Prolog
Cuxhaven, 23. Januar 1891
Wir kommen bestimmt zu spät.«
Immer wieder blickte Mina Ahlhusen auf ihre Uhr. Der Zeiger bewegte sich gar so schnell – viel schneller zumindest als die Räder der Kutsche, die so oft im knöcheltiefen Schnee stecken blieben. Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. »Das Schiff legt doch gleich ab. Nie und nimmer erreichen wir es rechtzeitig.«
Während sie unruhig auf ihrem Sitz hin und her rutschte, lehnte sich Hedwig Ahlhusen, ihre Großmutter, an die Kopfstütze. Weder Minas Ungeduld noch die schmerzhaften Stöße bei jeder Radumdrehung schienen ihr zuzusetzen. Nach einer Weile bemerkte sie lediglich auf die ihr eigene schnodderige Art: »Die Uhr geht nicht langsamer voran, nur weil du ständig daraufstarrst.«
Seufzend versuchte Mina, das Ticken zu ignorieren, und blickte aus dem Fenster des Gefährts. Dass sie sich bereits dem Hafen näherten und in der Ferne die drei riesigen gelben Schornsteine derAugusta Victoria sichtbar wurden, war ihr kein Trost. Der Schnee war hier zwar geschmolzen – jedoch unter den Schritten unzähliger Schaulustiger, die den Weg zum Kai namens »Alte Liebe« ebenso verstellten wie die vielen kleinen Droschken, mit denen die weiblichen Passagiere vom Bahnhof hierher gebracht worden waren.
Warum hatte sie nicht auch auf die Eisenbahn bestanden, sondern auf den Vater gehört, der das Automobil vorzog? Dieses hatte – anspruchsvoller und launenhafter als jede