Kapitel 1
Mach schon, flehte Julie Sommer stumm. Sie versuchte, ihr Gegenüber allein mit der Kraft ihrer Gedanken dazu zu bewegen, endlich die Unterschrift auf den Vertrag zu setzen.
Aufmerksam musterte sie Herrn Bühler. Der distinguiert aussehende Herr mit dem schlohweißen, vollen Haar kämpfte merklich mit sich. Seine Augen huschten über das Papier. Den teuren Füller drehte er unablässig zwischen den Fingern, während sich seine Zähne in die Unterlippe gruben.
In ihrem Inneren sah es kein bisschen besser aus, doch sie ließ sich nichts anmerken. Julie hatte viel Geld und Energie darauf verwendet, sich ein Pokerface anzutrainieren.
Verstohlen wischte sie ihre feuchten Hände am Rock ab. Zwischen ihren Brüsten hatte sich ein feines Rinnsal gebildet, das langsam hinunterlief, ehe es sich im Bauchnabel sammelte.
Endlich zuckte seine Hand und der Füller bewegte sich in Richtung der gestrichelten Linie auf dem Papier, das auf dem Tisch lag.
Sie hörte, wie ihr Mandant, Herr Schonknecht, neben ihr scharf die Luft einsog. Ohne ihren Blick von Herrn Bühler zu lösen, legte sie beruhigend ihre Hand auf Schonknechts Arm.
Als der edle Stift den Vertrag berührte, stockte auch ihr für einen Moment der Atem. Dann vernahm sie das kratzende Geräusch der Metallfeder auf dem Papier und schloss für einen winzigen Moment die Augen. Von ihrem Herzen polterte ein wahrer Felssturz. Herr Schonknecht stieß die Luft aus und seufzte tief.
Sie hätte es ihm zu gern gleichgetan. Aber das konnte sie sich nicht erlauben. Julie strich ihren Rock glatt, ehe sie möglichst lässig aufstand, um den Tisch herumging und Herrn Bühler souverän die Hand reichte. Auch jetzt gestattete sie sich keinen Moment der Schwäche und griff beherzt zu.
»Herzlichen Glückwunsch, Herr Bühler. Ich versichere Ihnen, Sie haben das Richtige getan.« Ihre Stimme zitterte kein bisschen. »Ihr Unternehmen ist bei Herrn Schonknecht in den besten Händen. Er wird alles dafür tun, um die Familientradition fortzuführen.«
Herr Bühler stand auf. Mit beinahe einem Meter neunzig und der Statur eines Kugelstoßers war er eine imposante Erscheinung. Trotz des fortgeschrittenen Alters wirkten seine Augen wach und sein Blick ruhte auf ihr. Da er sie um mehr als einen Kopf überragte, musste sie trotz ihrer hochhackigen Schuhe nach oben blicken.
»Sie sind eine harte Verhandlungspartnerin, Frau Sommer.« Er hörte sich keineswegs verärgert an. Vielmehr schwangen Respekt und Wohlwollen in seiner Stimme. »Sie werden es sicher noch weit bringen.«
»Das hoffe ich doch«, antwortete sie und erlaubte sich nun doch ein Lächeln.
Sie mochte Herrn Bühler. In den letzten Wochen und Monaten hatte sie viele Gespräche mit ihm geführt. Er war ein angenehmer Mensch.
Mit ungeheurem Willen hatte er