: Christian Lorenz
: [identität]
: Midnight
: 9783958190016
: 1
: CHF 4.00
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 256
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Euro wurde abgeschafft, und es gab Hintermänner, die von der Einführung der D-Mark profitiert haben. Weiß Thomas Bartmann etwas darüber? Anfänglich weiß er nicht einmal, wie er in dieses abgelegene mecklenburgische Dorf gekommen ist. Die Netz-Piratin Minke nimmt ihn auf, und je mehr sie über ihren Gast herausfindet, desto mehr seltsame Besucher tauchen auf. Wonach suchen diese Männer? Inmitten unberührter Natur beginnt ein Versteckspiel mit tödlichem Ausgang.

Christian Lorenz, geboren 1968 in Schwerin, hat Politikwissenschaft und Journalistik studiert. Schon mit 21 Jahren wurde er Nachrichtenredakteur und schrieb später für verschiedene große Zeitungen. Einige Jahre lang war er Pressesprecher im Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern und arbeitet jetzt als Marketingleiter in Hamburg. Dort lebt er mit seiner Frau, pflegt aber auch ein altes Bauernhaus in der Sternberger Seenlandschaft, wo er am liebsten mit seinem Sohn angeln geht. Sein Roman '[identität]' spielt zum größten Teil in diesem idyllischen Teil Deutschlands.

Kapitel 2


Der Anruf hatte Minke Rätsel aufgegeben. Jemand, den sie angeblich kennen sollte, an den sie sich aber nicht erinnern konnte, hatte um ein Treffen gebeten. Verschwörerisch war auf die Unsicherheit von Telefonaten hingewiesen worden, aber auch auf weitere Aktionen zur Rettung des Waldes, die man gemeinsam vorbereiten sollte. Der Anrufer hatte sie zum stillgelegten Bahnhof von Kenzlin bestellt und ließ nun seit zwanzig Minuten auf sich warten.

Vor vielen Jahren hatte jemand versucht, hier eine Gaststätte zu betreiben, und die klassizistische Fassade des Bahnhofsgebäudes aus der Gründerzeit gelb gestrichen. Die Farbe blätterte bereits wieder ab, der Schaukasten für die Speisekarte war eingeschlagen, die Eingangstür mit einer großen Stahlplatte gesichert. Zum Bahnhof gehörte auch ein Fachwerkgebäude, das bald zusammenbrechen würde. Das Dach war eingefallen, ein Torflügel hing schräg in nur einer Angel. Dahinter konnte man sehen, dass illegale Müllentsorger die Halle nutzten: Alles war voller Autoreifen und Elektroschrott.

Auf den rostenden Schienen waren einst Züge mit Direktanschluss in die Hauptstadt gefahren, erinnerte sich Minke. Jetzt sah sie eine Art Draisine nahen, die allerdings nicht durch Muskelkraft betrieben wurde. Ein junger Mann mit Dreadlocks winkte ihr zu, hielt am Bahnsteig und rief:»Einsteigen bitte!«

Minke musterte ihn und erkannte einen der Aktivisten, die im letzten Jahr mit Straßenblockaden den Harvestern ihren Weg in den Wald verstellt hatten.»Einen trostloseren Ort für ein Treffen kann man sich kaum vorstellen, aber jetzt verstehe ich, warum du mich hier abholen musstest«, sagte sie beim Einsteigen.

Das Schienenfahrzeug hatte noch die Antriebshebel, mit denen es früher von Eisenbahnarbeitern bewegt wurde.»Eigenbau!«, erläuterte der Fahrer stolz und streckte Minke die Hand hin, damit sie vom erhöhten Bahnsteig besser auf seine Draisine kam.»Der Handantrieb ist entkuppelt, aber falls die Batterie mal leer sein sollte, kann ich wieder umschalten«, erklärte er.

»Schönes Spielzeug! Wolltest du mir das vorführen oder warum sonst bist du nicht einfach in Suckow vorbeigekommen?Übrigens habe ich deinen Namen vergessen ...«

»Nenn mich Forster, das ist mein Alias im Netz, unter dem kennen mich die meisten Leute.«

»Du bist doch aus Crivitz, oder? Wir haben uns schonöfter gesehen, meist im Naturparkzentrum«, forschte Minke nach.

»Gesehen haben wir uns, aber ich bin in Crivitz nur aufs Gymnasium gegangen.« Forster wollte offenbar nichtüber seine Herkunft reden und brachte den Elektromotor wieder auf Touren. Sein Gefährt surrte in Richtung Wald, woher es gekommen war.»Ist richtig toll zum Holzsammeln, das Ding«, grinste er.»Die Waldwege sind fast alle durch Schranken abgesperrt, aber die Schienen haben sie vergessen.«

»Und wenn dir jemand entgegenkommt?«

»Ich bin der Einzige, der noch auf diesen Schienen unterwegs ist. Eine Schande! Perfekte Infrastruktur, aber niemand nutzt sie. Ist sogar verboten! Zum Glück führt die Strecke meist durch den Wald, da sieht mich niemand.«

»Hast du nicht Angst, dass doch mal ein Zug kommen könnte?«, fragte Minke.

»Nö, ist praktisch unmöglich. Kurz vor Parchim hat jemand Dutzende Meter Schienen geklaut, ganz professionell. Wurde nicht repariert. Da steht jetzt ein Prellbock.«

»Eine schöne Strecke«, bemerkte Minke. Vorwitzige Birken und wilde Himbeeren hatten sich bis direkt an die Gleise herangewagt, dahinter ragte eine dunkle Wand aus Fichten und einigen hohen Tannen auf.»Aber jetzt erzähl mal, warum wir uns hier so konspirativ treffen!«

»Ist dein Komkom ausgeschaltet?«, erkundigte sich Forster.

Minke musste lachen:»Das ist sonst immer meine erste Frage. Schön, dass ich nicht die einzige Paranoide bin!«

»Also gut ...« Forster verringerte die Geschwindigkeit der Draisine, sie fuhren nun ein langsames Schritttempo.»Du hast von dieser Geschichte mit Sevendays und der Sklavenarbeit gehört?«

Bei Minke legte sich sofort ein Alarmschalter um. Unwillkürlich spannte sie ihre Muskeln an und beugte sich nach vorn.»Ja, hast du meine Postings gelesen?«

»Ich lese alles, was du schreibst«, bestätigte Forster.»Wollte dir nicht direkt antworten.«

»Du liest alles, was ich poste? Bist du so eine Art Net-Stalker?«

Forster grinste wieder, auf eine teils verschlagene, teils schüchterne Art.»Wegen dir bin ich Aktivist geworden«, gestand er mit abgewandtem Blick.»Was du so geschrieben hast, fand ich immer krass. Dann habe ich dich mal live erlebt und war echt platt. Du kamst auch noch von hier! In dieser Ecke gibt es sonst doch nur Bauern, Nazis und Zurückgebliebene!«

»Na, na!«, dämpfte ihn Minke.

»Doch, ist leider so. Und als die anfingen, hierüberall den Wald abzuholzen, hab ich mir gedacht: Da muss was gegen passieren! Deine Artikel dazu