: Clemens Berger
: Im Jahr des Panda Roman
: Luchterhand Literaturverlag
: 9783641202545
: 1
: CHF 17.10
:
: Erzählende Literatur
: German
: 672
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der neue Roman des hochgelobten österreichischen Autors
Macht Geld glücklich? Kann uns Geld zumindest freier machen? Gibt es ein richtiges Leben im falschen? Und was passiert, wenn wir uns plötzlich aus der gewohnten Umlaufbahn unseres Lebens herauskatapultieren? Dies sind die Fragen, die Clemens Berger in seinem neuen großen Roman umkreist.

Der international gefeierte Künstler Kasimir Ab, dessen Werke bei Ausstellungen regelmäßig astronomische Preise erzielen, stößt an die Grenzen seines sorgenfrei abgefederten Lebens und entdeckt seine subversive Ader. Er tauscht das Atelier mit der Straße und tritt ungewollt eine gesellschaftliche Kettenreaktion los. Pia und Julian, die bei einer Sicherheitsfirma angestellt sind und Nacht für Nacht Geldautomaten befüllen, fragen sich, wie groß die Summe für einen gemeinsamen Neuanfang in einem anderen Teil der Welt wohl sein müsste. In einem wagemutigen Schritt machen sie ernst und reißen die Brücken zu ihrem bisherigen Leben ein. Und Rita, Tierpflegerin im Schönbrunner Tierpark, wird aus ihrem einsamen, zurückgezogenen Leben durch die Geburt eines kleinen Pandabären herausgerissen und durchlebt unerwartet einen zweiten Frühling.

In meisterlicher Manier fühlt Clemens Berger der Zeit ihren Puls und entwirft einen lustvoll erzählten Reigen um Geldscheine, Schwerelosigkeit und Kuckucke, um Kunst, Auflehnung und Subversion, der den Leser von Wien nach Neapel und Saigon, Bordeaux und Chengdu führt. Nichts ist, was es scheint: nicht einmal ein kleiner Panda.

Clemens Berger, geboren 1979 im Südburgenland, studierte Philosophie in Wien, wo er als freier Schriftsteller lebt. Berger hat zahlreiche Romane und Erzählbände veröffentlicht, zuletzt erschien die Novelle 'Ein Versprechen von Gegenwart' im Luchterhand Literaturverlag.

3  Es war seltsam, mit Klopapier durch die Stadt zu gehen. Pia vermied es, Entgegenkommenden in die Augen zu blicken. Sie hatte eine Tragetasche in ihrer Linken und zehn in Cellophan verpackte Klopapierrollen in ihrer Rechten. Ganz schön was vor, mochte man denken. Dachte sie zumindest bei jungen Männern, die schwere Bierkisten aus Supermärkten schleppten.

Pia fragte sich, wie viele Hundert Meter, wenn nicht Kilometer ausgerollten Papiers das seien, bis sie laut lachen musste und sich vornahm, es stolz durch die Stadt zu tragen. Gleichzeitig fiel ihr ein, wie selten sie Menschen mit Klopapier auf der Straße oder in öffentlichen Verkehrsmitteln sah. Die Menschen versteckten das Klopapier. Sie taten, als kauften sie keines. Wahrscheinlich zogen deshalb so viele Einkaufswägelchen hinter sich her.

Als sie wieder aufsah, bemerkte sie, dass niemand sie ansah. Allerdings sahen viele aus, als verdammten sie die öffentliche Sichtbarkeit von Klopapier, als wäre es unstatthaft, die Menschen an das Große Geschäft zu erinnern. Es gab Menschen, die mit dem Verkauf von Klopapier reich wurden. Darüber sollte man eine Dokumentation drehen! Pia liebte Dokumentarfilme, wann immer sie Zeit hatte, ließ sie sich in die Geschichte, in ferne Länder, ins Weltall oder zu exotischen Tieren entführen. Seit gestern wusste sie mehr über Google, vorgestern hatte sie sich die größten Containerschiffe der Welt erklären lassen, vorvorgestern Bekanntschaft mit der ersten Pharaonin geschlossen, Hatschepsut hatte sich bisweilen als Mann ausgegeben. Seit wann gab es Klopapier? Wo war es zuerst aufgetaucht? Wer war der König der Lagen? Sie würde später nachschauen – und Julian gelangweilt abwinken.

Vor einer Buchhandlung lagen verbilligte Bücher auf einem Tisch, Pia trat näher.1000 Orte, die Sie sehen müssen, bevor Sie sterben. Das Buch war vergünstigt, Pia schlug es auf. Schöne Landschaften, aufregende Städte, atemberaubende Ausblicke. Jede Landschaft, jede Stadtansicht, jede Schlucht und jeder Strand eine Werbung. Neben ihr schmökerte ein älterer Mann in einem Taschenbuch, wobei unschwer zu erkennen war, dass er nur so tat. Er schielte ständig nach ihr.

»Stört Sie das?«

Pia schwenkte die Klopapierrollen in ihrer Rechten.

»Unangenehm? Unanständig?«

Der Mann schüttelte den Kopf, legte das Taschenbuch zurück und ging brummelnd weiter, als hätte er sich vor einer Verrückten in Sicherheit zu bringen. Die Verrückte war keineswegs verrückt. Sie hatte eine stinknormale Frage gestellt. Pia blickte dem Mann hinterher, der immer noch seinen Kopf schüttelte.

Wahrscheinlich bevorzugten der Mann und seine Frau Klopapier mit Kamillengeruch. Schön weich und sanft. Die Welt war weder weich noch sanft, Verrückte lauerten überall. Außerdem konnten Weich und Sanft unerwartete Überraschungen bereithalten. Unlängst hatte sie in einer U-Bahn-Zeitung von der großen Verwunderung des Mannes XY gelesen, der Klopapierrollen aus dem Cellophan geholt habe und plötzlich aus einer Rolle von zwei kleinen Augen angeblickt worden sei. Zum Glück hatte der Mann alles mit seinem Mobiltelefon fotografiert und somit Pia den verängstigten Siebenschläfer sehen lassen, der in einer Kartonröhre gesteckt war.

Pia würde das Buch nicht kaufen. Es war eine Gemeinheit. Als wäre man kein vollwertiger Mensch, wenn man diese Orte vor seinem Tod nicht gesehen hatte. Man musste reich sein, um die Orte zu sehen, die man vor seinem Tod gesehen haben musste. Selbst wenn es nur hundert Orte gewesen wären. Der Titel brachte sie auf die Palme, sie sah sich mit einer Kokosnuss zwischen den Zweigen sitzen und auf Dummköpfe werfen, die dergleichen schrieben. Sie würde das Buch aus dem Verkehr ziehen. Pia blic