Man sollte eigentlich im Leben niemals die gleiche Dummheit zweimal machen, denn die Auswahl ist so groß.
Bertrand Russell
»Also, wenn ich mich in drei Adjektiven beschreiben müsste, würde ich sagen: erstens: ein Typ zum Pferdestehlen, zweitens: FKK-Anhänger und drittens: allen Späßen und Flirts gegenüber aufgeschlossen. Na?« Der Mann neben mir legte neckisch seinen Kopf schief.
Erstens: Niemand will, dass Sie sich in drei Adjektiven beschreiben. Zweitens: Das waren auch überhaupt keine Adjektive. Und drittens: Womit habe ich das verdient? Das sagte ich aber nicht laut. Ich hatte mich innerlich noch nicht auf eine Abwehrstrategie festgelegt und schwieg daher mit möglichst ausdruckslosem Gesicht, während ich überlegte, was ich für Optionen hatte. Weggehen schied schon mal aus: Der verdammte Zug war bis auf den letzten Platz besetzt, weil er aus unerfindlichen Gründen »heute ohne die Wagen 21 bis 28« verkehrte.
Andere erzählen mir immer, dass sie sich beim Zugfahren entspannen, »richtig was weggearbeitet bekommen«, tolle Bekanntschaften machen, neue Geschäftsverbindungen auftun, mit gut aussehenden Menschen flirten, alte Schulfreunde treffen, großartige Ideen ausbrüten, sich endlich mal ausschlafen oder sonst wie amüsieren. Aber neben mir saßen immer nur die Verrückten, die Psychopathen, die ansteckenden Grippekranken. Und die, die nach Käsefüßen rochen, wie dieser hier. Irgendetwas hatte ich an mir, das solche Leute magisch anzog und die anderen fernhielt.
»Gestatten? Bill, seit vier Jahren neununddreißig, mein zweiter Vorname ist Paul.«
Gestatten, Kati, in vier Jahren 39, mein zweiter Vorname ist Idiotenmagnet.
Bill Paul lächelte mich aufmunternd an und entblößte dabei seine gelblich verfärbten Eckzähne. »Und jetzt sind Sie dran! Drei Adjektive, die Sie treffend beschreiben. Na? Trauen Sie sich ruhig.«
Geh weg!
»Ich helfe Ihnen mal ein bisschen auf die Sprünge … hm … also, was ich schon mal sehe, ist erstens: blond, zweitens: ziemlich niedlich und drittens: schüchtern.« Er befeuchtete seine Lippen mit der Zunge. »Na kommen Sie. Ich beiße doch nicht. Oder vielmehr erst, wenn Sie mir die Erlaubnis dazu geben.«
Marlene an meiner Stelle hätte jetzt so etwas wie »Erstens: nicht interessiert, zweitens: lesbisch, drittens: in diversen Nahkampftechniken ausgebildet und bereit zuzuschlagen, wenn Sie das Gespräch nicht sofort als beendet betrachten« geantwortet, aber ich konnte nicht gut lügen und auch niemanden vor den Kopf stoßen, nur weil er nach Käsefüßen roch (übrigens nicht von den Füßen her), ein bisschen schmierig war und vermutlich nicht alle Tassen im Schrank hatte. Andererseits wusste ich aus leidiger Erfahrung, dass man mit Nettigkeit in Situationen wie dieser auch nicht weiterkam.
»Ähm, also«, sagte ich und klappte mein Notebook auf. »Erstens bin ich glücklich verheiratet, zweitens muss ich jetzt ein paar dringende Mails beantworten, und drittens …« Der Laptop gab einen alarmierenden Piepton von sich.
»Und drittens ist Ihr Akku leer und hier ist nirgendwo Strom.« Der Mann lehnte sich mit einem schadenfrohen Grinsen zurück. »Wir haben also alle Zeit der Welt für ein kleines Schwätzchen, Schätzchen. Haha, das reimt sich, haben Sie das gemerkt?«
Sei still, Bill. Halt’s Maul, Paul.
»Was machen Sie denn beruflich, dass Sie sogar abends im Zug arbeiten müssen?«
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