: Gwen Bristow
: Die noble Straße
: beHEARTBEAT
: 9783732527779
: 1
: CHF 5.60
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: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 372
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der zweite Teil der Louisiana-Trilogie schildert das weitere Schicksal der Familien Sheramy und Larne. Denis Larne, Besitzer des Ardeith-Gutes, heiratet die leichtlebige Ann Sheramy, Tochter der Besitzer des Silberwald-Gutes. Eines Tages beginnt Corrie May Upjohn ihre Arbeit als Bedienstete auf dem Gut. Im Gegensatz zu den vermögenden Larnes gehört Corrie zu der armen, weißen Unterschicht. Die Gegensätze zwischen ihr und Ann Sheramy könnten nicht größer sein und Corrie verbittert zusehends angesichts des Reichtums der Larnes. Aber im ganzen Land vertieft sich die Kluft zwischen arm und reich, schwarz und weiß: Der Sezessionskrieg bricht aus ...

ERSTES KAPITEL



Corrie May Upjohn lehnte an einem Stapel Baumwollballen und sah den Schiffen zu. Corrie May war gern am Hafen, wo die stämmigen schwarzen Stauer Baumwolle verluden, wo wunderbare schwimmende Paläste ihre Passagiere über schwanke Laufbrücken hinweg aufs feste Land entließen – ach, all das war aufregender als selbst ein Stück im Theater. Corrie May erwartete ihren Verehrer; es passte ihr sehr, dass er sie gerade hierher bestellt hatte.

Vierzehn Lenze zählte Corrie May. Schmal und jung von Gestalt, das war sie. Noch hatten ihre Füße, hoch im Spann, nicht die Form verloren, wenn auch Corrie May tagein, tagaus nur barfuß ging – vom Winter abgesehen. Das blaue Baumwollkleidchen passte gut zu ihren blauen Augen, stach aber auch auf liebenswürdige Weise gegen ihr Flachshaar ab – und gegen ihre schön durchblutete, sonnenbraune Haut. Ihre Lippen trafen sich in einer geraden Linie, wölbten sich aber unter und über ihr keineswegs kärglich: ein Mund, zum Küssen prächtig; er verriet aber auch, dass Corrie May wusste, was sie wollte. Ihr Verehrer, Budge Foster, war nicht der einzige junge Bursche, der ihr schöne Augen machte. Budge gefiel ihr am besten; doch Corrie May war entschlossen, auch noch mit andern ein wenig zu liebeln: Budge sollte sich gar nichts einbilden! Sie war nicht allein auf ihn angewiesen.

Ein Windhauch vom Fluss her kühlte ihr die Stirn. Corrie May holte tief Atem. Wie liebte sie den Strom, den ungeheuren Mississippi! Hier an den Landungsbrücken bot sich die ganze Welt auf einmal dar – Flussdampfer wendeten und drehten sich gleich großen Damen, ehe sie festmachten; unverschämte kleine Boote von den Pflanzungen tanzten auf den Wassern und gerieten in jedermanns Quere; Überseer unter fremden Flaggen dampften den Fluss herauf, sich den Bauch voll Baumwolle zu stopfen; Sklavenschiffe entledigten sich ihrer menschlichen Fracht; in langen Reihen trieb man die Neger zu Markte; oberhalb der Landungsbrücken wurden sie zum Verkauf ausgestellt; schwimmende Freudenhäuser legten sich an den Kai; sie pflegten bald hier, bald da vor den Städten und Städtchen am Fluss aufzutauchen, immer auf der Flucht vor den Hütern der Moral; Theaterschiffe unter gewaltigen, blumigen Bannern; Händlerboote mit einem Geschäftchen an Deck, worin Kattun und Nähnadeln und anderer Schnickschnack zu erstehen waren; Wohnboote von Wunderdoktoren, die zauberhaft wirksame Tränklein und Pülverchen feilhielten; Eisschiffe entluden ihre kalten Lasten, milchige Blöcke, im Winter zuvor aus gefrorenen Gewässern des Nordens geschnitten; sie wurden im Sommer stromab gefrachtet und für fünfundzwanzig Cents das Pfund in die Küchen der Reichen von Louisiana verkauft. Corrie May war noch nie gereist. Aber man braucht nicht zu reisen – sagte