: Petra Schier
: Der gläserne Schrein Historischer Roman
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644424517
: Die Aachen-Trilogie
: 1
: CHF 10.00
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
1413. Ganz Aachen ist in Aufruhr: Am Todestag Karls des Großen soll die neue Chorhalle des Doms eingeweiht werden. Doch eine Serie mysteriöser Mord- und Unfälle überschattet die Vorbereitungen zu dem Ereignis. Ausgerechnet der angesehene Goldschmied Bardolf Goldschläger gerät in Verdacht. Seine Stieftochter, die Reliquienhändlerin Marysa, nimmt die Spur des Täters auf. Dabei kommt sie einer Verschwörung auf die Spur, die bis in die allerhöchsten Kreise reicht. Dort ist man nicht gewillt, sich die ehrgeizigen Pläne durchkreuzen zu lassen: Marysa gerät in Lebensgefahr ...

Petra Schier, Jahrgang 1978, lebt mit ihrem Mann und einem Schäferhund in einer kleinen Gemeinde in der Eifel. Sie studierte Geschichte und Literatur und arbeitet seit 2005 als freie Autorin. Ihre historischen Romane, darunter die Reihe um die Apothekerin Adelina, vereinen spannende Fiktion mit genau recherchierten Fakten. Petra Schier ist Mitglied des Vorstands der Autorenvereinigung DELIA.  

1. Kapitel


Aachen 2. November Anno Domini 1413

Marysa hielt der pausbäckigen Amme Geli die Tür auf und betrat nach ihr das Haus ihrer Mutter in der Kockerellstraße. Dem Knecht Tibor, der ihnen geöffnet hatte, drückte sie einen Korb voller rotwangiger Äpfel in die Hände. «Hier, bring die zu Orsolya in die Küche. Sie wird gewiss ihren guten Apfelwein daraus machen wollen», sagte sie mit einem Lächeln. «Wenn sie noch mehr Äpfel benötigt, soll sie es mir ausrichten lassen. Unsere beiden Bäume tragen dieses Jahr besonders reichlich.»

Tibor strahlte sie an. «Danke, Frau Marysa, das ist sehr aufmerksam von Euch. Ich sollte …» Als aus den Wohnräumen eine zornige weibliche Stimme erklang, verstummte er augenblicklich und zog den Kopf zwischen die Schultern. «Verzeiht», murmelte er verlegen. «Frau Jolánda ist verärgert.»

«Verärgert?» Marysa schmunzelte. Es hörte sich eher nach einem der berüchtigten Wutanfälle ihrer Mutter an. Sie wandte sich an die Amme. «Leg Éliás in seine Wiege. Nach dem langen Spaziergang dürfte er ruhig schlafen.» Dann ging sie ein paar Schritte auf die Tür zur Wohnstube zu, zögerte jedoch, sie zu öffnen, als ihr erneut ein Wortschwall entgegenkam.

«Wirf ihn hinaus, hab ich gesagt. Hab ich das nicht gesagt? DieserBarom hat doch nichts Besseres zu tun, als sich in unsere Angelegenheiten einzumischen. Warum hast du ihm nicht gesagt, dass er uns ein für alle Mal in Ruhe lassen soll?»

Eine leise und beherrschte Stimme antwortete etwas, und Marysa lächelte amüsiert. Im nächsten Moment zeterte Jolánda weiter: «Sein Recht? Das darf doch wohl nicht wahr sein.Gazember! Átkozott!», fluchte sie. «Ich will ihn hier nicht mehr sehen! Ich wünsche ihm dieRüh an den Leib!» Etwas klirrte, dann war wieder die ruhige Stimme zu vernehmen. Wenige Augenblicke später öffnete sich die Stubentür, und Bardolf Goldschläger, Marysas Stiefvater, trat in den kleinen Flur. Als er Marysa erblickte, lächelte er herzlich und zog die Tür zu, hinter der Jolánda noch immer Gift und Galle spuckte.

«Marysa, meine Liebe, du bist schon wieder zurück? Wolltest du nicht mit Éliás spazieren gehen?»

Marysa schaute ihn fröhlich an. «Das war ich auch, aber der Regen hat uns zurückgetrieben. Immerhin haben wir es bis zum Büchel geschafft. Ich habe Orsolya einen Korb mit unseren guten Äpfeln mitgebracht.»

«Wunderbar!» Bardolfs Miene hellte sich noch weiter auf. «Dann gibt es bald ihren guten Apfelwein, will ich meinen.» Er seufzte. «Vielleicht beruhigt die Aussicht darauf deine Mutter ja ein bisschen.»

Marysa legte ihm mit einem mitfühlenden Blick eine Hand auf den Arm. «Warst mit dem Schweinehund, der die Krätze verdient hat, eben du gemeint?»

Bardolf wirkte einen Moment lang irritiert, doch dann lachte er leise. «Das hast du gehört? Nein, glücklicherweise war ich diesmal nicht die Ursache für das Gewitter.» Er wurde wieder ernst. «Hartwig war vorhin hier.»

Marysa runzelte die Stirn. «Was wollte er?»

«Was er immer will.» Bardolf seufzte erneut. «Er liegt uns schon seit Wochen in den Ohren,