: Markus Heitz
: Schatten über Ulldart Ulldart. Die Dunkle Zeit 1
: Piper Verlag
: 9783492950510
: Ulldart. Die dunkle Zeit
: 1
: CHF 9.80
:
: Science Fiction, Fantasy
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Kurz vor seinem Tod prophezeit ein Mönch, dass die Dunkle Zeit den Kontinent Ulldart erneut mit Leid und Zerstörung überrollen werde. Der verwöhnte Prinz Lodrik wird unterdessen in die Provinz gesandt, um die Stelle des neuen Statthalters einzunehmen. Noch ahnt Lodrik nicht, dass er das Schicksal seiner Welt entscheiden wird - denn die Dunkle Zeit droht zurückzukehren, und er wird der Retter oder Zerstörer Ulldarts sein ... - Der Auftakt zum sensationellen Epos »Ulldart - Die Dunkle Zeit« - ausgezeichnet mit dem Deutschen Phantastik Preis.

Markus Heitz, geboren 1971, studierte Germanistik und Geschichte. Mit »Ulldart« begann der Saarländer seine einzigartige Karriere. Seine Romane um »Die Zwerge« wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und standen wochenlang auf den Bestsellerlisten. Mit »Die Legenden der Albae« führte Markus Heitz alle Fans in die Welt der Dunkelelfen. Dazu kamen viele weitere erfolgreiche Werke auf den Gebieten der Fantasy und Science Fiction sowie Thriller. Er gewann bereits elf Mal den Deutschen Phantastik Preis.

Tscherkass, Königreich Tarpol, 436 n. S.

»Puttputtputt«, lockte Bruder Matuc die Hühner, die auf dem Innenhof des kleinen Anwesens königlich umherstolzierten und im Dreck scharrten, als ob dies etwas ganz Erhabenes wäre. Die Tiere erkannten den Geistlichen sofort als ihren tagtäglichen Wohltäter wieder und liefen gackernd auf den Mann in der dunkelgrünen Robe zu.

»Da habt ihr«, murmelte Matuc, während er mit gleichmäßigen, halbkreisförmigen Bewegungen der rechten Hand Korn aus seinem Umhängebeutel auf die gestampfte Erde streute. »Fresst schön, damit ihr große Eier legt und dick und fett werdet.«

Auf dem Hof war es ansonsten ruhig. Die Tagelöhner arbeiteten auf den Feldern, die übrigen Ordensbrüder waren beim Gebet oder verrichteten Schreibarbeiten. Nur Matuc hatte die außerordentlich anspruchsvolle Aufgabe, sich um das leibliche Wohlbefinden des Federviehs zu kümmern, eine Tätigkeit, die er aber gerne verrichtete.

Leise redete der Bruder auf die Hühner ein, die zeternd und Flügel schlagend um ihn herum rannten, jedes noch so kleine Korn wurde heftig umkämpft.

Die Nachmittage, so empfand es zumindest der Ulldraelmönch, wurden allmählich trotz der Sonnen kühl, ein untrügliches Zeichen für den nahenden Winter.

Die letzten Ähren waren schon vor Wochen abgeerntet, die Strohstoppeln längst verbrannt und die Felder umgepflügt. Der Geruch von brennendem Kartoffelkraut hing schwach in der Luft, ein paar Bienen summten träge durch die immer schwächer werdenden Lichtstrahlen. Die große Ulldraeleiche auf dem Innenhof, der mächtigste Baum von allen, färbte ihre Blätter.

Matuc, ein Mann mittleren Alters und mit den ersten grauen Strähnen zwischen den schwarzen Haaren, dankte Ulldrael dem Weisen für die Ruhe, die auf dem von den Mönchen geleiteten Gut herrschte, und schüttelte die letzten Körner aus dem Stoffbeutel.

Er verharrte einen Moment regungslos, blinzelte in die Sonnen und dachte mit Wehmut an die frostigen Temperaturen, die ihnen im Norden Tarpols bevorstanden.

»Ihr werdet mir in den kalten Tagen sehr fehlen«, sagte der Mönch leise in Richtung der beiden strahlenden Kugeln und schlenderte zurück zum Haupthaus, ein altes Backsteingebäude, das bereits, wie der Orden, viele Jahrhunderte überdauert hatte.

Als er das vielfache, gedämpfte Stimmengemurmel aus der Eingangshalle hörte, beschleunigte Matuc seine Schritte. Um diese Zeit sollte eigentlich niemand außerhalb der zugewiesenen Räume sein, ein derartiger Auflauf konnte fast nur Schlechtes bedeuten.

Mit Schwung öffnete der Bruder die schwere, angelehnte Eichentür und sah die Rücken der Novizen, die auf etwas vor ihnen auf dem Boden starrten.

»Aus dem Weg«, herrschte der Mönch sie an und bahnte sich den Weg frei. »Lasst mich durch, ihr unnützen Kerle!«

Auf den Lehmfliesen lag zu seiner Überraschung Bruder Caradc, die Augen weit geöffnet und Schaum vor dem Mund, dünnflüssiger Speichel lief in dicken Bahnen die Wangen herab. Der Atem ging stoßweise, die Brust hob und senkte sich schnell, unrhythmisch.

»Hat er wieder eine Vision?«, fragte Matuc und kniete neben dem Halbbewusstlosen nieder.

»Wir wissen es nicht, Bruder Matuc. Wir hörten ihn in der Halle schreien, und als wir nachsahen, lag er auf dem Boden«, antwortete einer der Aspiranten unsicher. »Wir wussten nicht, was wir tun sollten.«

Der Mönch formte die Umhängetasche zu einem Knäuel und legte sie behutsam unter den Kopf von Caradc. »So etwas habe ich bei ihm noch nie erlebt. Normalerweise bekommt er einen glasigen, abwesenden Blick, aber das hier erscheint mir sehr seltsam. Holt den Vorsteher her. Vielleicht will Ulldrael eine wichtige Botschaft senden.« Matuc wischte seinem Mitbruder den Speichel ab und streichelte beruhigend dessen Kopf. »Und beeilt euch. Sagt, dass es dringend sei.« Er warf den anderen, die immer noch wie eine Meute neugieriger Hunde um die beiden herumstanden, einen bösen Blick zu. »Ihr anderen, verschwindet wieder in eure Studierzimmer. Los!«

Gehorsam, wenn auch zögerlich, gingen die jungen Männer. Der Mönch war mit dem Visionär alleine.

Die glatten Wände der Halle warfen die lauten Atemgeräusche als Widerhall zurück, jeder mühsam errungene Luftzug seines Mitbruders erschien Matuc doppelt so laut.

»Was ist denn? Was hast du?«, wollte er wissen.

Der Liegende griff nach seiner Hand, öffnete den Mund, aber nur ein heiseres Krächzen und verzweifelte Laute drangen aus seiner Kehle.

Plötzlich änderte der Speichel seine Farbe in hellrosa, Caradc bekam einen Hustenkrampf, und seine Augen weiteten sich.

»Der Tadc … Vorsicht … töten«, stammelte er undeutlich, jeder Buchstabe wurde herausgepresst.

»Ruhig, Caradc.« Matuc tupfte ihm die Stirn ab. »Was will Ulldrael von uns?«

»Tadc … töten … Dunkle Zeit«, stieß der Visionär hervor, der Griff um Matucs Hand verstärkte sich und wurde mit einem Mal schmerzhaft. Dünne Blutfäden sickerten aus den Ohren und Nasenlöchern, Caradc schrie auf und begann zu zittern. Sein ganzer Körper zuckte hin und her, wie eine gefangene Schlange wand er sich auf dem Boden.

Matuc hatte Mühe, den Liegenden zu halten, hilflos und verwirrt musste er die Leiden seines Mitbruders ansehen. Welche Botschaft mochte Ulldrael wohl schicken, dass sie seinen treuen Diener dermaßen quälte?

Caradc erbrach Blut, tiefrot lief die Flüssigkeit über die Kleidung auf die Fliesen, füllte dort kleine Rillen und Unebenheiten der Oberfläche aus.

»Tadc … Gefahr … jemand … töten«, heulte der Visionär und sackte zusammen. Er packte Matuc im Genick und zog dessen Ohr an seinen Mund. »Die Dunkle Zeit … kehrt zurück«, flüsterte er.

Inzwischen lag der Kopf des Mannes in einer riesigen Lache aus Blut, zu der immer neues aus Mund, Ohren, Nase und Augen hinzufloss.

»Vorsteher, zu Hilfe!«, rief Matuc aufgeregt. Seine Kleidung sah aus, als ob er ein frischgeschlachtetes Schwein umarmt hätte. »Caradc stirbt!«

Die Zeit schlich dahin, noch immer war niemand zu sehen.

Der Visionär gab ein schmerzerfülltes Stöhnen von sich, das sich zu einem grausamen Schrei steigerte.

Matuc dachte, seine Ohren würden taub, irgendwo hörte er das Splittern von Glas, dann erstarb Caradcs Stimme.

Das Echo hallte für einige Momente durch das Haupthaus, dann trat eine unheilige Stille ein.

Der Visionär war tot.

Jetzt erst näherten sich schnelle Schritte, die Türen zu den Studierzimmern flogen auf. Der Vorsteher kam mit wehender Robe die Treppe herabgelaufen, hinter ihm folgten mit entsetzten Gesichtern die Mönche und Aspiranten.

Matuc starrte auf seine blutigen Hände. »Ulldrael hat ihn getötet«, wiederholte er flüsternd. »Die Macht des Gottes war zu groß für seinen Verstand und Körper.«

»Was ist passiert?« Vorsteher Tradja, ein erhabener Mann im Herbst seines Lebens, holte tief Luft und stellte seine Ledertasche mit Verbandszeug zu Boden. »Was hat er gesagt?«

Matuc erhob sich; kleine, rote Tropfen lösten sich von seiner Robe, fielen zu Boden und klatschten hörbar in die Blutlache.

»Ulldrael wollte uns vor der Rückkehr der Dunklen Zeit warnen.«

»Wie sollte die Bedrohung neu erstehen? Das Böse ist von Ulldart vertrieben.« Der Vorsteher strich sich über den Bart und blickte nachdenklich auf den Toten. »Was hat er noch gesagt?«

»Wenn der Tadc stirbt, droht uns allen Gefahr, sagte Caradc.« Matuc ließ die Hände sinken, das warme Blut an seinen Fingern begann klebrig zu werden. »Ich glaube, dass jemand versuchen wird, den Thronfolger umzubringen.«

Tradja nickte kaum merklich. »Das darf nie geschehen....