2 Das deutsche Gesundheitswesen
2.1 Wer sind die Mitspieler und was sind ihre Interessen?
Weltweit ist der deutsche Gesundheitssektor der undurchschaubarste. Undurchschaubar, da es für den Patienten keine reale Vertretung gibt. Hinzukommt, dass sich ein Kartell gebildet hat, das großen Anreiz zur Selbstbedienung bietet. Widersprüchlich ist auch der Versuch eines Controlling Systems von Krankenkassen und kassenärztlichen Vereinigungen, das unverhältnismäßig und nicht angemessen ist. Deswegen ist es vor allem wichtig zu erfahren, welche Rolle die einzelnen Beteiligten spielen und welche Interessen und Strategien sie verfolgen, aber auch welche Rolle die Politik einnimmt. Somit sind die Beteiligten: Patienten, Krankenkassen, Ärzte, Krankenhäuser, Apotheken, die Pharmaindustrie und die Politik.
2.1.1 Krankenkassen
Gesetzliche und private Krankenkassen sind in ihrer heutigen Struktur bereits über 100 Jahre alt. Es bedarf daher einer erheblichen Umstrukturierung, die das gesamte deutsche Gesundheitssystem verändert. Die Krankenkassen vertreten die gesamten Einnahmen und Ausgabenaller Versicherten. Sie vertreten allerdings nicht den Einzelfall und stellen oft unverständliche Regeln auf, um die Kosten für die Allgemeinheit so klein wie möglich zu halten. Zudem haben sie sich in den letzten Jahren eine Macht angeeignet, die durch die politisch bestimmte Selbstverwaltung gefördert wird, aber gleichzeitig den Patienten entmündigt. In keinem anderen Land der Welt sind 101 verschiedene gesetzliche Krankenkassen vorhanden.
Also Kassen, die ihre Beiträge selbst festsetzen und sich trotzdem dabei nur minimal unterscheiden. Die Darstellung ihrer Produktpaletten, das heißt für welche Krankheiten sie im Einzelnen aufkommen oder nicht, für welche Medikamente, für welche Art von Krankheiten sie zuständig sind, stellt eine reale Entmündigung des Bürgers dar. Zudem gehen die Rechnungen der Dienstleistenden (Ärzte, Reha-Maßnahmen und sonstige Beteiligte) automatisch zu den Krankenkassen, ohne dass der Patient informiert wird. Das ist nicht nur unbefriedigend, es verstößt auch gegen das im Bundesgesetz verankerte Selbstbestimmungsrecht jedes Einzelnen.
Ebenso ist es rechtlich ein unhaltbarer Zustand, dass die realen Vertragspartner, also Patient und Arzt oder Krankenhaus, sich nicht über Leistungen und Preise unterhalten und gegebenenfalls auch verhandeln können. Und vor allem, dass der Patient vom Arzt nur als bedingter Vertragspartner gesehen wird. Denn nicht der Patient bezahlt die Rechnung, sondern die gesetzliche Krankenkasse. Die privaten Krankenkassen sind hier Ausnahmen, da sie ihre Rechnungen grundsätzlich an den Patient senden und der Patient die Möglichkeit erhält zu verhandeln, oder sich an der Rechnung zu beteiligen.
Für die Gesundheitssysteme weltweit, inklusive vergleichbarer Länder wie Frankreich, Belgien, Niederlande, England und Italien gilt: Es gibt eine einzige gesetzliche Krankenkasse, die zuständig für eine bestimmte Anzahl an Krankheiten ist und den Grundbedarf deckt, unabhängig von den verschriebenen Medikamenten. Die Patienten erhalten die Rechnung direkt. Patienten, die sich in der Mittelschicht befinden, müssen in Vorkasse gehen und erhalten durchschnittlich zwischen 60 und 75 Prozent der Summe zurückerstattet. Dafür betragen die Zahlungsziele fast 90 Tage. Für die Zusatzwünsche der Patienten werden weitere Verträge benötigt, die von parallelen Versicherungen angeboten werden. Das reduziert den Verwaltungsaufwand bei den Krankenkassen, der im Gegensatz zu Deutschland lediglich 1 bis 1,5 Prozent beträgt. Das vermindert auch den Verwaltungsaufwand zwischen Arzt und Krankenkassen. So spart man auch in der Dokumentation Zeit.
Der daraus resultierende Zeitgewinn ist zugunsten des Patienten, denn in diesen Ländern dreht sich alles um den Patienten und nicht um die Krankenkassen. In Deutschland jedoch betragen die Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkassen zwischen 4 und 5 Prozent der Aufwendungen. Dies stellt bei den gesetzlichen und privaten Krankenkassen jährlich einen Gesamtaufwand in Höhe von 20 bis 25 Milliarden Euro dar.
Eine zusätzliche Problematik ergibt sich durch die Anzahl der gesetzlichen Krankenkassen. Jede gesetzliche Krankenkasse hat ihre eigene Organisation, ihre eigene Verwaltung, ihre eigene Geschäftspolitik und ihre eigene IT-Infrastruktur. Diese Fragmentierung der Landschaft bereitet zusätzliche Aufwendung für die Koordinierung der Aufgaben zwischen den verschiedenen Beteiligten. Deswegen ist die Sanierung und Veränderung der Strukturen der gesetzlichen Krankenkasse notwendig, um sie auf Dauer zu erhalten.
Die Krankenkassen sind nicht berechtigt, über das Wohl und Wehe des Patienten zu entscheiden. Denn sie sind nicht einmal in der Lage, die Preise für Medikamente auf einem Europadurchschnittswert zu halten. Die Preise für Generika oder für forschungsgebundene Medikamente sind trotz Rabatten die höchsten in Europa. Und das geht sehr oft zu Lasten der Dienstleistenden. Die Krankenkassen, die G