: Samantha Young
: India Place - Wilde Träume (Deutsche Ausgabe)
: Ullstein
: 9783843709965
: Edinburgh Love Stories
: 1
: CHF 7.30
:
: Erzählende Literatur
: German
: 400
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Damals brach er ihr das Herz. Jetzt kämpft er um ihre Liebe. In nur einer einzigen Nacht erlebte Hannah Nichols den Himmel auf Erden - mit Marco, ihrer großen Jugendliebe. Doch am nächsten Morgen war er verschwunden und ihr Herz gebrochen. Fünf Jahre sind seitdem vergangen. Trotzdem ist sie nicht darüber hinweggekommen. Hannah weiß nur eins: Sie wird ihm niemals verzeihen. Hannah und Edinburgh zu verlassen, war der größte Fehler seines Lebens. Marco D'Alessandro bereut ihn jeden Tag. Endlich bietet sich eine Chance, Hannah zu zurückzugewinnen. Aber die Fehler aus der Vergangenheit wiegen schwerer als gedacht, und für eine gemeinsame Zukunft muss er alles riskieren ... Endlich gehen die »Edinburgh Love Stories« weiter: Bestsellerautorin Samantha Young schenkt uns einen neuen Roman!

Samantha Young wurde 1986 in Stirlingshire, Schottland, geboren. Seit ihrem Abschluss an der University of Edinburgh arbeitet sie als freie Autorin und hat bereits mehrere Jugendbuchserien geschrieben. Mit der Veröffentlichung von »Dublin Street« und »London Road«, ihren ersten beiden Romanen für Erwachsenen, wurde sie zur internationalen Bestsellerautorin.

Kapitel 1


Edinburgh


Oktober

An meinem ersten Arbeitstag als Lehrerin, als ich auf die Kopfsteinpflasterstraßen von Edinburgh hinausgetreten war, hatte ich mir etwas geschworen: Ich wollte alles tun, um einen persönlichen Zugang zu meinen Schülern zu finden.

Auch wenn das hieß, dass ich sie– und mich– mit meinen miserablen zeichnerischen Fähigkeiten in Verlegenheit brachte.

Ich nahm die Folie mit meinen stümperhaften Illustrationen vom Projektor und legte eine neue hin, auf der zwei Sätze standen.

Dann ließ ich den Blicküber meine kleine, aus sechs Erwachsenen zwischen vierundzwanzig und zweiundfünfzig Jahren bestehende Klasse schweifen und lächelte schief.»So leid es mir auch tut, Ihnen meine genialen künstlerischen Fähigkeiten vorzuenthalten– ich glaube, es ist besser, wenn ich die Folie verschwinden lasse.«

Portia, mit zweiundfünfzig meineälteste Schülerin, grinste breit. Sie hatte immer gute Laune, mit der sie die oftmals angespannte Atmosphäre in dem kleinen Klassenzimmer auflockerte. Auch Duncan, ein dreiunddreißigjähriger Mechaniker, ließ ein belustigtes Schnauben hören, doch dieübrigen vier in der Klasse starrten mich lediglich mit fast schreckhaft geweiteten Augen an, als wäre alles, was ich sagte und tat, ein Test für sie.

»Jetzt, wo Sie sich die Worte aus dem Sichtwortschatz eingeprägt und dank meiner bescheidenen Zeichenversuche hoffentlich auch in ihrer Bedeutung verstanden haben, sollen Sie sich mit ihrem Gebrauch in alltäglichen Sätzen vertraut machen. Für den Rest der heutigen Stunde möchte ich Sie bitten, jeden dieser beiden Sätze zehnmal abzuschreiben.« Ich beobachtete, wie die vierundzwanzigjährige Lorraine, eine ungeduldige und reizbare Schülerin, auf ihrer Unterlippe kaute. Ich wollte mir lieber nicht ausmalen, was sie ihrer Lippe antun würde, wenn sie erst meine nächste Aufgabe zu hören bekam.»Ich habe hier zwei kleine Büchlein für Sie. In dem einen stehen einzelne Wortbilder, im anderen ganze Sätze, die aus diesen Wortbildern zusammengesetzt werden können. Bitte suchen Sie sich als Hausaufgabe zehn dieser Sätze aus, die Sie dann jeweils zehnmal aufschreiben. Bitte bringen Sie die Hausaufgaben nächste Woche zum Unterricht mit.«

Lorraine wurde blass, und prompt zog sich mein Herz vor Mitgefühl zusammen. Lorraine war ein Paradebeispiel dafür, weshalb ich mich entschieden hatte, ehrenamtlich einen Erwachsenen-Alphabetisierungskurs imörtlichen Gemeindezentrum zu leiten. Einige Leute– wie zum Beispiel meine Freundin Suzanne– waren der Ansicht, ich könne nicht ganz richtig im Kopf sein, wenn ich während meines Referendariats als Englischlehrerin an einer Highschool in meiner Freizeit noch zusätzliche Kurse unterrichtete– und das ohne Bezahlung. Vielleicht hatten diese Leute recht, mein Arbeitspensum für die Schule war hoch, aber immerhin konnte ich mir den Alphabetisierungskurs mit einer anderen Lehrkraft teilen, so dass ich nur einen Abend pro Woche dafür opfern musste. Außerdem gab mir meine ehrenamtliche Arbeit endlich mal das Gefühl, etwas Sinnvolles zu leisten. Den Nutzen meiner Arbeit an der Schule zu erkennen fiel mir da oft wesentlich schwerer. Ich ahnte, dass ich noch häufiger während meines Berufslebens das Gefühl haben würde, trotz bester Bemühungen nicht das Geringste ausrichten zu können. Bei meiner Arbeit als Ehrenamtliche hingegen erfuhr ich diese Genugtuung jeden Tag. Die Erwachsenen, die ich unterrichtete, waren größtenteils arbeitslos, mit Ausnahme von Portia und Duncan. Duncan war von seinem Arbeitgeber dazu aufgefordert worden, seine Lese- und Schreibfertigkeiten zu verbessern. Und Portia, die sich bisher mit rudimentären Kenntnissen im Lesen und Rechnen durchgeschlagen hatte, war eines Tages zu dem Schluss gekommen, dass sie sich damit nicht länger zufriedengeben wollte. Den anderen jedoch fiel es aufgrund ihrer mangelnden Sprach- und Kommunikationsfertigkeiten schwer, einen Job zu behalten.

Natürlich war mir klar, dass Analphabetismus in diesem Land nach wie vor ein großes Problem darstellte, aber da ich selbst aus einer Akademikerfamilie kam und leidenschaftlich gern las, hatte ich mich bislang noch nie näher mit dem Thema auseinandergesetzt. Bis zum vergangenen Jahr.

Während meiner Lehrerausbildung hatte ich ein Erlebnis gehabt, das mir auf ewig im Gedächtnis bleiben würde: Während eines Gesprächs mit dem Vater eines Schülers merkte ich, wie dieser plötzlich ganz nervös wurde, nachdem ich ihn gebeten hatte, sich die Schularbeiten seines Sohnes anzusehen. Ihm brach buchstäblich der Schweiß aus, bis er schließlich mit stockender Stimme gestand, dass er sie nicht lesen könne. Und als er zuvor eine Einverständniserklärung unterschreiben sollte, damit seine Tochter mit der Klasse eine Theateraufführung vonWas ihr wollt besuchen konnte, hatte er mit zitternder Hand einen völlig unleserlichen Schnörkel aufs Papier gekritzelt.

Seine Angst und Scham gingen mir sehr nahe. Ich hatte Tränen in den Augen, so sehr bedauerte ich den Mann– ein erwachsener Mann, der sich beim Anblick von ein paar Wörtern auf einem Blatt Papier völlig verloren und hilflos fühlte. Es war hart, seinen inneren Kampf m