbeit wurde er mit dem Earth-Day-Award der Vereinten Nationen ausgezeichnet. Er lebte im südafrikanischen Zululand. Nach seinem Tod im März 2012 kamen viele Elefanten zum Abschied an sein Haus und erwiesen ihm somit die letzte Ehre.

Kapitel 1


Aus der Ferne klang der krachende Gewehrschuss wie das Bersten eines riesigen Stücks Feuerholz.

Ich sprang von meinem Stuhl auf und lauschte. Ein solches Geräusch versetzt jeden Wildhüter unwillkürlich in höchste Alarmbereitschaft. Dann folgte eine Salve…tack-tack-tack. Ein schreiender Vogelschwarm erhob sich als Silhouette gegen den blutroten Sonnenuntergang.

Wilderer. An der Westgrenze.

David, mein Wildhüter, sprintete schon zu unserem zuverlässigen alten Landrover. Ich packte meine Schrotflinte, folgte ihm und sprang auf den Fahrersitz. Max, mein gescheckter Staffordshire-Bullterrier, kletterte in Windeseile zwischen uns. Instinktiv spürte er unsere Aufregung und würde uns um nichts in der Welt von der Seite weichen.

Während ich den Wagen anließ und das Gaspedal durchtrat, griff David zum Funkgerät.

»Ndonga!«, bellte er.»Ndonga, bist du auf Empfang? Over!«

Ndonga war der Chef unserer Wambo-Wachen, und da er in der Armee gewesen war, definitiv jemand, den man bei einer Schießerei gerne an seiner Seite hatte. Ich hätte mich deutlich wohler gefühlt in dem Wissen, dass er und sein Team auf dem Weg waren, aber Davids Funksprüche wurden nur von einem monotonen Rauschen beantwortet. Wir waren auf uns alleine gestellt.

Meine Verlobte Françoise und ich hatten Thula Thula, ein prächtiges Wildreservat im Herzen von Zululand, vor etwa einem Jahr gekauft. Und von Anfang an mussten wir uns mit diesen Wilderern herumschlagen. Es gab praktisch keine Chance herauszufinden, wer sie waren oder woher sie kamen. Immer wieder hatte ich mit denIzinduna – also den Häuptlingen – der in der Umgebung lebenden Zulu-Stämme gesprochen, die darauf bestanden, dass ihre Leute nichts damit zu tun hatten. Und ich glaubte ihnen. Unsere Angestellten stammtenüberwiegend aus der Gegend und waren ausnahmslos loyal. Also mussten diese Ganoven von irgendwoandersher kommen.

Es wurde rasch dunkel, und ich musste langsamer fahren. Als wir uns dem Westzaun näherten, schaltete ich auch die Scheinwerfer aus. Ich hielt hinter einem großen Ameisenhügel und folgte David durch eine Gruppe von Akazienbäumen. Unsere Nerven waren zum Zerreißen gespannt, die Finger nervös am Abzug, angestrengt lauschend tasteten wir uns vorwärts. Zu unserer Verteidigung hatten wir unsere Repetier-Jagdflinten mit schwerem Postenschrot geladen, denn bei einer Begegnung mit Wilderern im Busch, und noch dazu in der Dunkelheit, kann man nie wissen. Wie jeder Wildhüter in Afrika weiß, sind die meisten professionellen Wilderer absolut rücksichtslos und schießen ohne zu zögern. Es waren noch knapp 50 Meter bis zum Zaun. Da ich wusste, dass Wilderer sich gerne den Fluchtweg offen halten, machte ich mit meinem Arm eine kreisförmige Bewegung. David wusste genau, was ich damit meinte und nickte nur. Er würde seinen Posten halten, während ich zum Zaun kroch, um ihnen im Falle eines Schusswechsels den Fluchtweg abzuschneiden.

Der Geruch von Schießpulver lag in der Abendluft. Er hing wie ein Leichentuch in der Stille. In den Weiten Afrikas ist es niemals völlig ruhig. Zumindest die Grillen hören nie auf zu zirpen. Außer nach Schüssen.

Nach einigen Minuten absoluter Lautlosigkeit wusste ich, dass wir einer Finte aufgesessen waren. Ich schaltete meine Halogentaschenlampe ein und suchte mit ihrem Licht den Zaun ab. Nirgendwo gab es ein Loch, durch das Wilderer hätten ins Reservat schlüpfen können. Auch David schaltete seine Taschenlampe an und suchte nach Tritt- oder Blutspuren, die uns verraten hätten, ob ein Tier getötet und weggebracht worden war.

Nichts. Nur gespenstische Stille.

Da es innerhalb des Reservats keine Spuren gab, begriff ich, dass die Schüsse außerhalb des Zauns abgefeuert worden sein mussten.

»Verdammt, ein Täuschungsmanöver.«

Kaum hatte ich das ausgesprochen, fielen auch schon weitere Schüsse – ein gedämpftes, aber deutliches»Grollen« am anderen Ende des Reservats, mindestens 45 Minuten entfernt, nur erreichbar auf Feldwegen, die sich nach einem Frühlingsregen in puren Morast verwandeln. Wir sprangen zurück in den Landrover und rasten los, aber ich wusste, dass es aussichtslos war. Sie hatten uns hereingelegt. Wir würden sie nie erwischen. Bevor wir an Ort und Stelle wären, hätten sie sich längst mit ein paar erschossenen Nyala – einer der schönsten Antilopen Afrikas