: Hansjörg Schertenleib
: Cowboysommer Roman
: Aufbau Verlag
: 9783841200020
: 1
: CHF 6.40
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 244
: kein Kopierschutz/DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB/PDF

Ein großer poetischer Erzähler

»Freundschaft kann man genauso wenig erklären wie Liebe.« »Die Zeit stand still, das gehörte zur Jugend wie das Warten.« »Ich wollte mir vorstellen können, für immer unterwegs zu sein, bereit, durch jede Tür zu gehen, die sich öffnete.« Kühn und warmherzig zugleich erzählt Hansjörg Schertenleib vom Zauber und vom schmerz des Erwachsenwerdens, von seinen Geheimnissen, Wahrheiten und Schrecken. ein tiefes emotionales Buch über eine große Freundschaft, die bis in den Tod reicht - und darüber hinaus. »Er würde mir das Gefühl geben, da zu sein, am Leben zu sein, wirklich und immer, jede Sekunde.« Als Hanspeter, der Erzähler, Boyroth trifft, ahnt er sofort, dass zwischen ihnen eine tiefe Freundschaft entstehen wird. Boyroth ist anders als die anderen Siebzehnjährigen: Er weiß, was er will, spielt großartig Fußball, hört die richtige Musik, und die Mädchen umschwärmen ihn. Gemeinsam mit Boyroth möchte Hanspeter dem engen Zürich der Siebziger entfliehen. Doch dann geschieht das Unglück, das beide für ihr Leben zeichnet. Mit virtuoser Sprachmacht begegnet Hansjörg Schertenleib großen menschlichen Themen:

»Wir sterben nur einmal. Aber das gilt auch für das Leben. Wir wissen es und wissen es doch nicht, denn es ist nicht auszuhalten.«



Hansjörg Schertenleib, 1957 geboren, lebt im County Donegal in Irland und in Zürich. Er schrieb Hörspiele, Theaterstücke, Gedicht- und Erzählbände sowie Romane, die in mehrere Sprachen übersetzt wurden.

Im Aufbau Verlag sind seine Romane 'Der Antiquar', 'Die Namenlosen', 'Das Regenorchester', 'Cowboysommer', 'Nachtschwimmer', 'Wald aus Glas', 'Jawaka' sowie der Erzählband 'Von Hund zu Hund lieferbar.

Mehr zum Autor unter: www.shertov.com

Winter 2010 (S. 13-14)

1


Wäre ich ein Mädchen, ich würde mich auf der Stelle in dich verlieben. Der Satz war plötzlich in meinem Kopf, und mit ihm die erste Erinnerung an Boyroth, die sich vor die Szene schob, die ich gerade vorlas, ohne wirklich darauf zu achten, so oft hatte ich sie schon vorgetragen. Ich las immer noch gerne an Schulen, obwohl ich die arroganten, gelangweilten oder offen feindseligen Blicke der Jugendlichen nicht mehr sehen und ihre Fragen, die sie meist nur stellten, um eine lästige Pflicht zu erfüllen, nicht mehr hören konnte. Wäre ich ein Mädchen, ich würde mich auf der Stelle in dich verlieben! Ich hatte den Satz schon einmal gedacht, vorüber dreißig Jahren auf einem Nebenplatz des Letzigrund-Stadions, bei meinem ersten Training für die B-Junioren des FC Blue Stars.

Nach der Lesung lud mich die Lehrerin zu einer Tasse Kaffee im Lehrerzimmer ein, aber ich erzählte ihr, dass ich kaum geschlafen habe und mich vor der nächsten Lesung hinlegen wolle. Als ich kurz vor vier Uhr morgens erwacht und ans Fenster des Hotelzimmers getreten war, hatte es geschneit.

Ein Streuwagen fuhr durch die Straße, sein Warnlicht, das alle paar Augenblickeüber mein Bett sprang, hatte mich wohl geweckt. Der Motor des Lastwagens war jedenfalls genauso wenig zu hören gewesen wie die Stimmen der drei Männer, die ausgelassen wie Schuljungenüber den Gehsteig hüpften. Waren sie betrunken? Oder freuten sie sichüber das Schneetreiben und den Wind, der die Flocken zwischen die Häuser trieb und die Wannen der Straßenleuchten tanzen ließ, weshalb die Lichter, die immer wieder in andere Richtungen strahlten, gespenstische Bewegung in das Gestöber brachten?

Ich hatte dem Schneefall eine Weile zugesehen und mich dann wieder hingelegt, um vielleicht doch noch zu etwas Schlaf zu kommen. Und jetzt war ich müde. Der Pausenplatz und die Sportwiese der Kantonsschule waren mit Schnee bedeckt, der Himmel hing tief, aber es schneite nicht. Ein paar der Schüler, denen ich aus meinem Buch vorgelesen hatte, hockten im Foyer und sahen zu, wortlos und ohne zu grüßen, wie ich ins Freie trat und wegging.Über dem Vierwaldstätter See stand Nebel, der sich wohl erst gegen Mittag auflösen würde, wenn die Sonneüber die Berge fiel und Dächer und Zinnen aufgleißen ließ, bevor ihr Licht den Fluss und endlich auch die Gassen der Luzerner Altstadt erreichte.
114
221
327
134
239
350
461
572
676
785
888
999
10105
11118
12131
13137
14147
15151
16160
17168
18176
19181
20189
21194
22200
1204
2212
1220
2222
3226
4232
5238