1. Kapitel
Es regnete stark, und Isabella Steif und Charlotte Kantig kämpften zudem noch mit einem eisigen Wind, der ihnen ins Gesicht blies.
»Hätten wir bloß den Wagen genommen«, jammerte Charlotte. »Aber meine holde Schwester mit ihrem Umwelttick will unbedingt radeln!«
»Nur weil du mal wieder keine vernünftigen Regensachen zum Anziehen hast, verzichte ich doch nicht aufs Radfahren«, zischte Isabella ihre drei Jahre jüngere Schwester an. »Das Wetter ist doch genauso, wie es im April sein muss!«
Charlotte Kantig biss die Zähne zusammen, zog die Kapuze ihres Parkas tief ins Gesicht und schaute verärgert auf ihre hellgraue Hose, die nun an den Knien vom Regen durchweicht war und bei der Ankunft im Rathaussaal bestimmt nicht mehr gut aussehen würde. Endlich ließ der Regenschauer nach, und kurz darauf verließen sie den Radweg, der an der Landstraße entlangführte, und genossen den Windschutz der Häuser, die rechts und links die Straße säumten. Die kleine Siedlung, in der Isabella und Charlotte Tür an Tür in einem Doppelhaus wohnten, lag etwas außerhalb von Oberherzholz, und mit dem Rad brauchte man gute zwanzig Minuten bis in die Stadt.
Der Parkplatz vor dem Rathaus war voll, und einige Autofahrer drehten suchend Runde um Runde, aber es war kein freier Stellplatz mehr zu sehen.
»Jetzt weißt du, warum ich mit dem Fahrrad fahren wollte!«, erklärte Isabella triumphierend und zeigte mit der Hand auf den voll geparkten Platz und die Straße entlang, wo sich auch schon ein Auto ans andere reihte.
»Mein Gott, wo kommen die alle her?«, staunte Charlotte. »Ist die Sitzung zu den Windrädern denn so interessant?«
»Das wirst du gleich sehen!«, sagte Isabella, während sie ihre Räder an den Autos vorbei zu dem Fahrradständer schoben, der allerdings ebenfalls vollgestellt war. »Nicht ein Ständer frei«, monierte Charlotte und hob ihr Rad an, um es in das vor dem Fahrradständer liegende Beet zu stellen.
»Du kannst doch das Rad nicht mitten in die Pflanzen stellen!« Isabella schüttelte empört den Kopf und schob ihr Rad zu einem Straßenbaum auf dem Bürgersteig, wo allerdings schon viele andere Räder lehnten.
»Und ob ich kann!«, entgegnete Charlotte. »Da, wo dein Rad steht, wird es doch nur umgeworfen oder zugestellt.« Ohne weiter auf das verärgerte Stirnrunzeln ihrer Schwester zu achten, schloss sie ihr Rad ab und stand gleich darauf abwartend neben Isabella, die gerade aus ihrer Pelerine geschlüpft war und sie in einer Plastiktüte verstaut hatte. Während die Schwestern langsam zum Eingang des Rathauses gingen, ließ der Strom der Informationshungrigen schon nach, denn genau in dem Moment, als sie eintraten, schlug die Kirchturmuhr acht.
Der Saal war voll, und Isabella und Charlotte mussten sich mit einem Stehplatz direkt neben der Tür zufriedengeben. Der Bürgermeister trat ans Mikrofon und eröffnete die Versammlung, was einige Besucher dazu nutzten, Plakate hochzuhalten und lautstark gegen seine Rede anzuschreien.
»Dass die Leute nicht mal fünf Minuten zuhören können, was der Bürgermeister zu sagen hat!«, zischelte Isabella ihrer Schwester zu.
»Oh, ich finde es ganz interessant, wie die sich hier in Szene setzen«, gab Charlotte leise zurück und betrachtete grinsend, wie der Saaldiener versuchte, Ordnung in die Versammlung zu bekommen, was ihm erst nach einigen Minuten gelang.
Der Bürgermeister hatte geduldig abgewartet und erklärte nun, welche Vorteile die Ausweisung von Flächen für den geplanten Windpark für die Stadt hätte. Laute Protestrufe waren die Folge. Eine Gruppe Umweltschützer hielt ein Plakat hoch: »Schüt