: Werner Gerl
: Die Spur des Terroristen Kriminalroman
: Midnight
: 9783958190047
: 1
: CHF 4.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 336
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Deutschland wird von einer Anschlagserie heimgesucht. Alle Welt hält den konvertierten Muslim Karl Hausner, der sich zu den Taten bekennt, für den Schuldigen. Nur nicht Marc Bourée, ein Detektiv, der sich darauf spezialisiert hat, Menschen verschwinden zu lassen, und dessen letzter Klient eben jener Hausner war. Bourée glaubt, dass der biedere Familienvater nur als Strohmann dient und etwas ganz anderes hinter der Geschichte steckt. Bei der Suche nach dem wirklichen Attentäter gerät der Detektiv zwischen alle Fronten - und nur seine Exfreundin, die geradlinige Polizistin Julia Wehdau kann ihm helfen. Doch die will mit Bourée nichts mehr zu tun haben ...

Werner Gerl, geboren 1966 im niederbayerischen Mainburg, studierte Germanistik und Geschichte in Regensburg und lebt mit seiner Frau als Lehrer, Autor und Kabarettist in München. Er veröffentlichte als freier Journalist und Buchautor bereits zahlreiche Texte, hat sich in den letzten Jahren aber mehr auf Krimis verlegt und satirische bayerische Kurzkrimis ('Mordsgaudi') sowie die Roman-Reihe um die Münchner Kommissarin Tischler geschrieben ('Eine Art Serienmörder', 'Der Goldvogel'). Ferner ist er mit Kurzkrimis in diversen Anthologien vertreten und schreibt Theaterstücke. Werner Gerl ist Mitglied im Syndikat und Mitorganisator des Münchner Krimitags.

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Karl Hausner würde heute verschwinden. Für immer. Verschwinden wie der blaue Dunst einer handgerollten Zigarre und nicht einmal die Asche und der abgeleckte, zerbissene Stummel würdenübrig bleiben, nur noch der kalte Rauch, der zäh in den alten Möbeln hängt. Ein letztes Mal würde er seine Frau sehen, seinem achtjährigen Sohnübers dichte schwarze Haar streichen und ihm eine Gutenacht-Geschichte erzählen. Ein letztes Mal würde er aus seinem geleasten 3-er BMW steigen, den er jeden Samstag auf Hochglanz polierte. Ein letztes Mal würde er Red Neck, seinen geliebten Golden Retriever, kraulen, ihm Bälle zuwerfen und ihn mit saftigen Fleischstücken füttern. Denn Karl Hausner würde sein bisheriges Leben ablegen wie einen alten Mantel und verschwinden. Er hatte es so gewollt. Und deshalb den richtigen Mann aufgesucht.

Dieser war jedoch an diesem so wichtigen Tag noch gezeichnet von der letzten Nacht. Der Alkohol brannte in seinen Adern und pulsierte in seinem Kopf, brodelte in seinen Gedärmen und vergiftete seinen Atem. Aber Marc Bourée brauchte diese Abstürze, zumindest hin und wieder. Sie kamen jäh und er konnte sich nicht dagegen wehren. Seit dem Entzug hatte er dem regelmäßigen Trinken abgeschworen, doch gelegentlich meldete sich die Sucht und verlangte Befriedigung.

Das Schlimmste an diesem Absturz waren aber nicht die Schmerzen, das Gefühl, im falschen Körper zu stecken. Das Schlimmste war, dass der Detektiv wieder einmal nach einer ausschweifenden, nachgerade dionysischen Nacht in einem fremden Bett aufgewacht war. Sibylle war wesentlichälter als er und alles andere als eine Heidi Klum, aber sie war kommunikativ und vor allem eindeutig nur auf ein Abenteuer aus, keine also, die ihn mit Anrufen terrorisieren oder ihm vorheulen würde, wie sehr sie in ihn verliebt sei. Die richtige Frau am richtigen Ort, einer einschlägigen Cocktail-Bar, die ausschließlich von Menschen aufgesucht wurde, die auf schnellen, unverbindlichen Sex aus waren, denen Swinger Clubs aber zu beliebig und prollig waren.

Bourée wachte also nach einem Auswärtsspiel auf und hatte keine Zeit, sich umzuziehen, schließlich hatte Hausner angekündigt, er würde um Punkt 8 Uhr bei ihm aufkreuzen. Und den besten Klienten konnte man nicht warten lassen, zumal er derzeit auch der einzige war. Mit zerzausten Haaren, unrasiert und vor allem mit verschwitzten Klamotten, in denen sich der Alkoholdunst hing, schlich sich Bourée in sein Büro.

Der Gang war noch finster. Erst in seinem Büro sah man, wie eine zaghafte Januarsonne die Nacht vertrieb und den Horizont in winterliches Grau tauchte. Marc atmete tief durch, um klarer im Kopf zu werden und das Gift aus dem Leib zu vertreiben. Dann ging er zu dem Wandschrank, nahm ein Aspirin, das zweite an diesem Morgen, warf es in ein Glas und löste es in frischem Leitungswasser auf.

Das Büro war angenehm still. Nur von der Straße drang etwas Motorenlärm herein. Susi Rebner war noch nicht da, was freilich ihren Gepflogenheiten entsprach, schließlich tauchte sie selten vor zehn Uhr auf. Sie und Marc teilten sich aus Kostengründen das Büro in der Nähe des Hohenzollernplatzes. Allerdings bedienten sie nicht dieselbe Klientel. Susi war Graphikerin und Illustratorin. Sie hatte sich auf Fantasy- und Gothic-Motive spezialisiert, was man ihr auch ansah. Ihre Businesskleidung bestand aus fingerlosen Spitzenhandschuhen und schwarzen Tüllröcken. Es gab auch Tage, an denen man glaubte, sie sei direkt einem Twilight-Film entstiegen.

Marc schaltete die Espresso-Maschine an. Sie würde sein bester Verbündeter an diesem Vormittag sein. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, fuhr den Computer hoch undöffnete den Ordner»Hausner«. Bourée versuchte, die Stecknadeln aus seinem Kopf zu bekommen und sich auf das Treffen vorzubereiten. Alsoüberflog er noch einmal alle Details, alle Absprachen und den bisherigen Verlauf der Geschäftsbeziehung.

Er erinnerte sich an das erste Mal, als Hausner in Marcs Detektei gekommen war. Die Plätze und Fußgängerzonen Münchens begannen gerade, nach Glühwein und heißen Maronen zu duften. Weihnachtsmusik verpestete die vollgestopften Kaufhäuser. An jenem Tag bestäubten die ersten Schneeflocken die Dächer Münchens, ohne liegen zu bleiben.

So kam auch Hausner mit einem Mantel in die Detektei, an dem zäh Wassertropfen in den Fasern hingen. Auf den ersten Blick war er kein außergewöhnlicher Klient. Sein Kopfhaar war bereits etwas licht, das saftige Schwarz wurde unweigerlich vom Grau des Altersüberrollt. Seine Oberlippe zierte ein kurzgeschnittener, gepflegter Schnurrbart, wie man ihn heute nicht mehr allzu oft sieht. Er trug einen dicken Wintermantel und darunter einen Anzug von der Stange für maximal 200 Euro. Sein Hemd war um den Nabel herum straff gespannt von einem Wohlstandsbäuchlein. Sport schien Hausners Sache nicht zu sein, denn er schnaufte vom Treppensteigen wie ein Walross. Er wirkte blass und kränklich. Der Eindruck verflog auch nicht, als sich Hausner von der Strapaze des Treppensteigens erholt hatte.

»Das haben Sie inseriert, oder?« Der neue Klient legte ihm die Wochenendausgabe der Süddeutschen auf den Schreibtisch und deutete auf eine gelb markierte Anzeige.»Sie wollen verschwinden? Ein neues Leben beginnen? Weil Sie ein Stalker verfolgt oder die Mafia oder der Ex-Mann? Detektei Vanish.« Marc hatte langeüber einen Namen für seine besondere Detekt