Kapitel Eins
Roland
Dein ganzer Scheiß ist weg, und ich versuche rauszufinden, was zur Hölle eigentlich passiert ist.
Nachricht von Roland, vor vier Jahren
Sie wollten ein verdammtes Wunder. Ich las die Mail noch einmal, formulierte schon einen Plan. Was mein Chef verlangte, war heftig. Aber wie man so sagte, genau dafür zahlten sie mir die fette Kohle. Ich war nicht ohne Grund der jüngste Finanzchef in der Geschichte von Dimension Inc.
Ich war ein gottverdammter Wundervollbringer.
Beim Blick auf die Uhr musste ich schlucken. Es war schon nach neun Uhr abends. Ich hatte nicht gemerkt, dass es schon so spät war. Aber ich war meist bis spätabends im Büro, und da war auch niemand, der deswegen gemeckert hätte. Heute hatten Farrah und ich nichts vor; denn sie war nicht in der Stadt. Und selbst wenn wir etwas vorgehabt hätten, wäre es für sie okay gewesen. Sie arbeitete genauso viel wie ich, und sie verstand, was nötig war, um es bis hierher zu schaffen. Darüber musste ich mir bei ihr nie Gedanken machen.
Mein Handy vibrierte neben meinem Laptop auf dem Tisch. Ich schaute auf das Display und zuckte zusammen. Die Nummer meiner Eltern. Ihre Dienstnummer, um genau zu sein. Was hieß, es könnte jeder von beiden sein. Ich hatte überhaupt keine Lust, den Anruf anzunehmen, aber wenn ich nicht ranging, würde ich sie später zurückrufen müssen. Also brachte ich es besser gleich hinter mich.
Ich nahm das Smartphone und meldete mich. »Ja?«
»Hallo, hier ist Leo.«
Das war merkwürdig. Mein kleiner Bruder rief mich nie an. Vielleicht mal eine Textnachricht, denn wir standen uns nicht wirklich nah. Ein Anruf bedeutete möglicherweise schlechte Nachrichten.
»Was ist los?«, fragte ich.
»Du musst herkommen.«
»Warum? Was ist passiert?«
»Mom und Dad verlieren das Weingut«, sagte er. »Totales Chaos.«
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und kniff mir in den Nasenrücken.Du verarschst mich doch. »Wie meinst du das, das Weingut verlieren?«
»Das Unternehmen steckt bis zum Hals in Schulden«, sagte er. »Dad hat irgendeinen Scheiß geheim gehalten. Es sieht übel aus.«
»Und was soll ich da jetzt machen?«
»Sei kein Arschloch. Denkst du, ich hätte dich angerufen, wenn es keine große Sache wäre? Das hier ist ernst. Du musst nach Hause kommen.«
Fuck. Nach Hause? Das war der letzte Ort, an dem ich sein wollte.
»Jetzt?«, fragte ich. »Ich kann hier nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Ich bin sicher, Dad schafft das.«
»Roland«, sagte Leo im scharfen Ton. »Dad hat den Karren in den Mist gefahren. Er ist garantiert nicht derjenige, der ihn wieder rausholt. Wir brauchen dich hier. Wenn es wegen Zoe ist …«
»Es istnicht wegen Zoe.«
Ich massierte meinen Nasenrücken. Allein der Gedanke an Zoe verursachte mir Kopfschmerzen. Wieso meine Mutter ausgerechnet meine Exfrau im Weingut der Familie angestellt hatte, war mir schleierhaft. Auch wenn mir das normalerweise scheißegal war. Ich war in San Francisco, fast tausend Meilen von meiner Heimatstadt im Staat Washington entfernt. Dass sie dort arbeitete, hatte keinerlei Einfluss auf mein Leben.
»Wir kriegen das hin, dass ihr zwei euch nicht sehen müsst«, sagte er.
»Ich habe doch schon gesagt, dass es nicht um sie geht. Ich bin erwachsen, ich kann durchaus im gleichen Raum wie Zoe sein.«
»Gut. Dann sieh zu, dass du deinen Arsch nach Hause bewegst.«
»Leo –« Mehr sagte ich nicht, weil es am anderen Ende klickte. Er hatte aufgelegt. Ich warf mein Handy auf den Tisch. »Fick dich, Leo. Fick dich, Dad.«
Ich guckte in meinen Kalender. Morgen war alles dicht, aber wenn ich Donnerstag in der Früh losfliegen würde, könnte ich abends beim Weingut sein. Ich schickte meiner Assistentin Danielle eine Nachricht, sie solle mir einen Flug nach Seattle buchen und einen Mietwagen reservieren.
Meine Konzentration war aber dadurch jetzt im Arsch. Heute Abend würde ich keine Arbeit mehr fertigkriegen. Aber es war sowieso schon sp