: Alexander Lorenz Golling
: Die letzte Rauhnacht
: Midnight
: 9783958190092
: 1
: CHF 2.40
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 208
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Begraben unter einer Schneedecke findet der Buchhändler Leonhard in den Wäldern das lange vergessene Dorf Kreuth. Zwischen den Ruinen stößt er auf ein altes Tagebuch. Nacht für Nacht verschlingt er von nun an die verstörenden Aufzeichnungen. Plötzlich bekommt er Alpträume. Als er auch tagsüber glaubt, von einer Erscheinung, einer Frau in Schwarz, verfolgt zu werden, fürchtet er, den Verstand zu verlieren. Gemeinsam mit dem Iren Doug begibt er sich auf Spurensuche - und schlägt die Brücke in eine Vergangenheit, die besser unangetastet geblieben wäre ...

Alexander Lorenz Golling wurde 1970 in Augsburg geboren. Nach einem Musikerdasein in Augsburg und erfolgter Berufsausbildung in Schwäbisch Gmünd ließ er sich in Oberhausen bei Neuburg nieder, um seiner Arbeit im sozialen Bereich nachzugehen. Im Februar 2012 begann er, Romane und Kurzgeschichten des Genres Horror und Mystik zu schreiben. 'Und es wurde finster' ist sein erster Krimi. 

Zweites Kapitel


Erkundungen


Das Gemeindehaus von Oberhausen war ein kleines, gewöhnliches Gebäude aus den achtziger Jahren, dem man mit Fensterläden und einem postmodernen Vorbau aus Holz und Glas einen gewissen Status zu geben versucht hatte. Eine Zigarette rauchend stand ich davor und ordnete meine Gedanken und die Fragen, die ich zu stellen gekommen war. Dann betrat ich das Haus selbstsicher und leicht angespannt. Der Geruch von neuem Teppich umfing mich, als ich durch die geöffnete Tür links von mir eine Dame mittleren Alters erblickte, die hinter dem Empfangsschalter Prospekte sortierte. Ich stellte mich kurz vor und erkundigte mich höflich, ob es denn hier zu dem ehemaligen Weiler Kreuth noch irgendwelche Karten, Fotos oder eine Entstehungsgeschichte gebe, ich sei sehr daran interessiert, eventuell vorhandene Quellen in Augenschein zu nehmen. Sie sah mich abschätzend an.»So, so, Sie wollen also etwasüber das alte Kreuth erfahren, junger Mann, darf ich wissen, warum? Dort gibt es doch nichts Wichtiges mehr zu sehen, außer einem alten Friedhof vielleicht«, fragte mich die Frau und rückte, während sie sprach, ihre Brille zurecht. Sie hätte auch sehr gut in ein muffiges Hinterzimmer irgendeines Landratsamts gepasst. Ihr Atem roch noch nach dem Essen von vorgestern, die Kleidung nach Mottenkugeln. Nicht gerade mein Fall, die Lady …

»Äh, ich halte demnächst einen historischen Vortragüber alte bayerische Siedlungsgeschichte in Neuburg und Umgebung, Sie wissen schon, Fall des Donaulimes, germanisch-slawische Völkerwanderung und so weiter«, gab ich als sehr gestelzt klingende Ausrede, wenn auch noch nicht einmal unbedingt thematisch gelogen, zum Besten.

»Um Gottes Willen, was für eine Wanderung? Na, mal schauen, ob wir da etwas dahaben. Wir besitzen auf jeden Fall ein paar alte Flurkarten, in denen Kreuth sicherlich noch vermerkt ist, und ich glaube, es gibt sogar ein kleines illustriertes Buch zu dessen Geschichte; ich bin mir aber nicht sicher, ob wir es noch hier haben. Mitnehmen können Sie die Sachen natürlich nicht, aber einsehen schon. Sagen Sie mir doch einfach, wann Sie Zeit für einen Termin haben, dann könnte ich das Material für Sie bereitstellen«, kam in einer schwerfälligen Bürokratenmanier die leicht angestaubte Antwort zurück.

»Gut. Ich würde Mittwochvormittag, sagen wir so gegen elf Uhr, vorschlagen. Wäre dieser Zeitpunkt für Sie in Ordnung?«

»Am 14.12.? Aber ja doch, Herr Winkelmeier, sicherlich. Um elf Uhr also. Vergessen Sie aber nicht die Gebühr von fünfzehn Euro, die wir für einen solchen Vorgang erheben müssen. Ansonsten steht dieser Sache natürlich nichts entgegen.«

Ich schluckte.

»Ja, ist in Ordnung, geht klar. Bis zum Mittwoch dann, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag. Auf Wiedersehen!«

»Warten Sie mal! Ich glaube, ich kenne Sie irgendwoher. Aber ja doch, sicherlich: Sie sind doch der Buchhändler aus der Waldstraße vorn um die Ecke, nicht wahr?«

Ich machte auf dem Absatz kehrt.»Ja, der bin ich allerdings«, antwortete ich etwas verlegen.

»Wie machen Sie das nur, Herr Winkelmeier?« Ich sah die Angestellte fragend an.»Was meinen Sie …?«»Na, wie Sie das so aushalten! Ich meine, so besonders viel Geld wird doch ihr Laden da nicht einbringen, oder? Und dann auch noch die ganze Zeit in einem Raum voller Bücher zu verbringen, also ich könnte mir ein solches Leben niemals vorstellen. Haben Sie denn keine Frau und keine Kinder? Ein Mann in Ihrem Alter sollte Familie haben!« Aha. Jetzt begann sie also auszutesten, wie weit sie bei mir gehen konnte. Ich setzte mein freundlichstes Lächeln auf und antwortete:»Wissen Sie was? Ich bin mit meinem Leben, so wie es gerade ist, sehr zufrieden. Ich habe ein ausreichendes Einkommen, und mein Privatleben hat Sie nicht weiter zu interessieren!« Die Angestellte sah mich entrüstet mit großen Augen an. Diese Zurechtweisung hatte sie anscheinend nicht erwartet. Freundlich fuhr ich weiter fort:

»Ach ja, bevor ich es vergesse: Ich habe Sie auch noch nie mit Mann und Kindern gesehen. Trotzdem würde ich nie auf die Idee kommen, Ihnen derartig persönliche Fragen zu stellen. Auf Wiedersehen!«

Vielleicht findest du einen Kerl, wenn du dich mal dazu bequemen würdest, deine Zähne zu putzen, fügte ich in Gedanken hinzu.

Anschließend trat ich, vor Erleichterung ausatmend, wieder aus dem Gebäude hinaus ins Freie. Das war nicht gerade schön gewesen; aber warum musste sie mich auch so herablassend behandeln? Selber schuld!

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