Kapitel 1
Mein Blick glitt vom Computerbildschirm zu dem Stiftebecher auf meinem Schreibtisch, an dem die Einladungskarte für die Hochzeit lehnte.Hanna und Christian stand in geschwungener Schrift auf der Vorderseite, eine filigrane Ranke schlang sich um die Namen. In zwei Wochen wollten die beiden an der Ostsee Ja sagen – und ich freute mich riesig für meine Freundin. Die Einladungskarte hatte ich für sie designt, Hanna hatte sie dann noch mit einem Inlett versehen, auf dem alle wichtigen Infos standen, und jede Karte mit einer naturfarbenen Schleife verschlossen. Es hatte mir Spaß gemacht, von Göttingen aus etwas beisteuern zu können, und ich war in einen kleinen Kreativrausch verfallen und hatte quasi ein komplettes Branding für die Hochzeit erstellt. Alles passte zusammen: Einladungs-, Menü- und Danksagungskarten. Letztere warteten nur noch auf die Hochzeitsfotos der beiden, ehe ich sie finalisieren würde. Außerdem hatte ich ein Gästebuch gestaltet und wollte im selben Look später ein Fotobuch für die beiden kreieren. Eine Website mit Infos für die Gäste gab es ebenfalls. Über diese Seite hatte man auch zu- und absagen können und würde dort später die Möglichkeit haben, Fotos hoch- und runterzuladen. Von der Erstellung einer Website hatte ich keine Ahnung, das hatte Hanna übernommen und sich das Ganze extra dafür angeeignet, ich hatte lediglich die Grafiken beigesteuert. Ich mochte das Design, alles vermittelte klar die Botschaft, dass es hierbei um den schönsten Tag im Leben meiner Freundin ging. Dennoch breitete sich jedes Mal, wenn ich an die Hochzeit dachte, in meinem Bauch ein mulmiges Gefühl aus. Seit der Trennung von Julius vor einem Dreivierteljahr würde es das erste Mal sein, dass ich ihn wiedersah – abgesehen von meinem armseligen Stalking seines Instagram-Profils. Ein Foto von ihm und einer hübschen Frau mit honigblonden Haaren hatte er vor einigen Wochen hochgeladen, sie war höchstens Mitte zwanzig. Ich stellte mich lieber schon mal darauf ein, dass es sich um seine neue Freundin handelte. Hanna hatte mir erst kürzlich erzählt, dass er mit Begleitung kam. Beim Betrachten des Fotos hatte ich mich mit meinen einunddreißig Jahren alt gefühlt, und ausgetauscht – gegen eine bessere Version. In meinen mittelblonden Haaren fanden sich nämlich schon erste graue, die aber zwischen den helleren Strähnen vom Friseur zum Glück nicht auffielen.
Verärgert, dass ich nach all den Monaten überhaupt noch über Julius nachdachte, wischte ich die Gedanken fort, schob entschlossen meinen Drehstuhl zurück und erhob mich.
Das Büro teilte ich mir mit Frank. Sein Schreibtisch stand ein paar Meter von meinem entfernt vor dem Fenster, abgetrennt durch einen aufgestellten Sichtschutz und eine große Grünpflanze, die er mitgebracht hatte, als er den Posten von Herrn Albicher, den vorherigen Leiter der Marketingabteilung, übernahm. Auch wenn die Grünpflanze, neben dem Sichtschutz, das meiste Tageslicht davon abhielt, bis zu mir vorzudringen, war sie doch das Einzige, was ich an Frank leiden konnte.
»Mia, hast du alle Unterlagen für die Präsentation zusammengestellt, und hat die Agentur die fehlenden Grafiken geschickt?«, bremste er mich nun prompt aus, und ich plumpste zurück auf das Sitzpolster. Er musste gestern an Himmelfahrt etwas zu lange in der Sonne gesessen haben, auf der Nase und den Wangen hatte er einen fiesen Sonnenbrand, der seine prägnante Nase noch ein wenig mehr betonte.
»Ich schicke dir alles in fünf Minuten.« Die neueste Waschmaschinen-Linie der Tellerrock GmbH soll