: C. M. Spoerri
: Die Greifen-Saga (Band 2): Die Träne der Wüste Die Träne der Wüste (Band 2)
: Sternensand Verlag
: 9783906829159
: 1
: CHF 4.00
:
: Fantasy
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Mica scheint die Chance erhalten zu haben, einer Gilde anzugehören und dadurch vielleicht einer besseren Zukunft entgegenzublicken. Aber dann passiert etwas, das all ihre Pläne durchkreuzt und sie abermals vor die Frage stellt: Was haben die Götter bloß mit ihr vor? Und welche Rolle spielt der Schurke Néthan, der sich nichts sehnlicher wünscht, als endlich mehr über seine Vergangenheit zu erfahren? Währenddessen keimt in Micas Bruder Faím Hoffnung auf: Er darf zurück nach Chakas zur Gilden-Aufnahmezeremonie der Sommersonnenwende. Ob er dort seine Schwester wiedersehen wird?

C. M. Spoerri wurde 1983 geboren und lebt in der Schweiz. Sie studierte Psychologie und promovierte im Frühling 2013 in Klinischer Psychologie und Psychotherapie. Seit Ende 2014 hat sie sich jedoch voll und ganz dem Schreiben gewidmet. Ihre Fantasy-Jugendromane (?Alia-Saga?, ?Greifen-Saga?) wurden bereits tausendfach verkauft, zudem schreibt sie erfolgreich Liebesromane. Im Herbst 2015 gründete sie mit ihrem Mann den Sternensand Verlag.

Kapitel 1 – Mica


»Können wir?« Cassiel stand mit verschränkten Armen im Eingang des Quartiers und musterte Mica, die sich gerade damit abmühte, ihre wilden Locken mit einem Kamm zu zähmen. In seinen Augen lag ein liebevolles Lächeln, das jedoch nicht ganz den Weg zu seinem Mund finden wollte.

Mica gab es auf, ihr Haar zu bändigen und erhob sich von der Matratze, auf der sie gesessen hatte. Die Nervosität war ihr deutlich anzusehen. Ihre Hände, die vom Grabschaufeln immer noch Blasen aufwiesen, zitterten leicht und sie nestelte an ihrem Hüftgurt, wo die leere Messerscheide hing, um ihre Aufregung vor Cassiel zu verbergen. Was ihr natürlich nicht gelang, denn er stieß sich von der Wand ab und kam langsam auf sie zu.

»Du brauchst nicht nervös zu sein«, sagte er leise, als er vor ihr stand und seine Arme um sie legte. »Das Schlimmste hast du ohnehin schon überstanden: die Aufnahmeprüfung. Was heute Abend kommt, wirst du ohne Weiteres meistern. Das wird der reinste Spaziergang, du wirst sehen.«

»Du hast gut reden«, nuschelte sie in sein schwarzes Leinenhemd, das er zur Feier des Tages gegen sein ledernes Wams getauscht hatte. Er roch nach Seife und seinem ganz eigenen Duft, der gleichzeitig an feuchte Erde und frische Kräuter erinnerte.

Mica hatte nicht zusehen dürfen, als er sich gewaschen hatte. Er schämte sich für seine Brandnarben noch immer, auch wenn er ihr heute Morgen zum ersten Mal seine verbrannte Hand gezeigt und mit dieser Geste sein Vertrauen und seine Zuneigung ausgedrückt hatte.

»Seit wann bist du so kleinlaut?« Ein Schmunzeln lag in seiner Stimme und er gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

»Ich mag es nun mal nicht, im Mittelpunkt zu stehen.« Sie hob den Kopf, um in seine Augen sehen zu können, die sie zärtlich musterten. »Das mochte ich noch nie.«

»Tja, da wirst du wohl durch müssen.« Jetzt breitete sich doch noch dieses schiefe Lächeln auf seinem Mund aus, das Mica so an ihm mochte und das seine Narbe auf der Oberlippe weiß werden ließ. »Komm, je länger wir warten, desto größer wird deine Anspannung.« Er nahm ihre Hand und zog sie aus dem Quartier, das sie seit der vergangenen Nacht gemeinsam bewohnten.

Mica stapfte hinter ihm her und bemühte sich, ihre Angst unter Kontrolle zu bringen. Sie hätte tausendmal lieber einem Dämon gegenübergestanden, als sich dem Aufnahmeritual der Diebesgilde zu stellen. Auch wenn ein winziger Teil von ihr vor Freude wilde Saltos schlagen wollte, da sie in wenigen Minuten endlich zu einer Gilde gehören würde. Zu den Ratten von Chakas.

Ihre Gedanken wanderten zu Samja, von der sie seit gestern nichts mehr gehört hatten. Aren hatte am Morgen gesagt, er würde sich um sie kümmern. Er war außer sich gewesen, als er erfahren hatte, dass Samja Mica in die ›unmögliche Prüfung‹ geschickt hatte, auch wenn er es sich nicht anmerken ließ und nach außen hin gelassen gewirkt hatte. Aber seine Augen waren kälter als Stahl gewesen und seine Miene finster wie die Nacht, während Mica und Cassiel ihm alles erzählt hatten.

Mica schauderte bei dem Gedanken daran, was es bedeuten mochte, dass der Meisterdieb sich um jemanden ›kümmerte‹. Fast tat ihr Samja ein bisschen leid. Aber nu