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Wenn ich morgens aufwachte, war Tinu schon weg. Gegen Mittag kam sie zurück und trug eine Schiefertafel, an der ein Griffel befestigt war. Und sie war mit genauso einer kakifarbenen Uniform bekleidet wie die anderen großen und kleineren Kinder, die in Horden von morgens bis nachmittags durch das Gelände quirlten, mit hunderterlei Dingen beschäftigt.
Zu einer festgesetzten Stunde am Morgen langte eines der größeren Kinder nach der Kette, die am Glockentürmchen baumelte, zog daran und bewegte sich dabei wie im Tanz, und die Glocke begann zu läuten. Sofort stoben die tollenden, tobenden, rennenden, raufenden Schüler in die verschiedensten Richtungen zwischen den Schulgebäuden auseinander – die Kleinsten liefen zum Schulraum am hinteren Ende des Geländes, und dort konnte ich sie nicht länger beobachten. Die Größeren blieben in meiner Sichtweite, nahe beim Hauptgebäude. Sie teilten sich in mehrere Gruppen, und jede stellte sich unter den wachsamen Augen eines Lehrers in einer Reihe auf. Wenn alles in Reih und Glied stand, sah ich meinen Vater, der plötzlich wie aus dem Nichts auf dem obersten Treppenabsatz erschien. Er hielt eine kurze Ansprache, dann trat er beiseite. Einer der großen Schüler stimmte ein Lied an, die anderen fielen ein, und in Zweierreihen marschierten sie im Takt ins Schulgebäude.
Es wurde immer aus einem Repertoire von fünf oder sechs Liedern gewählt, und dass eines davon bald mein Lieblingslied werden sollte, lag wohl daran, dass die Schüler es mit mehr Begeisterung sangen als die anderen Lieder. Es fiel mir auch auf, dass die Schüler, wenn dieses Lied an der Reihe war, eher tanzten als marschierten. Selbst die Lehrer schienen davon angesteckt; sie lächelten nachsichtig und machten sich manchmal gegenseitig auf einen Schüler aufmerksam, der zu einem bestimmten betonten Taktschlag die Schultern in höchst eigentümlicher Weise hochzog und doch genau im Rhythmus marschierte. Es war auch ein sehr ungewöhnliches Lied, denn die Strophen waren in Englisch, während der Refrain in Yoruba gesungen wurde. Nur die Worte dieses Refrains drangen bis zu mir herüber:
B’ina njo, ma je’ko
B’ole nja, ma je’ko
Eni ebi npa, omo wi ti’re
Von der anderen Schule hörte ich nie so lebhaften Gesang; weniger noch, die Riegen verschwanden einfach aus meinem Gesichtsfeld. Und doch war das die Schule, die meine Schwester besuchte. Ich konnte sie nie in der marschierenden Gruppe entdecken, jedenfal