Prolog
Wenn einer wirklich Meister einer Kunst sein möchte, reicht technische Kenntnis nicht aus. Man muss die Techniken transzendieren, damit die Kunst eine »kunstlose Kunst« wird, die dem Unbewussten entspringt.
ZEN-MEISTER D. T. SUZUKI
In meinem letzten Jahr am College nahm mich ein Theaterlehrer zur Seite und sagte: »Ich weiß, dass du Schauspieler werden willst und du hast viel Talent. Aber Talent ist wie Wasser. Ohne ein Gefäß ist es nutzlos.«
»Was ist das richtige Gefäß für Talent?«, fragte ich.
Mein Lehrer antwortete: »Technik.«
»Gut«, sagte ich, »dann lerne ich Technik. Wohin muss ich dafür gehen?«
»Wenn du dir schon die Mühe machst, lernst du besser bei den Besten und studierst bei einem Meisterlehrer.«
»Sagen Sie mir, wo es solche Meisterlehrer gibt, und ich lerne bei ihnen«, sagte ich. Und so kam es, dass ich mir Tage später das Auto eines Freundes borgte und zur Rutgers University in New Brunswick, New Jersey, fuhr, zu der die Mason Gross School of the Arts gehörte, um William (Bill) Esper zu treffen.
Er war nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Vermutlich hatte ich mir einen Meisterlehrer für Schauspiel als flotte Erscheinung mit Baskenmütze und Mephisto-Ziegenbärtchen vorgestellt. Stellen Sie sich meine Überraschung vor, einen freundlichen, ruhigen Mann mit graumeliertem Haar zu sehen, der mich in sein enges Büro der Mason Gross School winkte. Das war der berühmte William Esper? Unmöglich. Dieser Mann war ein ganz normaler Mensch, mit einem sauber gestutzten Kinnbart und durchdringenden Augen hinter einer Brille.
Wir haben uns ungefähr fünfundvierzig Minuten unterhalten, und ich bin mir sicher, dass ich mich viel zu sehr darum bemüht habe, einen guten Eindruck zu hinterlassen, denn ehrlicherweise kann ich mich an kein einziges Wort von Bill Esper erinnern. Außer an eine Sache: Gegen Ende unseres Gesprächs fragte mich Bill: »Warum willst du gerade hierher kommen? Warum willst du bei mir studieren?«
Ich sagte: »Ich habe die Meisner-Technik ein wenig am College studiert und sie hat mir sehr geholfen. Jetzt will ich sie von Grund auf lernen.«
Bill antwortete nicht. Er saß einfach nur da und sah mich an. Schließlich sagte er sehr leise: »Wenn du hierherkommst, wirst du nicht die Meisner-Technik lernen. Du wirstmeine Technik lernen. Die William-Esper-Technik. Und, so Gott will, verlässt du den Unterricht, wenn du hier fertig bist, mitdeiner eigenen Technik. Verstehst du das?«
Das habe ich nicht. Nicht wirklich. Aber ich war jung. Ich log. Ich nickte und sagte: »Ja.«
***
Jetzt, mehr als zehn Jahre später, bat mich Bill, ihn zu besuchen. Die Tür zu seinem Studio öffnet sich und ich durchschreite einen kleinen Vorraum mit rot gestrichenen Wänden, der direkt in sein Büro übergeht. Es ist ein enges, vollgestopftes, kleines Zimmer, und das Erste, was mir auffällt, ist der Metallschirmständer hinter der Tür. Mit drei Regenschirmen, einem lädierten Varieté-Spazierstock, einem Louisville-Baseballhandschuh und ei