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Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass man in den Dreißigern keine schönere Nachricht von seinem Partner bekommen kann als eine, die unerwartet mitten in der Woche eintrifft und lautet:
Keinen Bock aufs Kochen heute Abend. Wollen wir ausgehen?
Der überraschende Vorschlag, essen zu gehen, fühlt sich so aufregend an wie Weihnachten früher als Kind. Oder wie damals, als im Winter die Heizung in der Schule ausfiel und wir nach Hause geschickt wurden. Ein geplantes Abendessen oder eine angekündigte Lehrerfortbildung sind nicht annähernd so schön.
Jedenfalls antworte ich mit einem nachdrücklichen Ja und lächle zufrieden vor mich hin. In diesem Augenblick stürmt der schmierige Freelancer Pete Gretton in den Presseraum und streicht seinen widerborstigen karottenroten Haarschopf glatt. Er zieht einen Geruch nach Zigaretten hinter sich her.
Wie immer hat er das Handy am Ohr. »… Dann lassen Sie mich IhnenEINES sagen: Sie servieren mir hier ein Zehn-Gänge-Menü, das nach Kacke schmeckt – jedes einzelne Gericht besteht aus Scheiße.« Pause. »… Und zur Weinverkostung gibt esPISSE.«
Owen und ich grinsen uns breit an. Grettons Angewohnheit, ein rhetorisches Feuerwerk in den Hörer zu ballern, während er ins Zimmer kommt, ist für meinen Kollegen von denManchester Evening News und mich zu einem Quell der Belustigung geworden. Owen ist davon überzeugt, dass am anderen Ende der Leitung gar niemand ist. »Ich warte auf den Tag, an dem das Telefon klingelt, während er spricht.«
Owen O’Reilly kam vor sechs Monaten aus Belfast zu uns in die Redaktion und erklärte sich einverstanden, bei der Berichterstattung aus dem Gericht die nicht gerade begehrte Rolle als Handlanger an meiner Seite zu übernehmen.
Ehrlich gesagt war ich nicht besonders scharf auf seine Unterstützung. Seit dem dramatischen Abgang der heimtückischen Schlange Zoe, die mich verraten und eine Story von mir geklaut hat, mit persönlichen Folgen für mich, hat es eine Reihe von Nachwuchsreportern gegeben, die ich auf Abstand gehalten habe. Und Owen ist kein Neuling im Geschäft.
»Warum will er hier mit mir eingesperrt sein?«, fragte ich die Redaktion.
»Vielleicht hat er ein Foto von dir gesehen«, antwortete Gretton hinter mir und lachte anzüglich. Bäh, dieser Saftarsch. Einer der Vorteile der Internetära ist, dass man jetzt nicht mehr mit anhören muss, wie er in aufgeregt-laszivem Ton den Kopisten eine reißerische Story diktiert.
Die Antwort auf meine Frage erhielt ich am ersten Tag, als der liebenswert strubbelköpfige Owen mir in seinem sanften nordirischen Akzent erklärte: »Ehrlich gesagt bin ich zwar durch und durch Zeitungsmensch, aber zu alt« – der Mistkerl ist achtundzwanzig – »um an Haustüren zu klopfen. Ein Platz hier in den Seitenrängen für eine ordentliche Story reicht mir völlig.«
Und er macht seinen Job verdammt noch mal großartig. Er ist der perfekte Kollege: kompetent, witzig, prinzipientreu und nicht übertrieben ehrgeizig, außer wenn es darum geht, pünktlich um sechs im Pub aufzuschlagen. Oh, und am nächsten Morgen sorgt er zuverlässig für das Koffein.
Gretton, der zu den Leuten gehört, die von politischer Korrektheit noch nichts mitbekommen haben undPC für die Abkürzung vonPolice Constable halten, macht in Owens Gegenwart aufIRA-Brigadeführer Gerry Adams und nuschelt in einen imaginären Telefonhörer: »Sie ham dreißig Minuten, um das Gebäude zu verlassen.«
»Haha, sehr witzig, Pete. Ich bin Ire, also lege ich Bomben«, sagt Owen. »Stör dich nicht daran, dass dein Humor unsensibel ist, krasse Klischees bedient und seit zwanzig Jahren überholt ist.«
Woraufhin Pete tut, als klemme er sich eine Handtasche unter den Arm, und in Anspielung auf die SitcomFather Ted ruft: »Möchten Sie jetzt eine Tasse Tee?«
»Diese Esther Cowley von Salter& Rowson ist ein harter Brocken«, sagt Owen im Plauderton und hält mir eine Tüte Hula Hoops hin, die ich ablehne. Im Presseraum trifft man sich zum Tratschen, Jammern und Lästern. Und für einen Snack.
»Oh. Du weißt, dass das die Kanzlei von meinem Freund ist?«, erwidere ich gedankenverloren.
»Ja. Und die reizende Esther ist ein Fan von ihm«, sagt Owen und gräbt in der Chipstüte. »Ich habe ihn ihr gegenüber mal erwähnt – das war in glücklicheren Zeiten, als sie noch nicht darauf aus war, meinen Skalp vor dem Gerichtsgebäude auszustellen.«
»Ein Fan?«, frage ich nach, weil mich überrascht, dass ein Nebenprodukt von Bens Arbeit eine Fangemeinde ist. Natürlich ist er großartig, aber ich habe ihn bislang nicht für einen Rockstar unter den gewissenhaften ortsansässigen Rechtsanwälten gehalten.
»Doch, ich glaube, sie hat gemeint, Ben Morgan sei der Shootingstar und recht hübsch anzusehen, und dann errötete sie wie eine sittsame Jungfrau. Sie hat zugegeben, dass sie für ihn schwärmt. Als ich sagte: ›Du weißt schon, dass er eine