: Laura Labas
: Lady of the Wicked Die Seele des Biests
: Piper Verlag
: 9783492999427
: Lady of the Wicked
: 1
: CHF 8.80
:
: Fantasy
: German
: 432
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Darcia Bonnet musste dreizehn Hexen töten, auf einem Scheiterhaufen verbrennen und im See der Sterne ertrinken - und wurde so zur Herrin der Wicked, der bösartigsten Hexenseelen. Doch sie ist nicht die Einzige, die Anspruch auf die Macht der Wicked erhebt. In den Schatten der magischen Stadt Babylon erhebt sich der Dunkle, ein Hexer, der sich die Seelen der Wicked in einem Ritual unterwerfen will. Während Valens noch immer gegen den Fluch in seinem Inneren und um seine Freiheit kämpft, muss Darcia sich dem Dunklen stellen, dessen unheilvolle Macht sich bereits in der Stadt ausgebreitet hat ...

Laura Labas wurde 1991 in der Kaiserstadt Aachen geboren. Schon früh verlor sie sich im geschriebenen Wort und entwickelte eigene fantastische Geschichten, die sie mit ihren Freunden teilte. Mit vierzehn Jahren beendete sie ihren ersten Roman. Spätestens da wusste sie genau, was sie für den Rest ihres Lebens machen wollte: neue Welten kreieren. Heute schreibt sie nach ihrem Master of Arts in Englisch und in Deutscher Literaturwissenschaft immer noch mit der größten Begeisterung und Liebe und vertieft sich in Fantasy, Drama und Romance. Mehrere ihrer Romane standen auf der Shortlist zum Lovelybooks Leserpreis.

I


DARCIA


Das Biest zerfleischte meine Seele.

Ich wehrte mich.

Tiefste Schwärze zog wie ein Sturm auf, drückte mich nieder und zog gleichermaßen an meinen Gliedmaßen. Schmerzen, wie ich sie nie gekannt hatte, erfüllten mein Sein. Ich drehte mich um die eigene Achse, wollte mich befreien. Schwerelos und gleichzeitig unfassbar schwer.

Ein Zischen ertönte, wiederholte sich zu einem endlosen Echo.

Jäh riss ich die Augen auf. Nach und nach wurde die Dunkelheit vertrieben, ersetzt durch schwarze Punkte, die sich durch die babylonische Landschaft zogen. Weite Felder außerhalb der Stadtmauern, ein Sonnenaufgang in blassen Farben. Die aufragende Stadt und der riesige Turm zu Babel. Der Königspalast.

Das Zischen wurde lauter, während ich über die Stadt schwebte.

Ich blickte über meine Schulter. Eine riesige Himmelsschlange in glitzernden Regenbogenfarben verfolgte mich. Sie riss ihr Maul weit auf, spitze Zähne blitzten in den ersten Sonnenstrahlen des Tages.

Mein Herz setzte aus.

Panisch kämpfte ich mich nach vorne. Nach unten. In die Arme meiner Familie. Mein Zuhause. Wo war es?

Ich erkannte seine Silhouette, doch es war nicht Babylon, das ich betrat, sondern New Orleans. Ich stand vor meinem Haus in der Dauphine Street und blickte in meinen Vorgarten. Wüst und überwuchert. Verschiedene Stühle unter dem Dach aus Weintraubenranken und wartende Patienten mit Flüchen aller Art. Einer von ihnen erhob sich aus der Masse, die augenblicklich in den Hintergrund rückte.

Val.

Valens Hill.

Nein. Valens Mariquise. Der Bruder der Königin, die ich mir geschworen hatte zu vernichten. Aus Rache für den Tod meiner Schwester und den unzähliger anderer. Aus Vergeltung für meine Verbannung aus Babylon, meiner Heimat, weil ich mich getraut hatte, die Wahrheit zu sagen und sie öffentlich zu beschuldigen.

Ich näherte mich ihm langsam. Er öffnete seine Arme für mich, der Schirm der Baseballcap warf einen Schatten auf sein braunes Gesicht, und mir wurde der Blick in seine blauen Augen verwehrt.

Mein Herz klopfte schneller. Ich streckte ihm meine Arme entgegen, als er mich an den Schultern packte und herumwirbelte.

Er hielt mich fest – der weißen Schlange entgegen. Sie stürzte auf mich nieder. Ein riesiges Monster.

Vals Atem kitzelte an meiner Wange. Er beugte sich herunter.

»Du hast mich zuerst verraten«, hauchte er an mein Ohr und schubste mich auf das geöffnete Maul der Schlange zu.

Schreiend hielt ich die Hände vors Gesicht. Die Magie vergessend. Meine Runen nicht nutzend. Das Zischen wurde lauter.

Ich erwartete den Tod.

Stattdessen erwachte ich aus diesem furchtbaren Albtraum.

Wie in Zeitlupe drehte ich mich auf den Rücken, spuckte Wasser vermischt mit Sand. Meine Muskeln schmerzten, schrien nach Entspannung.

Der Vollmond glitzerte hell am Firmament und tauchte den See der Sterne in weißes Licht. Ich hatte mich unbewusst an Land gekämpft, atemlos und als … neue Herrin der Wicked.

Meine Tattoos leuchteten weiterhin golden. Die Runen an meinen Händen, Armen und fast an meinem gesamten Körper, eine Erinnerung an alte Zeiten. Meine Vergangenheit, in der ich bloß eine Hexia gewesen war. Kaum dazu in der Lage, einen ordentlichen Zauber zu wirken, ohne meine Runen als Stütze zu verwenden.

Vorsichtig setzte ich mich auf. Die Kleider klebten nass und sandig an meiner Haut. Das schwarze Haar hing mir strähnig ins Gesicht. Ein paar Perlen hatte ich verloren, doch einige Fäden blieben hineingeflochten.

Ich machte Anstalten, mich hinzustellen, als dort, wo nur wenige Sekunden zuvor meine Hand im Sand gelegen hatte, ein greller Blitz einschlug.

Aufschreiend rollte ich mich zur Seite. Ich sah mich suchend um. Im Schein des Vollmonds eilte ein halbes Dutzend Hexenkommissare über den Hügel auf mich zu und ich hörte das Gebrüll eines Berserkers. Dieser kam aus der entgegengesetzten Richtung. Nur wenige Schritte hinter ihm ein Hexeninspektor, den ich an seiner weißblauen Uniform erkannte. Ich wusste aus meiner Erinnerung, dass an der linken Brust eine silberne Sichel steckte. Auch wenn ich sie aus der Entfernung nicht ausmachen konnte.

Der Hexeninspektor war es, der das beängstigende Schattengeschöpf kontrollierte.

Der Berserker rannte mit seinen hundertfünfzig Kilogramm Masse über den Sand auf mich zu. Sein Brüllen erschütterte die friedvolle Stille dieses magischen Ortes. Die grünliche Haut schimmerte und wies dunkle Flecken auf, als hätte jemand versucht, ihn mit Flüchen zu verwunden, und lediglich Blutergüsse hinterlassen. Ähnlich wie Trolle waren sie, wenn sie sich im Rausch befanden, immun gegen jegliche Zauber.

Seine Fäuste massig und riesengroß, in einer von ihnen schwang er eine mit Nägeln behaftete Keule in meine Richtung. Ich duckte mich unter dem Schlag hindurch.

Angstvoll.

Was war geschehen? Warum wurde Jagd auf mich gemacht?

Ich wirbelte herum und hob die Arme. Instinktiv rief ich nach meiner Runenmagie, die ich als Hexia gegen meine Angreifer einsetzen konnte. Doch sie gehorchte mir nicht.

Natürlich! Ich war die Herrin der Wicked. Deshalb sollte ich mich auch ihrer Macht bedienen.

Die Hexenkommissare, die sich mit ihrer dunkelblauen Uniform kaum von den Schatten abhoben, hatten mich fast erreicht. Die eine Hälfte umstellte mich, um vermutlich einen Bannkreis zu ziehen. Die andere kreierte Speere aus mehreren geballten Blitzen, mit denen sie mich bewarf. Gleichzeitig versuchte ich, den Schlägen des Berserkers auszuweichen. Der Hexeninspektor trug ein süffisantes Lächeln zur Schau. Als würde er wissen, dass meine Gefangennahme oder mein Tod nur noch eine Frage der Zeit wäre.

Der Berserker stieß ein weiteres Grollen aus und eine Salve grünen Speichels flog auf mich zu. Ich unterdrückte ein Schaudern.

»Wicked?«, zischte ich, als ich in mir selbst weder das Leuchten noch das Echo ihrer Macht vorfand. Nur eine unüberwindbare Barriere.

Angst verknotete meinen Magen.

Ich saß in der Falle.

Vom Berserker zum See gedrängt, flog ein Blitz auf mich zu, verbrannte meinen Unterarm, ehe ich mich zurückfallen lassen konnte.

Ich kam hart auf dem Boden auf, teilweise im Wasser, das um mich herum aufspritzte. Meine Haut wurde von spitzen Steinen aufgerissen. Schmerz lenkte mich ab.

»Vorsicht! Wir wollen sie nicht töten«, mahnte der Inspektor. »Noch nicht«, fügte er mit einem selbstzufriedenen Grinsen hinzu, als er meinen Blick auffing.

Der Berserker holte erneut mit seiner Keule aus. Dieses Mal traf er mich an der Schulter und ich rollte über den Sand direkt zu Füßen eines Kommissars. Er hielt die Spitze seines blitzenden Schwertes an meine Kehle. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Das Knistern war unendlich laut. Erfüllte all mein Sein.

Ich roch verbranntes Fleisch. Meine Atmung ging stoßweise und meine Brust hob und senkte sich schwer. Heißes Blut rann meinen Hals hinab.

Jemand anderes zog mich an der verwundeten Schulter hoch. Ein Sack wurde über meinen Kopf gestülpt, gleichzeitig riss man meine Arme zurück und fesselte meine Hände. Zwei Finger berührten meine Haut. Ein magischer Impuls und ich verlor mein Bewusstsein.

Sank erneut in diese tiefe, willkommene und gleichzeitig unwillkommene Dunkelheit.

Doch dieses Mal erwartete mich nicht Val in meinem Traum, sondern ein hohes, breites Tor, das von der anderen Seite angeleuchtet wurde. Gusseiserne schwarze Stangen und goldene Spitzen. Gedämpfte Farben und graue Pinselstriche auf einem Gemälde einer anderen Welt.

Ein Flüstern erhob sich, ohne dass ich einzelne Wörter herausfiltern konnte. Hohn. Spott.

Ich streckte eine Hand nach dem Friedhofstor aus. Ich wusste, wer dahinter auf mich wartete. ...