: Anne Labus
: Das kleine Altstadthotel& Der kleine Hutladen zum Glück
: Aufbau Verlag
: 9783841229854
: 1
: CHF 11.60
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 502
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Z ei wunderbare Romane von Anne Labus in einem E-Book!

Das kleine Altstadthotel.

Der kleine Hutladen zum Glück.

Charlot e, genannte Charlie, erbt unverhofft das Hutgeschäft samt Mietshaus ihrer Tante Gerda und lässt kurzerhand ihr altes Leben in Berlin hinter sich und zieht zurück nach Bonn, den Ort ihrer Kindheit. Vor zehn Jahren war sie Hals über Kopf von dort weggezogen und seitdem nie mehr zurückgekehrt. Doch Charlie ist fest entschlossen: Sie wird hier ihr eigenes Hutgeschäft eröffnen! Und tatsächlich ist der Anfang gar nicht so schwer wie gedacht, denn Edita, die rüstige Freundin ihrer Tante, und Sarah, die Besitzerin des Cafés 'Frau Holle', stehen ihr mit Rat und Tat und Zimtschnecken zur Seite. Aber Charlie trifft auch auf ihre einstige große Liebe, den Schuhmacher Leo. Er war der Grund, dass Charlie damals nach Berlin zog und auch jetzt bringt er ihr Herz wieder ins Stolpern. Und dann ist da ja auch noch Frank, Editas Neffe, der Charlie einfach nicht aus dem Kopf gehen will und der für jedes Problem eine charmante Lösung findet. Als dann auch noch der Anruf einer bekannten Opernsängerin für einen Großauftrag eingeht, ist das Chaos perfekt...

Mit 'Frau Holles' berühmtem Rezept für Zimtschnecken!



Anne Labus, Jahrgang 1957, lebt mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Udo Weinbörner, in der Nähe von Bonn. Nach ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau arbeitete sie unter anderem als selbständige Fitness- und Pilatestrainerin. Die Leidenschaft für das Reisen hat sie an ihren Sohn vererbt, der auf Hawaii seinen Lebensmittelpunkt gefunden hat. Die Autorin entspannt sich beim Kochen, liebt Bergtouren und lange Strandspaziergänge. Inspirationen für ihre Romane findet sie in Irland und Italien oder auch auf Spiekeroog.

1.


Vorsichtig schloss Inga die Tür und drehte sich um. Sie hatte genug gesehen. Sie hätte schreien, toben und ihm ihr Handy an den Kopf werfen sollen, das sie krampfhaft festhielt. Aber sie war müde. Nach zwanzig Ehejahren und Jörgs zahlreichen Seitensprüngen war der Anblick seiner Hand auf dem nackten Hintern der jungen Buchhalterin nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. War Inga wirklich erst vierzig? Sie fühlte sich uralt und abgelegt. Einem Schatten gleich schlich sie aus der Firma, packte wie in Trance zu Hause ihren Koffer und griff nach dem Autoschlüssel. Mehr als jeder hysterische Auftritt würde Jörg der Verlust seines geliebten Porsche treffen.

Erleichtert atmete Inga auf, als sie das Ortsschild von Neuharlingersiel nach einer vierstündigen Fahrt passierte. Sie hatte Glück, die Schranke des Parkplatzes war geöffnet, und sie stellte Jörgs Porsche auf einem der hinteren freien Plätze ab. Anfang März besuchten nur wenige Gäste die ostfriesische Insel. Inga hoffte darauf, vom kalten Ostwind die letzten trüben Gedanken aus dem Kopf geblasen zu bekommen.

»Komm nach Spiekeroog«, hatte ihre Freundin Judith gesagt. »Im Hotel ›Inselfriede‹ wirst du dich wohlfühlen.«

Inga und Judith kannten sich seit der Hotelfachschule. Doch während Inga geheiratet hatte und im familieneigenen Sanitärbetrieb arbeitete, tingelte Judith von einem Hotel zum anderen. Auf Spiekeroog hatte sie ihre Heimat gefunden und war im Hotel »Inselfriede« endlich angekommen.

Inga kannte die kleine autofreie Insel nicht. Mit Jörg war sie jedes Jahr nach Südfrankreich gefahren, immer in dasselbe Hotel. Ihr Mann weigerte sich, die wenigen freien Tage an der Nordsee zu verbringen oder auf die Berge zu kraxeln, wie sie es als Kind so gern getan hatte.

Dicke schwarze Wolken waren aufgezogen. Als Inga ihren Rollkoffer vom Parkplatz Richtung Fähranleger schob, liefen ihr die ersten Regentropfen das Gesicht hinunter. Ihre warme Steppjacke war zu kurz, und schon nach wenigen Metern hatte sich ihre Jeans vollgesaugt, und die Nässe kroch ihr die Beine hoch. »Toller Empfang!«, schimpfte sie laut gegen den Wind, der ihr entgegenblies, so dass sie kaum Luft bekam. Nach einer gefühlten Ewigkeit von zwanzig Minuten erreichte sie das Hafengebäude mit den Fahrkartenschaltern. Die nächste Fähre würde in einer Stunde ablegen, zu wenig Zeit, um bei diesem Wetter eines der Cafés hier aufzusuchen. Inga überlegte nicht lange, rollte ihren Koffer mit sich in die Damentoilette, zwängte sich in die enge Kabine und zog sich um. Zwar angelte sie in der Eile nur eine helle Jeans aus dem vollgestopften Koffer, stöhnte aber erleichtert auf, als ihre eiskalten Beine endlich wieder warm wurden. Die nasse Hose quetschte sie in den Rucksack, aus dem sie zuvor eine Flasche Wasser und einen Schokoriegel geholt hatte. Wenigstens daran hatte sie in der Hektik ihres Aufbruchs gedacht. Sie grinste, als sie sich Jörgs Gesicht vorstellte, der keinen Abend ohne die geliebten Schokoriegel fernsah – die letzten zwei aus seinem Vorrat waren in ihrem Rucksack gelandet. Sein Porsche weg und dann nicht mal Schokolade zum Trost, das Leben eines Mannes konnte verdammt hart sein.

Fast schon wieder versöhnt mit der Welt setzte sich Inga in den Aufenthaltsraum des Hafengebäudes und schaute den Arbeitern zu, die Gepäckstücke in Rollcontainer verluden. Der Regen hatte aufgehört, und erste Sonnenstrahlen fielen durch die Wolkenlücken auf die »Spiekeroog 1«, die gerade einlief. Zusammen mit den wenigen Urlaubern, die mutig genug waren, zu dieser Jahreszeit die Insel zu besuchen, bestieg Inga die Fähre. In ihrem Bauch kribbelte es vor Aufregung, als das Schiff die Motoren anließ und langsam den Hafen verließ. Nach zwanzig Jahren war sie zum ersten Mal allein unterwegs. Kein Mann, der im Auto neben ihr saß und ihren Fahrstil korrigierte, und keiner, der die Richtung vorgab. Ab sofort würde sie den Weg bestimmen. Zu lange hatte sie sich von Jörg alle wichtigen Entscheidungen abnehmen lassen und darauf vertraut, dass er immer das Richtige tat.

Während sie sich im Salon der Fähre die kalten Hände an einem Pott Friesentee wärmte und den Möwen nachschaute, die dem Schiff hinterherflogen, verabschiedete sich Inga von ihrem alten Leben in Dortmund. Auf Spiekeroog hoffte sie, den nötigen Abstand zu finden, um eine Entscheidung für ihre Zukunft zu treffen.

Als die Fähre eine halbe Stunde später im Hafen von Spiekeroog einlief, hatten sich die letzten grauen Wolken verzogen, und Inga wurde von einem strahlend blauen Himmel begrüßt. Wie hatte Judith gesagt? Immer geradeaus auf die Inselkirche zulaufen, dann würde sie rechts schon das Hotel »Inselfriede« sehen. Das idyllische Inseldorf lag direkt vor ihr, als sie den anderen Reisenden auf dem breiten Hauptweg Richtung alte Dorfkirche folgte. Ihr Schritt, zunächst hektisch und zielstrebig, im Großstadtmodus, verlangsamte sich automatisch,