: Álvaro Mutis
: Ein schönes Sterben Roman. Die Abenteuer und Irrfahrten des Gaviero Maqroll
: Unionsverlag
: 9783293310667
: 1
: CHF 7.30
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Maqroll lässt sich in einem gottverlassenen südamerikanischen Kaff nieder, in dem Flusshafen La Plata, irgendwo nahe der kolumbianischen Küste. Er freundet sich mit einer blinden Gastwirtin an, die über Land und Leute so einiges zu erzählen weiß, und findet eine vertrauensvolle Geliebte. Schließlich lässt er sich auf ein scheinbar lukratives Geschäft ein: Mit Maultieren soll er Kisten in die Berge transportieren, auf einer Wanderung entlang reißender Flüsse und faszinierender Vegetation. Der Inhalt der Kisten jedoch durchbricht seine melancholische Reise und katapultiert ihn zwischen die Fronten von Militärs und Guerillas, die ihre Kämpfe auf dem Rücken der Bevölkerung austragen. Immer tiefer gerät er in ein Komplott, aus dem er sich kaum mehr zu befreien vermag.

Álvaro Mutis, geboren 1923 in Bogotá, ist einer der bedeutendsten Lyriker und Romanciers Lateinamerikas. Einen Teil seiner Kindheit verbrachte er in Brüssel, kehrte jedoch jedes Jahr nach Kolumbien zurück - das Land ist die Inspirationsquelle seines Schreibens. Seit 1956 lebte der Autor in Mexiko. 2001 wurde er mit der angesehensten literarischen Auszeichnung der spanischsprachigen Welt, dem Premio Cervantes, geehrt, sowie 2002 mit dem Neustadt-Literaturpreis. Álvaro Mutis starb 2013 in Mexiko-Stadt.

»Das hat seine Gründe«, meinte der Offizier, während sich ein müdes Lächeln auf seinen Lippen abzeichnete. »Der Mann legt auch denen keine Rechenschaft ab, die seine Dienste in Anspruch nehmen. Im Waffenhandel, wo es nicht üblich ist, die Gewinnspanne jedes Zwischenhändlers genau festzulegen, herrscht eine große Laxheit. Der Typ hat den Nachnamen Brandon und ist Ire. Die Liste seiner Vorstrafen ist unendlich: In Trinidad saß er im Gefängnis wegen Scheckfälschungen; die Engländer suchen ihn, weil er Mädchenhandel im Nahen Osten betrieb; die Saudis glaubten ihn schon tot, nachdem ihm der Scheich, dem er statt zweier jungfräulicher Mädchen aus Alicante zwei Huren aus San Pedro Sula andrehte, eine Tracht Prügel verpassen ließ. Die Liste ist, wie ich Ihnen schon sagte, sehr lang. Aber hier lasten viel schwerere Anklagen auf ihm. Es ist unwahrscheinlich, dass Sie ihn wiedersehen. Erwartet Sie in La Plata noch eine weitere Fracht, die auf den Tambo transportiert werden soll? Oder ist Ihres Wissens eine auf dem Weg?«

»In La Plata habe ich zwei Kisten in van Brandens Zimmer hinterlassen, die denen glichen, die ich vorgestern auf den Tambo brachte. Mir ist nicht zu Ohren gekommen, dass noch etwas ankommen soll.« Maqroll spürte den durchdringenden Blick des Offiziers auf sich. Dieser ging immer noch auf und ab, sichtlich nervöser. Mit einer leichten Veränderung im Tonfall fragte er weiter: »Wer weiß überhaupt von diesen Kisten? Hat Amparo María davon erfahren?«

Eine ohnmächtige Wut regte sich in Maqrolls Innerem. Es war, als würde ihn dieses Eindringen in seine Gefühlssphäre auf Gedeih und Verderb der grenzenlosen Macht ausliefern, die das Militär darstellte. Er hatte sein ganzes Leben lang versucht, jeglichen Kontakt mit ihm zu vermeiden. Er antwortete so knapp wie nur möglich: »Nein, ich glaube nicht, dass sie etwas weiß. Es sei denn, dass Doña Empera ihr davon erzählt hätte. Die Blinde weiß selbstverständlich über alles Bescheid, was meine Reisen auf den Tambo betrifft.«

»Entschuldigen Sie, aber ich muss auf dieser Frage bestehen, die ihre persönliche Sphäre betrifft, denn es ist für mich äußerst wichtig, diesbezüglich zu wissen, woran ich bin. Sie ahnen nicht, mit wem wir es hier zu tun haben und wozu sie imstande sind. Ihr Privatleben geht mich natürlich nichts an, aber ich möchte wissen, was Sie Amparo María über Ihre Zusammenarbeit mit Brandon erzählt haben.« Der Hauptmann bemühte sich wohlweislich, seiner Frage einen möglichst routinemäßigen Anstrich zu geben.

»Ich habe mit ihr keine Einzelheiten besprochen. Sie weiß, was alle anderen auch wissen: dass ich mit einer Anzahl Maultiere Kisten mit Maschinen und Gerätschaften für den Bau der Eisenbahnlinie auf den Tambo transportiere. Ich habe ihr gegenüber weder Brandon noch die Lagerräume auf dem Grat erwähnt. Aber Amparo María spricht natürlich mit Doña Empera, der ich schon Genaueres erzählt habe. Ihre Kenntnis der Gegend und ihrer Bewohner war mir sehr nützlich.« Maqroll wollte nichts mehr über die Wirtin sagen, weil er fürchtete, sie damit in Schwierigkeiten zu bringen.

»Doña Empera spricht nur von dem, wovon sie weiß, dass sie sprechen soll, und ich bin überzeugt, dass sie sehr darauf bedacht war, Amparo María oder sonst jemandem nicht mehr als nötig zu s