DOI 10.21706/mr-76-7-18
Ulrich K.Preuß
»Das ist mehr als ein Verbrechen, das ist ein Fehler« – dieser dem französischen Staatsmann Charles Maurice de Talleyrand zugeschriebene Aphorismus kommt einem in den Sinn, wenn man die Diskussion darüber verfolgt, wie Bundespräsident Steinmeier über seine Russland-Politik als Außenminister der Großen Koalition unter Angela Merkel spricht und sich dabei vor allem gegen Vorwürfe des ukrainischen Botschafters in Deutschland und deren mediales Echo verteidigt. ImSpiegel-Interview vom 8. April 2022 erklärte er zu dem Vorwurf, dass er persönlich bis zuletzt an Nord Stream 2 festgehalten habe: »Das war ein Fehler, ganz klar. Ich habe mich zu lange damit beruhigt, dass Planungen für diese Pipeline schon vor 2014 stattgefunden hatten, und ich habe auf Dialog gesetzt.« Auf den vomSpiegel zitierten ukrainischen Vorwurf, er habe jahrelang eine naive Russland-Politik betrieben, antwortete er: »Wir sollten Putin nicht den Gefallen tun, die Verantwortung für seinen Angriffskrieg auf uns zu ziehen. Unabhängig davon müssen wir jetzt natürlich genau aufarbeiten, wo wir Fehler gemacht haben«, wobei er in das »Wir« ausdrücklich sich selbst einbezieht.
In der Presse wurden diese Aussagen wie das Geständnis eines Angeklagten behandelt.1 Dass Steinmeier von seinen Fehlern sprach, davon, dass »wir […] gescheitert [sind] mit der Einrichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Russland einbezogen wird«, sowie »gescheitert mit dem Ansatz, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden«, wurde von der medialen Öffentlichkeit als »Eingeständnis« bewertet – ein