1. KAPITEL
Valerio Marchesi erwachte vom Hämmern seines eigenen Herzschlags. Um ihn herum herrschte fast vollkommene Dunkelheit, auf der Haut spürte er kalten Schweiß. Es passierte ihm nicht zum ersten Mal, dass er in einem solch panischen Zustand aufwachte. Seit ein paar Monaten war das eher die Regel als die Ausnahme. Sein Arzt hatte es posttraumatischen Stress genannt und ihm, wie so viele andere, sein Bedauern ausgesprochen. Aber Valerio wollte das verdammte Mitleid gar nicht!
Zähneknirschend kämpfte er sich durch den Nebel, der durch sein Hirn waberte und ihn an die Flasche Whisky erinnerte, die er am Abend zuvor geleert hatte. Dabei hatte er doch seit Monaten keinen Tropfen mehr angerührt! Während er nach und nach zu klarem Bewusstsein kam, erkannte er zwei Dinge.
Zum einen verriet ihm ein vernehmliches Räuspern, dass er nicht allein im Raum war. Zum anderen konnte er sich kaum bewegen, denn er war an sein eigenes Bett gefesselt.
Schlagartig verdampfte der Restalkohol aus seinem Kopf. Trotz der Dunkelheit erahnte er die Umrisse seiner Umgebung. Er befand sich in der Kapitänskabine seiner Luxusjacht. Seine Handgelenke waren hinter seinem Kopf an den Bettrahmen gefesselt. Prüfend zerrte er an den Fesseln aus weichem Material. Eine kurz aufflackernde Panik machte gleich darauf heißer Wut Platz.
„Gut, du bist endlich wach“, erklang eine weibliche Stimme aus dem Schatten. „Ich habe gerade überlegt, ob ich dir einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf schütten soll.“
Valerio hielt den Atem an. Die Stimme der Frau kam ihm irgendwie bekannt vor, aber er konnte sie nicht richtig einordnen. Englisch, Oberklasse, gefährlich ruhig. Die Frau schien keine gewöhnliche Kriminelle zu sein, aber man konnte nie wissen.
„Was zum Teufel geht hier vor?“, fragte er grimmig. „Zeig dein Gesicht!“
Absätze klapperten auf dem Boden, und im schwachen Schein, der durch die Vorhänge drang, erschien eine Silhouette. Sie war groß für eine Frau und mit aufregenden Kurven gesegnet. Zu seiner Überraschung reagierte sein Körper sofort auf den Anblick. Mit seinen dreiunddreißig Jahren hatte er geglaubt, alles schon einmal gesehen zu haben, aber offenbar war er bereits so lange nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen, dass jede beliebige sein Verlangen wecken konnte. Sogar eine, die ihn womöglich als Geisel hielt.
Noch einmal zerrte er an seinen Fesseln und stöhnte leise auf, als er spürte, wie wund seine Handgelenke bereits waren. Das Laken, das seinen nackten Körper nur noch halb bedeckte, war bei seinen vergeblichen Befreiungsversuchen noch weiter nach unten gerutscht.
„Du verletzt dich nur selbst, wenn du nicht damit aufhörst.“
„Dann schneide mich endlich los!“, knurrte er und versuchte dabei vergeblich, sich seine Panik nicht anmerken zu lassen. „Ich habe kein Geld auf der Jacht versteckt, falls du darauf aus bist.“
Ihr leises Lachen erklang diesmal bereits näher. „Ich bin nicht hier, um dich zu berauben, Marchesi. Nach den Erfahrungen der letzten Nacht dienen die Fesseln nur meiner eigenen Sicherheit.“
Ihrer Sicherheit …? Seine Gedanken rasten. Kein Zweifel, er kannte diese Stimme!
Zarte Hände glitten über seine Haut, als die Frau behutsam das Laken über seinem Körper zurechtzog. Die Berührung ließ ihn erschauern. Auch der Duft dieser Frau kam ihm bekannt vor. Begierig sog er ihn ein.
Ohne Vorwarnung wurde die Lampe neben seinem Bett angeknipst. Das plötzliche Licht ließ ihn zusammenzucken. Mühsam fokussierte er seinen Blick: lange dunkle Locken, makellose, sanft gebräunte Haut … Die Erkenntnis traf ihn wie ein Blitz. Alle Angst wurde plötzlich von blindem Zorn ersetzt. „Dani!“
„Nur meine Freunde dürfen mic