: Bachtyar Ali
: Das Lächeln des Diktators Essays
: Unionsverlag
: 9783293311251
: 1
: CHF 17.20
:
: Entwicklungstheorie und Entwicklungspolitik
: German
: 144
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Parallel zu seinen bahnbrechenden Romanen hat Bachtyar Ali seit Jahrzehnten zahlreiche Essays und Untersuchungen veröffentlicht. Mit diesem Sammelband ist er als scharf beobachtender, radikaler und zum Nachdenken herausfordernder Analytiker zu entdecken. Im Zentrum steht die Frage, welche Hindernisse sich im Mittleren Osten und der arabischen Welt der Aufklärung und friedlichen Entwicklung entgegenstellen. Ausgehend von den eigenen Erfahrungen und vertraut mit den europäischen Denktraditionen, sucht Bachtyar Ali neue Wege zur Erklärung der allgegenwärtigen Gewalt und verhängnisvollen Perspektivlosigkeit seiner Region.

Bachtyar Ali wurde 1966 in Sulaimaniya (Nordirak) geboren. 1983 geriet er durch sein Engagement in den Studentenprotesten in Konflikt mit der Diktatur Saddam Husseins. Er brach sein Geologiestudium ab, um sich der Poesie zu widmen. Sein erster Gedichtband Gunah w Karnaval (Sünde und Karneval) erschien 1992. Sein Werk umfasst Romane, Gedichte und Essays. Er lebt seit Mitte der Neunzigerjahre in Deutschland. 2017 wurde er mit dem Nelly-Sachs-Preis, 2023 mit dem Hilde-Domin-Preis ausgezeichnet.

Das Lächeln des Diktators


Die Diktatoren dieser Welt zeigen uns gerne ganz unterschiedliche Gesichter, als wohnten in ihnen mehrere Persönlichkeiten. Ihre exquisiten Neigungen erregten schon immer Aufmerksamkeit und wurden heftig debattiert. Hitlers Liebe zur Kunst, Chomeinis kindliche Leidenschaft für Zeichentrickfilme, die starke Beziehung von Enver Hodscha und dessen Frau zu Mutter Teresa, Fidel Castros Achtung gegenüber vielen Schriftstellern – sie sind ein kleiner Ausschnitt aus der surrealistischen Welt der Diktatoren.

Diktatoren gewinnen ja meist alle Wahlen. Sie kleben Jahr um Jahr schwerer auf ihren Thronen und bürden den Untertanen ihre ewige Liebe auf. Welcher Nationalität sie auch seien, es steckt in ihnen eine diffuse Mehrdeutigkeit, die uns Sterblichen unnatürlich, ja übernatürlich erscheinen soll. Saddam Hussein war einer dieser markanten, surrealistischen Herrscher, einer der grausamsten seiner Art. Ein Diktator, der bis zum Augenblick seiner Flucht aus Bagdad seine Opfer verhöhnte. Noch in der Stunde seiner Hinrichtung lachte er den Tod, uns und sich selbst aus.

In der Videoaufzeichnung seiner Urteilsvollstreckung, während der Henker ihm den Galgenstrick um den Hals legt, sehen wir deutlich, dass er lacht. Dieses Lachen wird von manchen als Zeichen von Tapferkeit, Furchtlosigkeit und Todesverachtung ausgelegt. Ich halte diese Interpretation für oberflächlich und vorschnell. Sie geht am Charakter des Diktators und dem Gesamtsystem der Diktatur vorbei. Trotz ihren tragischen Auswirkungen, trotz dem allgegenwärtigen Tod, den Ängsten und den Tränen, die ein Diktator verursacht, die Komödie und das Lachen sind ein wesentlicher Bestandteil dieses Herrschaftssystems.

In jedem Diktator steckt ein Clown. Jedes diktatorische System schafft sich die Posse seiner selbst. Das Lachen von Saddam Hussein in seiner letzten Stunde hat eine lange Vorgeschichte, die tief mit der Entwicklung seiner Diktatur und seinem Lebensweg verknüpft ist. Das Lächeln des Diktators entspringt der Tiefe jener Hölle, die er selbst geschaffen hat.

In der Geschichte der Menschheit ist das Lachen nicht nur Ausdruck von Freude und Glück, sondern auch verknüpft mit dem Auftrumpfen von Macht. Es ist ein wichtiges Indiz der Machtentfaltung und gehört zu den Formen, in denen der Herrscher seine Kontrolle über die Untertanen zeigt. In der indischen Mythologie heißt es, dass die Göttin Maya, wenn sie ihre Gegner vernichtet, so laut lacht, dass sie den Boden zum Beben bringt. Das Lachen im Augenblick des Tötens ist ein Zeichen für eisernen Willen und Macht, die schon immer zu den Eigenschaften der Tyrannen zählten. Den Tod der anderen zu verlachen, gehört in ihren Verhaltenskodex. Aber die Verknüpfung zwischen Lachen und Tod hat noch andere Wurzeln. Im Alten Ägypten gab es die Sitte, Hals und Füße der Toten zu verschnüren und sie unter