Kapitel 1 - Einundzwanzig, zweiundzwanzig
Angel
Das Erwachen aus einem Albtraum war jedes Mal das Schlimmste. Nicht nur wegen der Bilder, die in mir nachhallten – es zeigte mir gleichzeitig auf, wie verloren ich war. Wie hilflos. Den verfickten Erinnerungen ausgeliefert, die ich nicht mehr verändern konnte.
Und dennoch waren die Gefühle genau gleich wie an jenem Tag, der sich in mein Leben gebohrt hatte wie ein Granatsplitter in schutzloses Fleisch.
Ich schaltete das Licht an und brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass ich mich nicht zu Hause in meinem New Yorker Apartment, sondern auf einem Kreuzfahrtschiff im Mittelmeer befand. Der Jetlag machte mir zu schaffen, aber das war nicht der Grund, warum ich kaum geschlafen hatte.
Schwer atmend lag ich auf dem Bett in meiner Kabine und verfluchte wieder einmal Gott und die Welt.
Nun ja, vor allem die Welt, denn einen Gott gab es definitiv nicht, das hatte ich im Krieg oft genug erlebt. Gäbe es einen Gott, wäre ich jetzt tot und hätte nicht so viel Leid über Menschen gebracht, die ich noch nicht einmal kannte.
›Todesengel‹ hatten sie mich in meiner Einheit genannt … ja, das war ich auch. Ich hatte so oft getötet. Unzählige Male. Männer, Frauen, Kinder … Ihre Blicke, ehe ich ihnen mit ihrem Leben das Letzte nahm, was sie noch besaßen, verfolgten mich fast genauso in meinen Albträumen wie jener verhängnisvolle Tag vor einem dreiviertel Jahr, der meinem Leben als Navy SEAL ein abruptes Ende setzte.
Aber im Krieg hieß es: entweder sie oder du … da machte es keinen Unterschied, wer mit einer Waffe in der Hand auf einen zulief. Es gab nur Schwarz und Weiß – Verbündete und Gegner. Freunde, denen man Deckung gab, Feinde, die niedergeschossen werden mussten. Selbst wenn der Feind vor einigen Stunden noch mit einem Teddy im Arm geschlafen hatte.
Genau diese gottlose Welt hasste und verfluchte ich.
Ein Teil von mir war viel zu lange ein Stück davon gewesen und daran elendiglich krepiert. Verreckt wie ein Regenwurm in der Sonne. Der andere Teil hatte den Krieg mit nach Hause gebracht. Mit einem Regiment an Dämonen, die mich nicht mehr losließen.
Ich bemühte mich täglich, zu vergessen, zu verarbeiten und irgendwie zu begreifen, wie tief ein Mensch sinken konnte. Was man alles tat, nur weil es irgendwo auf einem Papier stand und jemand den Befehl gab, die Worte zu befolgen.
»¡Mierda!«, fluchte ich in meiner Muttersprache Spanisch, ballte die Hand zur Faust und schlug damit auf die Bettdecke, die ein hässliches Blumenmuster aufwies. »Scheiße!«
Doch die Stimmen verbannte ich damit nicht aus meinem Kopf. Den Nachhall des Albtraums.
›Angel! Renn!‹
»¡Vete!«, zischte ich den Dämon zwischen zusammengepressten Zähnen an, der mich gerade mit den Worten meines toten Kameraden heimsuchte. »Verschwinde, lass mich in Ruhe.«
Ich kniff die Augen so fest zusammen, dass es fast schon wehtat. Aber der Dämon war lauter als ich.
›Bring dich in Sicherheit, verdammt!‹
»No«, flüsterte ich in die Stille meiner Schiffskabine.
Damals hatte ich das Wort geschrien. Jetzt … ich hatte kaum noch Kraft, es zu hauchen.
Der Film lief weiter vor meinem inneren Auge ab. Ich sah meinen besten Freund, wie er au