: Harlan Coben
: Der Preis der Lüge Thriller
: Goldmann
: 9783641220747
: Myron-Bolitar-Reihe
: 1
: CHF 8.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 416
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Zwei Söhne wohlhabender amerikanischer Familien werden entführt. Eine Lösegeldforderung geht ein, dann herrscht Schweigen - und die Kinder bleiben verschwunden. London, zehn Jahre später: Privatdetektiv Myron Bolitar spürt einen verstörten Sechzehnjährigen auf: Patrick, eines der Entführungsopfer von damals. Von dem anderen Jungen fehlt jede Spur. Patricks Heimkehr wirft allerdings mehr Fragen auf, als sie Antworten liefert: Wo hat er all die Jahre gesteckt? Was ist damals geschehen? Und was ist mit seinem Freund passiert? Je mehr Patrick sich in Widersprüchen verstrickt, umso dichter wird das Netz der Lügen, das sich um ihn und seine Familie zusammenzieht ...

Harlan Coben wurde 1962 in New Jersey geboren. Nachdem er zunächst Politikwissenschaft studiert hatte, arbeitete er später in der Tourismusbranche, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Seine Thriller wurden bisher in 45 Sprachen übersetzt, erobern regelmäßig die internationalen Bestsellerlisten und wurden zu großen Teilen verfilmt. Harlan Coben, der als erster Autor mit den drei bedeutendsten amerikanischen Krimipreisen ausgezeichnet wurde - dem Edgar Award, dem Shamus Award und dem Anthony Award -, gilt als einer der wichtigsten und erfolgreichsten Thrillerautoren seiner Generation. Er lebt mit seiner Familie in New Jersey.

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Der Junge, der seit zehn Jahren vermisst wird, tritt ins Licht.

Ich neige nicht zu Hysterie und empfinde selten auch nur etwas, das man als Erstaunen bezeichnen könnte. In meinen über vierzig Lebensjahren habe ich schon viel gesehen. Ich bin fast getötet worden – und ich habe getötet. Ich habe Formen der Verkommenheit gesehen, die für die meisten Menschen problematisch, wenn nicht gar unbegreiflich wären, und manch einer würde wohl behaupten, dass diese Verkommenheit auch einigen meiner Handlungen zugrunde lag. Im Laufe der Jahre habe ich gelernt, meine Gefühle im Zaum zu halten, und, was noch wichtiger ist, meine Reaktionen in kritischen, brisanten Situationen zu kontrollieren. Ich mag schnell und gewaltsam zuschlagen, tue aber nichts ohne eine gewisse Bedachtsamkeit und Zielorientierung.

Diese Fähigkeiten, wenn man sie denn als solche wertet, haben mir und denjenigen, die mir wichtig sind, ein ums andere Mal das Leben gerettet.

Dennoch gestehe ich, dass mein Puls rast, als ich den Jungen – der inzwischen ein Teenager ist – hier erblicke. Mir dröhnen die Ohren. Unwillkürlich balle ich die Fäuste.

Zehn Jahre – und jetzt bin ich allenfalls fünfzig Meter von dem vermissten Jungen entfernt.

Patrick Moore – so heißt der Junge – lehnt an der mit Graffiti beschmierten Betonwand einer Unterführung. Seine Schultern sind gebeugt. Sein Blick schießt hin und her, bis er ihn schließlich auf den rissigen Straßenbelag vor sich richtet. Seine Haare sind kurzgeschoren – als ich klein war, nannten wir diese Frisur einen Mecki. Vor der Unterführung lungern noch zwei weitere männliche Teenager herum. Einer zieht immer wieder mit solcher Leidenschaft an seiner Zigarette, dass es wirkt, als hätte sie ihn beleidigt. Der andere trägt ein genietetes Hundehalsband und ein Netzhemd, präsentiert sich also im klassischen Outfit seines derzeitigen Gewerbes.

Die Fahrer in den darüber hinwegdonnernden Autos ahnen nicht, was unter ihnen los ist. Wir befinden uns in King’s Cross, das in den letzten zwanzig Jahren zu großen Teilen »aufgewertet« wurde, unter anderem durch die Ansiedlung von Museen und Bibliotheken, den Eurostar sowie ein Hinweisschild auf den Bahnsteig 9 ¾, auf dem Harry Potter in seinen Zug nach Hogwarts stieg. Viele der sogenannten »unerwünschten Elemente« haben diesen riskanten, ortsgebundenen Transaktionen zugunsten der relativen Sicherheit des Online-Business den Rücken gekehrt – die Nachfrage auf dem gefahrenträchtigen Straßenstrich ist stark zurückgegangen, noch so ein positiver Nebeneffekt des Internets –, wenn man sich jedoch in die tatsächlich wie idiomatisch finsteren Gassen des Viertels begibt, abseits der glänzenden, neuen Bürotürme, findet man immer noch Orte, an denen dieses lasterhafte Element in hochkonzentrierter Form weiterlebt.

Und dort habe ich den vermissten Jungen gefunden.

Ein Teil von mir – der impulsive Teil, den ich im Zaum halte – will über die Straße rennen und den Jungen schnappen. Er wäre jetzt sechzehn Jahre alt, sofern es wirklich Patrick ist und kein Doppelgänger oder ich mich irre. Alles scheint zu passen – zumindest aus dieser Entfernung. Vor zehn Jahren – wie jung er damals war, können Sie sich leicht selbst ausrechnen – hatte sich Patrick in dem extrem wohlhabenden Ort Alpine mit Rhys, dem Sohn meines Cou