: Laura Labas
: Emerald Witches Ahnenmond
: Piper Verlag
: 9783492602518
: Die Hexen von Seoul
: 1
: CHF 11.70
:
: Fantasy
: German
: 416
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Sieben Hexenzirkel regieren die Stadt Seoul. Als der Ahnenmond aufsteigt, neigt sich die Herrschaft des stärksten Zirkels dem Ende zu. Ein Kampf zwischen sieben Auserwählten, einer Hexe aus jedem Zirkel, soll die Nachfolge klären. Die junge Hana aus dem Smaragdzirkel will eine von ihnen sein. Nach einem verhängnisvollen Kuss mit dem Dämon Bobby wird Hana jedoch vom Herrschaftskampf ausgeschlossen - zum Glück, denn die Oberste des Opalzirkels hintergeht und opfert alle verbliebenen Anwärterinnen. Hana flieht, doch um zu überleben, muss sie ausgerechnet dem zwielichtigen Bobby vertrauen ...

Laura Labas wurde 1991 in der Kaiserstadt Aachen geboren. Schon früh verlor sie sich im geschriebenen Wort und entwickelte eigene fantastische Geschichten, die sie mit ihren Freunden teilte. Mit vierzehn Jahren beendete sie ihren ersten Roman. Spätestens da wusste sie genau, was sie für den Rest ihres Lebens machen wollte: neue Welten kreieren. Heute schreibt sie nach ihrem Master of Arts in Englisch und in Deutscher Literaturwissenschaft immer noch mit der größten Begeisterung und Liebe und vertieft sich in Fantasy, Drama und Romance. Mehrere ihrer Romane standen auf der Shortlist zum Lovelybooks Leserpreis.

1. Kapitel


Der Smaragd glühte auf. Ich ließ die feingliedrige Kette durch meine Finger gleiten, während ich den Blick auf den grünen Edelstein meines Zirkels gerichtet hielt.

Der Smaragdzirkel, einer von sieben Hexenzirkeln in Seoul.

»Es gibt keinen Grund, den Stift in den Mund zu nehmen, Kim Ung«, ermahnte Jisoo, eine meiner beiden besten Freundinnen, ihren neunjährigen Schüler.

Ich konnte von meiner Position aus nur seinen Hinterkopf erkennen, da er ganz vorne im Raum saß und ich mit Subin, meiner zweiten besten Freundin, hinten im Schneidersitz auf dem Boden. Während Jisoo die Kinder unseres Zirkels im Nachmittagsunterricht anleitete, versuchten Subin und ich uns an der Papierdekoration für meinen großen Tag morgen. Weder sie noch ich besaßen eine größere Begabung für Bastelkram. Das Ergebnis der Kinder stellte das unsere weit in den Schatten. Gehörte Basteln zu den Tätigkeiten, die man nur als Kind gut beherrschte?

Frustriert zerknüllte ich einen blauen Papierstreifen und lehnte mich seufzend gegen das Holzregal, in dem sich die Bastelutensilien normalerweise befanden. Die Kante einer roten Plastikbox drückte sich unangenehm in meinen Rücken, aber ich war zu faul, um mich zu bewegen. Stattdessen ertrug ich den dumpfen Schmerz.

Das sagte wohl einiges über meine Persönlichkeit aus.

»Sie haben versprochen, uns von der letzten Jagd zu erzählen, wenn wir mit den Aufgaben fertig sind«, erinnerte der Junge Jisoo an ihr Versprechen.

Jisoo war ein Jahr jünger als ich und mit achtzehn Jahren die jüngste Lehrerin unseres Zirkels. Anders als Subin und ich hatte sie sich dazu berufen gefühlt, den Kindern ihre Zeit und Geduld zu schenken. Subin und ich hielten uns hier lediglich auf, weil wir nichts Besseres zu tun hatten.

Als Hexen des schwächsten Zirkels erreichten uns fast nie Aufgaben, weil sie bereits von einem der sechs Zirkel über uns abgegriffen worden waren. Einmal abgesehen davon, dass ich sowieso nichts tun durfte, was auch nur ansatzweise Spaß machen würde.

Jisoo verschränkte die Arme vor ihrem zierlichen Oberkörper und betrachtete Ung für einen Moment. Aber nicht nur er sah sie gespannt an. Auch die Blicke der anderen zehn Kinder, die allesamt unter zwölf Jahre alt waren, blieben auf sie geheftet.

Nach einem kurzen Moment legte sie die Kreide weg und klopfte ihre Hände sauber. Das Geräusch trug zur plötzlich spannungsgeladenen Stimmung bei. Selbst Subin hatte aufgehört, ihre Papiergirlande zu malträtieren, und sah Jisoo abwartend an.

So schüchtern sich Jisoo auch manches Mal gab, weil Subin und ich ständig laut waren, so gerne stand sie dann doch im Rampenlicht. Wenn es unsere Hexenoberste Choi Rose nicht verboten hätte, hätte Jisoo sicherlich einen erfolgreichen Social-Media-Kanal geführt. Irgendwas mit Mode oder Make-up.

»Eure Eltern und meineUmma wollen euch schützen«, begann Jisoo in ihrer gewählten Art. Subin und ich machten uns manches Mal darüber lustig, dass sie sich jedes Wort zurechtlegte, bevor sie es aussprach. »Deshalb gibt es keine Feldberichte.«

»Jisoo, komm schon«, flehte Subin neben mir mit einem unterdrückten Grinsen. »Du kannst die Kleinen doch nicht auf derart glühenden Kohlen sitzen lassen.«

Nur Subin vermochte Jisoo derart aus der Reserve zu locken. »Wir müssen uns vor den Kindern verantwortungsvoll benehmen, Subin-Unni«, wies Jisoo die Ältere zurecht. Da Subin die Älteste von uns war, wurde sie sowohl von Jisoo als auch von mirUnni genannt. Ein Zeichen des Respekts, aber auch der Zuneigung. Für Jisoo war auch ich eine große Schwester,Unni.

Im Gegensatz zu Subin und mir trug sie ihr Haar kurz. Sie war so zierlich und klein, dass man sie auf den ersten Blick ein paar Jahre jünger schätzen würde.

»Trotzdem können wir sie ein wenig auf das Kommende vorbereiten, oder nicht?« So leicht gab sich Subin nicht geschlagen, auch wenn Jisoo ihre Schwäche war. Subin hasste es, Meinungsverschiedenheiten zu verlieren, aber wenn sie sich dann doch einmal geschlagen gab, konnte man sich sicher sein, dass es zu Jisoos Gunsten geschah.

Ich versuchte, nicht zu erpicht auszusehen. In meiner Gegenwart redete fast niemand aus dem Smaragdzirkel über die Jagd. Ich nahm an, dass es unterschiedliche Gründe dafür gab. Meine Eltern wollten mir vermutlich die verbotene Frucht nicht attraktiver machen, und Subin und Jisoo vermieden damit meine schlechte Laune, weil ich nicht vor Neid platzte.

Ich eiferte nicht darauf hin, Dämonen zu töten, doch ich hasste es, ausgeschlossen zu werden. Seit Jahren wurde ich mit Samthandschuhen angefasst, damit mir bloß nichts vor dem großen Tag geschähe, an dem das Ahnenmondritual stattfinden würde.

Der Ahnenmond würde aufsteigen und die Grenze zwischen unserer Welt und der unserer Vorfahren damit durchlässig werden. Das war der einzige Zeitpunkt, an dem ein Machtwechsel stattfinden konnte.

Einerseits fieberte die Hexenwelt auf dieses Ereignis hin, andererseits sah sie ihm angstvoll entgegen. Letztlich konnte eine neue Hexe an der Spitze unserer Gesellschaft sowohl alte Probleme lösen als auch neue kreieren.

Und ich sollte diese neue Hexe werden. Verrückt.

Trotzdem wusste ich kaum, wie die nächtlichen Jagden vonstattengingen. Während meines Unterrichts waren unsere Lehrer besonders streng gewesen, und anders als Jisoo hatten sie sich nicht erweichen lassen.

Als Hexen in Seoul bekamen wir nach dem regulären Unterricht in den öffentlichen Schulen zusätzlich Nachmittagsstunden aufgebrummt, um etwas über die Geschichte unserer Vorfahrinnen und das Magiegeschick zu lernen. Obwohl wir damit täglich mindestens zwei Stunden eingespannt gewesen waren, hatten wir selten mehr über Dämonen gelernt, als dass sie böse und brutal waren.

»Während der gestrigen Jagd ist nichts Außergewöhnliches passiert«, begann Jisoo und ließ sich zu einem Bericht hinreißen. Sie setzte sich auf das Kissen hinter ihrem niedrigen Pult und platzierte die Hände auf ihren Knien. »Wir sind dieses Mal zusammen mit den Hexen aus dem Rosenquarzzirkel losgeschickt worden und sind insgesamt zu siebt gewesen. DieYeohwang wählte für uns Gangdong aus.«

Ich schüttelte den Kopf.

Es war ein offenes Geheimnis, dass die Oberste aller Hexen auf uns, den Smaragdzirkel, herabsah. Den Grund kannte ich jedoch nicht. WederUmma,Appa nochHalmoni hatten mir auf meine Fragen geantwortet. Alles wie immer also.

Aber da ich wusste, dass dieYeohwang Choi Rose uns nicht mochte, war es keine Überraschung, dass sie für die Hexen Gangdong als Areal ausgewählt hatte. Dort geschah nie etwas. Keine Dämonen. Keine Überfälle. Nichts.

»Wir haben uns aufgeteilt und sind die Straßen abgegangen, bis unsere Schicht vorbei war.« Jisoo räusperte sich. »Ich habe jedoch gehört, dass der Opalzirkel einen mächtigen Goblin gefunden und getötet hat.«

Ein kalter Schauder rann meinen Rücken hinab.

Wenngleich es mir von Kindesbeinen an eingeimpft worden war, ich konnte mich nicht daran gewöhnen, dass in dieser Leichtigkeit vom Tod eines Wesens gesprochen wurde. Selbst wenn es sich dabei um einen Dämon handelte.

Ich betrachtete die Kinder von hinten. Sie warfen sich gegenseitig Blicke zu, aber ich konnte ihre Gesichter nicht erkennen und deshalb nur raten, was in ihren Köpfen vorging.

»Ist es wirklich wahr, dass Jungs die Jagd verboten ist?«, fragte Ung schließlich. Er schien der Mutigste von allen zu sein, obwohl er nicht der Älteste war.

»Das stimmt. Da ihr keine magischen Fähigkeiten besitzt, wäre es zu gefährlich, euch mitzunehmen.«

»Aber warum müssen wir dann blöde Kampfkurse besuchen?« Der Junge neben Ung platzierte seine Unterarme hart auf dem Tisch vor sich.

»Damit ihr euch im Fall der Fälle selbst verteidigen könnt. Außerdem schadet es eurer Disziplin nicht.« Jisoo lächelte schelmisch. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte ihm die Zunge rausgestreckt.

Subin kicherte. Ich verdrehte die Augen.

»Das ist trotzdem doof«, grummelte Ung.

»Achte auf deine Sprache, Kim Ung«, ermahnte ihn Jisoo streng. »Seid froh, dass euch die Türen...