2.
Auf dem Weg nach Fuseta passierten sie eine Schule und ausgedörrte Äcker, denen die Mittagshitze weiter zusetzte, und überquerten schließlich eine Bahnlinie, um die Rua General Humberto Delgado hinabzufahren. Zwischen weißen, maximal zweigeschossigen Häusern und gepflasterten Bürgersteigen erhob sich nach einer weiten grünen Fläche, der Ria Formosa, ein kräftiges Blau. Der Atlantik.
Für einen kurzen, angenehmen Moment ließ Leander Lost dieses Bild in sich fluten.
Denn dann versperrten zwei Autos den Weg, deren Fahrerinnen in aller Seelenruhe miteinander sprachen, und zwangen Graciana Rosado in die Altstadt Fusetas. Die enge Straße führte steil und gerade hinab, die weißen oder blau und braun gefliesten Häuserfassaden rückten von beiden Seiten so nah heran, dass die Gehwege auf die Breite eines Passanten zusammenschmolzen.
Die Gebäude reihten sich meist ohne Zwischenräume nebeneinander und ergaben so eine lange, abwechslungsreiche Wand mit schmalen Hauseingängen und kleinen Fenstern, aus der sich nur hier und da die Kästen der Klimaanlagen oder ein Balkon wölbte. Die Häuser mit ihren meist rechteckigen und mit Ornamenten verzierten Schornsteinen und ihren flachen Dächern, die nahezu alle ausgedehnte gemütliche Terrassen mit einem großartigen Ausblick beherbergten, konnten ihren maurischen Einfluss nicht verleugnen.
Kreuz und quer und auch über die Straßenschlucht hinweg spannten sich tief verlaufende Stromleitungen und bunte Leinen, an denen Wäschestücke in der salzigen Meeresbrise flatterten. Vor den Türen saßen alte Männer in groben Anzügen mit Schiebermützen und qualmten filterlose Zigaretten. Kinder spielten auf dem Gehsteig oder machten die Straße mit dem Rad oder Skateboard unsicher. Die Katzen schliefen im Schatten unter den Autos, um später, wenn die Schatten länger wurden, wieder auf die Pirsch zu gehen.
Sie passierten einen Platz, auf dem die Bürger Fusetas umherflanierten, in den Cafés Eis aßen und Medronho oder herben Weißwein tranken und auf dem in einer Ecke ein paar Kinder mit einem Ball bolzten. Wie Leander Lost sah, legten die Portugiesen großen Wert auf ihre tadellose Erscheinung. Die Männer in Jeans oder Anzughose, obenrum fein gebügelte Hemden, die Frauen in Kleidern oder Röcken und Blusen.
Sie alle schienen Zeit zu haben und sich zu amüsieren, mittendrin die alte Generation. Männer mit schlohweißem Haar, die sich alte Geschichten erzählten und lachten, ältere Frauen, die von Fenster zu Fenster Neuigkeiten austauschten. Junge Männer in schwarzen Anzughosen und weißen Hemden, einige mit gegelten Haaren, die rauchend am Straßenrand standen und wohl Wichtiges zu bereden hatten, jedenfalls verkündeten das ihre Mienen. Nicht weit entfernt ein paar junge Frauen, die sich um eine Holzbank herum versammelt hatten und den jungen Männern herausfordernde oder heimliche Blicke zuwarfen und dann zu Boden schauten und lächelten, wenn der Blick erwidert wurde.
Mit einem Schlag war Leander Lost klar, dass hier die Zeit stehen geblieben war. Kein großes Kaufhaus, kein riesiger Supermarkt, keine Werbetafeln, keine riesigen Straßen, nichts dergleichen. Wenn er