CLAIRE
Montag, 21. Februar
Der Tag vor dem Absturz
»Danielle«, sage ich, als ich das kleine Büro betrete, das neben unserem Wohnzimmer liegt. »Sagen Sie bitte Mr. Cook, dass ich ins Fitnessstudio gehe.«
Sie blickt von ihrem Computer auf, und ich sehe, dass ihr Blick an dem notdürftig mit Make-up kaschierten Bluterguss unten an meinem Hals hängen bleibt. Automatisch rücke ich den Schal zurecht, um den Fleck zu verstecken, obwohl ich weiß, dass sie kein Wort darüber verlieren wird.
»Wir haben um vier Uhr einen Termin im Literaturhaus in der Center Street«, sagt Danielle. »Sie werden wieder zu spät kommen.« Danielle behält den Überblick über meinen Terminkalender und meine Fehltritte, und sie ist diejenige, die Bericht erstattet, wenn ich zu spät komme oder einen Termin absage, den mein Mann Rory für wichtig hält.Wenn ich für den Senat kandidiere, können wir uns keine Fehler leisten, Claire.
»Danke, Danielle. Ich kann den Terminkalender ebenso gut lesen wie Sie. Bitte laden Sie meine Notizen vom letzten Mal hoch, und halten Sie sie bereit. Wir treffen uns dort.« Als ich den Raum verlasse, höre ich, wie sie zum Telefon greift, und verlangsame den Schritt, obwohl ich weiß, dass dies ein denkbar schlechter Zeitpunkt ist, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Ich werde immer gefragt, wie es ist, in die Cook-Familie eingeheiratet zu haben, eine Politikerdynastie, die gleich nach den Kennedys kommt. Ich lenke dann ab, indem ich von unserer Stiftung erzähle, geschult, mich auf die Arbeit statt auf die Gerüchte zu konzentrieren. Auf unsere Alphabetisierungsprogramme und Bewässerungsinitiativen in der Dritten Welt, die Beratungsdienste in der Stadt und die Krebsforschung.
Ich kann niemandem erzählen, dass es ein ständiger Kampf um Privatsphäre ist. Selbst bei uns zu Hause sind zu jeder Tageszeit irgendwelche Leute anwesend. Mitarbeiter. Hausangestellte, die für uns kochen und sauber machen. Ich muss um jede Minute und jeden Zentimeter für mich kämpfen. Nirgendwo bin ich vor Rorys Personal sicher. Alle von ihnen sind engagierte Cook-Mitarbeiter. Selbst nach zehn Jahren Ehe bin ich noch ein Eindringling. Der Außenseiter, den man im Auge behalten muss.
Ich habe gelernt, dafür zu sorgen, dass sie nichts zu sehen bekommen.
Das Fitnessstudio ist einer der Orte, an die Danielle mir nicht mit Listen und Terminkalendern folgt. Ich treffe mich dort mit Petra, der einzigen Freundin, die mir aus meinem Leben vor Rory geblieben ist, und die einzige, die aufzugeben er mich nicht gezwungen hat.
Denn Rory weiß gar nicht, dass sie existiert.
Als ich beim Fitnessstudio ankomme, ist Petra schon da. Ich ziehe mich im Umkleideraum um, und als ich die Treppe zu den Laufbändern hinaufsteige, steht sie am Treppenabsatz und nimmt sich ein Handtuch vom Stapel. Unsere Blicke begegnen sich kurz, doch als ich mir ein Handtuch nehme, sieht sie in die andere Richtung.
»Bist du aufgeregt?«, flüstert sie.
»Ich habe schreckliche Angst«, sage ich, wende mich ab und gehe weg.
Ich laufe eine Stunde, und als ich um genau halb drei, in ein Handtuch gewickelt, die Sauna betrete, schmerzen meine Muskeln vor Erschöpfung. Ich lächle Petra an, die allein in der obersten Reihe sitzt. Ihr Gesicht ist rot vor Hitze.
»Erinnerst du dich an Mrs. Morris?«, fragt sie, als ich mich neben sie setze.
Ich lächle, dankbar, dass ich an einfachere Zeiten denken kann. Mrs. Morris war unsere Lehrerin in der zwölften Klasse, und Petra hätte beinahe das Klassenziel nicht erreicht.
»Du hast einen Monat lang jeden Nachmittag mit mir gelernt«, fährt sie fort. »Als ke