: Christian Schwarz
: Professor Zamorra 1020 Croatoan
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783838749105
: Professor Zamorra
: 1
: CHF 1.60
:
: Horror
: German
: 64
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Madame Claire schob ihr Fahrrad auf die Zugbrücke von Château Montagne zu. Hundert Meter noch, dann hatte sie es geschafft. Ein ungewohntes Geräusch drang durch das Keuchen an ihr Ohr und veranlasste sie, nach oben zu schauen. Erstaunt blieb die Köchin stehen. Auf dem Nordturm, zwischen zwei Zinnen, stand jemand. Ein Mann wohl. Er schaute, leicht nach vorne gebeugt, herunter und sprach anscheinend mit jemandem, der sich hinter ihm befand. Plötzlich sprang er! Madame Claire schrie entsetzt, als der Mann mit rudernden Armen und Beinen in die Tiefe stürzte - und sich im Flug entzündete! Wie ein flammender Komet fiel er dem Boden entgegen. Und schlug auf. Das Feuer erlosch. Madame Claire warf das Fahrrad hin und hastete zu dem Selbstmörder hin ...

Das Herz der beleibtenälteren Frau schlug wie rasend. So ein Schreck in dieser frühen Morgenstunde, in der es noch dunkel war!

Tausend Gedanken gleichzeitig schossen ihr durch den Kopf. Der Mann war ihr irgendwie bekannt vorgekommen – ohne dass sie ihn wegen der großen Höhe wirklich erkannt hätte. Was war da nur mit ihm passiert? Sie hatte schon Artikelüber diese geheimnisvollen Selbstentzündungen gelesen. War sie gerade Zeugin einer solchen geworden? Oder war das etwa ein Dämon gewesen, den der Professor vernichtet hatte? Unmöglich, die M-Abwehr hätte jedem Schwarzblütigen längst vorher den Garaus gemacht.

Oder hatte der Professor mal wieder magisch experimentiert und deswegen den Abwehrschirm außer Kraft gesetzt? Von derart verantwortungslosem Tun hatte ihr William schon einige Male berichtet!

Madame Claire bekam kaum noch Luft, so schnell rannte sie auf den Verletzten zu. Als ihr schlagartig klar wurde, dass es, im Falle eines Dämons,äußerst gefährlich war, sich diesem zu nähern, stoppte sie abrupt. Im selben Moment erkannte sie den Mann.

Dylan McMour!

Nein, korrigierte sie, als sich der Kerl stöhnend aus dem Gras erhob. Es musste sich um eine zufälligeÄhnlichkeit handeln. Der Mann, der gerade auf den Hosenboden zurückfiel, sich mit den Armen nach hinten abstützte und den Kopf schüttelte, sah wie ein Junkie aus. Totenbleich, ungewaschen, unrasiert, die Augen tief in den Höhlen, von dunklen Ringen umgeben, die so tief wie die die Schluchten von Les Baux wirkten. Immerhin besaß die Gestalt die gleichen Strubbelhaare wie Dylan McMour, aber sonst hatte sie nichts mit dem smarten Schotten gemein; dem Sunnyboy, der sie mit seiner lockeren Art immer so begeistert hatte, mit seinen nicht ganz hasenreinen Kraftausdrücken, dank denen er bestens in ihr Dorf gepasst hätte.

Aber irgendetwas sagte ihr, dass er esdoch war.

Madame Claire ging ein paar weitere zögerliche Schritte auf ihn zu. Der Mann beugte den Oberkörper nach vorne, stöhnte und presste die Handflächen gegen die Schläfen. Dadurch rutschten dieÄrmel des schwarzen Seidenhemds, das sie schon mal in des Professors Kleiderschrank zu sehen geglaubt hatte, hoch.

Madame Claire erschrak. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. Der linke Unterarm McMours war tiefschwarz. Hautfarbene Schlieren trieben auf oder in der Schwärze, das konnte sie nicht so genau erkennen. Dass diese Schlierenmusteraufgeregt waren, hingegen schon. Sie wusste einfach, dass es so war. Möglicherweise hing es damit zusammen, dass die Schwärze leuchtete. McMours rechter Unterarm schien sich zum linken spiegelbildlich zu verhalten. Hier gab es schwarze Muster auf hautfarbenem Untergrund.

Nicht, dass das angenehmer ausgesehen hätte. Beide –Dinger? Tattoos? Oder wie das hieß - wirkten extrem bedrohlich, ja gefährlich.

Erst jetzt wurde es der Köchin bewusst, dass der Mann ja eigentlich am ganzen Körper schwarz verbrannt hätte sein müssen. Sie blieb erneut stehen. Nur noch rund zehn Meter war sie von ihm entfernt.

Jetzt schien er sie zu bemerkten. Sein Kopf ruckte hoch. Die Augen, die sie von unten herauf anstarrten, wirkten derart gemein und tückisch, dass sie sicher war, ihr Herz werde umgehend stehen bleiben. Gleichzeitig glaubte sie, Wahnsinn in ihnen glänzen zu sehen.

McMour begann zu röcheln, verdrehte die Augen und drückte die Handballen erneut gegen die Schläfen. Dabei bewegte er den Kopf hin und her. Mit einemÄchzen schien er sich zu entspannen. Seine Augen wirkten nun, als sei er wieder in diese Welt zurückgekehrt.

»Madame Claire«, krächzte er.»Kommen Sie bloß nicht näher. Das könnte gefährlich werden. Noch besser, hauen Sie ab, so schnell Sie können.«

»Monsieur McMour, ich …«

»Hast du nicht verstanden? Hau ab, solange du’s noch kannst!«, brüllte er. Um im nächsten Moment leise schluchzend in sich zusammenzufallen. Sein ganzer Körper bebte, als er die Hände vors Gesicht schlug.

Madame Claire fühlte sich vollkommenüberfordert. Es kam ihr wie ein Geschenk des Himmels vor, dass in diesem Moment Geräusche im Château-Innenhof laut wurden. Professor Zamorra und Nicole Duval erschienen und ranntenüber die geöffnete Zugbrücke direkt auf sie zu! Der Professor im Morgenmantel, Mademoiselle Duval im Jogging-Anzug.

Der Meister desÜbersinnlichen ging neben seinem ehemaligen Dämonenjäger-Lehrling in die Knie, während Mademoiselle zehn weitere Meter auf sich nahm und sich um Madame Claire kümmerte – wofür ihr die Köchin imÜbrigenäußerst dankbar war.

»Madame Claire«, sagte Mademoiselle und sah sie so besorgt an, dass es der Köchin ganz warm ums Herz wurde. Umso mehr, als Mademoiselle auch noch fürsorglich den Arm um sie legte.»Haben Sie das alles mit angesehen? Was ist passiert?«

»Monsieur McMour, er … er hat plötzlich gebrannt. In der Luft