: Shahla Ujayli
: Unser Haus dem Himmel so nah
: Kupido Literaturverlag
: 9783966750257
: 1
: CHF 11.40
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 350
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Elegant verschachtelt und der orientalischen Tradition des Erzählens verbunden steigt Ujaylis Romanheldin Djuman Badran immer tiefer hinab in die Vergangenheit ihrer Familie und führt uns durch die Geschichte Syriens der letzten 120 Jahre. 'Als wir noch klein waren, hieß es immer, in fernen Ländern gebe es Krieg, Tod, Misshandlungen, Vertreibung, Krankheit, Zerstörung, Armut und Erniedrigung. Ich habe immer fest geglaubt, dass diese fernen Länder auch fernbleiben würden. Niemals wäre mir eingefallen, dass mein eigenes Land betroffen sein könnte!' Das Ms. Magazin wählte Shahla Ujayli unter die wichtigsten feministischen Autorinnen der Gegenwart: 'Die Vielfalt und Komplexität Syriens und seiner Bevölkerung mit den Augen dreier Generationen von Frauen.' 'Ujayli erzählt von starken Frauen aus einer verlorenen Welt und vom Kampf gegen das Vergessen. Jede einzelne Geschichte trägt neben Trauer und Ohnmacht immer auch einen Hoffnungsschimmer in sich.' - Ruth Eising

Shahla Ujayli wurde 1976 in Raqqa geboren und wuchs in Aleppo auf. Sie lebt in der jordanischen Hauptstadt Amman, wo sie als Literaturprofessorin arbeitet. Mit dem Roman 'The Cat's Eye' begann sie 2006 ihre schriftstellerische Laufbahn und wurde mit dem Jordanischen Staatspreis ausgezeichnet. Mit 'Persian Carpet' kam sie 2013 auf die Shortlist des Global Award for the Arab Novel. 'Unser Haus dem Himmel so nah' ist Shahla Ujaylis dritter Roman. Er stand auf der Shortlist für den International Prize for Arabic Fiction.

Abendgesellschaften


Am 28. April 1947, einem Montag, erlebte Aleppo einen strahlenden Frühlingstag. Die Sonne spendete trotz der dichten weißen Wolkendecke schon so viel Wärme, dass viele ihre Angelegenheiten für diesen Nachmittag ruhen ließen und in den Grünflächen am Fluss spazieren gingen, dort, wo Jahre später nach dem Vorbild der Gärten von Versailles der berühmteste öffentliche Park des Orients entstehen sollte.

Am Nordufer, im Herzen der Stadt, lag das Viertel Azizieh, und dort, wo man zum Bahnhof abbog, stach die elegante Villa aus roséfarbenem Aleppo-Stein des Rechtsanwalts Bahdjat al-Haffar hervor, von deren Balkon aus man den Park überblicken konnte.

Noch zwei Stunden blieb der Aprilhimmel den Spaziergängern gewogen, dann blitzte und donnerte er los. Gerade als es aus den Wolken zu schütten begann, klingelte Bahdjat Beys Telefon. Seine Frau Madiha Hanim betrat mit zwei Tassen Kaffee und einem Glas Wasser auf einem Tablett sowie einer kleinen Vase, in der zwei schneeweiße Jasminblüten standen, das Zimmer. Ihr Mann legte auf. Alle Zuversicht war aus seinem Gesicht gewichen. Er wartete, bis sie Platz genommen und den Kaffee abgestellt hatte. Zuerst nahm er einen Schluck, dann sie: »Mach dich und die Kinder bereit, wir fahren nach Damaskus!«, sagte er nüchtern.

Madiha Hanim geriet in Aufregung, bewahrte jedoch die Fassung. Sie hatte schon mehrere Tage mit einer solchen Nachricht gerechnet. Seit ihr Mann seine politische Laufbahn angetreten hatte, war sie auf Notfälle gefasst.

Das Jahr 1946 war für das Leben der Syrer ziemlich chaotisch gewesen, und es sollte auch in den folgenden Jahren so bleiben. Mehrere Mitglieder des Nationalen Blocks hatten sich abgespalten und die Volkspartei gegründet, während die Verbliebenen den Namen »Nationaler Block« für ihre Partei behielten. Die Volkspartei wurde von einem Zusammenschluss wohlhabender Bürger unterstützt, an vorderster Front Nazim al-Qudsi und Ruschdi al-Kichya, die aus persönlichem Interesse für eine Wirtschaftsunion mit dem Irak plädierten. Obwohl Aleppo, die Geburtsstadt von Bahdjat Bey, eine Hochburg seiner Partei war, hatte er sich der Union deutlich entgegengestellt und in Kauf genommen, dass sich die Parteibasis, wie auch ihre Führer von ihm abwendeten. Vielleicht gingen die Reaktionen sogar über eine Ächtung und den Beziehungsabbruch hinaus, jedenfalls hatte er beschlossen, Aleppo deshalb zu verlassen und mit seiner Familie in Damaskus zu leben, bis sich die Parteienlandschaft in Syrien wieder stabilisiert hatte.

Kaum hatte sich Bahdjat Bey in Damaskus eingerichtet, gingen seine alten Freunde aus Aleppo, hohe Regierungsbeamte, Politiker und Professoren der Syrischen Universität, in seinem Haus ein und aus. Sie suchten dort den lebendigen Geist ihrer Stadt und fanden ihn in Unterhaltungen und Diskussionen, die sich in erster Linie um Politik und die Kochkunst drehten. Denn, was Geschmack, Können und Vielfalt betraf, waren sich die Aleppiner ausnahmsweise über die weltweite Einmaligkeit ihrer Küche einig.

Vorrausschauend hatte Bahdjat Bey ein geräumiges, freistehendes Haus gekauft. Es lag an der neuen Verbindungsstraße zwischen den alten Damaszener Vierteln Muhadjirin und Salihiye und führte mitten durch das Viertel Abu Rummana, am Mausoleum des unbekannten wohltätigen Heiligen vorbei. Dort hatte der Legende nach vor langer Zeit ein Granatapfelbaum, auf Arabisch »Rummana«, Schatten gespendet und dem Viertel seinen Namen gegeben. Später, als die französischen Streitkräfte abzogen, nannte man das Viertel zwar in Scharia l-Djalaa um, also: »Straße des Abzugs«, doch, wie so oft, hielten die meisten an dem gewohnten Namen fest.

Bahdjat B