: Brigitte Riebe
: Feuer und Glas - Die Verschwörung Roman
: Heyne
: 9783641091415
: Brigitte Riebe bei Heyne fliegt
: 1
: CHF 12.50
:
: Kinderbücher bis 11 Jahre
: German
: 384
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Schöner, magischer und gefährlicher kann die erste Liebe nicht sein!
Konstantinopel im Jahr 1509: Milla, das Mädchen, das über die Kräfte des Feuers gebietet, und Luca, der Junge, dessen Familie zu den Wasserleuten gehört, suchen in der sagenumwobenen Stadt am Bosporus Millas Vater Leandro. Doch als sie ihn endlich finden, kann er sich an nichts erinnern. Nicht an sein früheres Leben und nicht an Milla. Milla ahnt, dass sie selbst und ihre Liebe zu Luca in höchster Gefahr sind, wenn es ihr nicht gelingt, das dunkle Geheimnis um Leandro zu lüften...

In der uralten Lagunenstadt Venedig sind sie sich das erste Mal begegnet: die sechzehnjährige Milla, die von den Feuerleuten abstammt, und Luca aus dem Geschlecht der Wasserleute. Ihre Liebe zueinander ist seitdem nicht erloschen. Als Milla nach Konstantinopel aufbricht, um ihren Vater Leandro zu suchen, begleitet Luca sie. Über Leandros Leben und Verschwinden liegt ein dunkles Geheimnis, das Milla nun endlich ergründen will. Die so lange herbeigesehnte Begegnung mit ihrem Vater verläuft jedoch anders als erwartet: Leandro scheint sich an nichts aus seiner Vergangenheit zu erinnern, auch nicht an Milla. Während das Feuermädchen verzweifelt herauszufinden versucht, was ihrem Vater das Gedächtnis geraubt hat, wird die Stadt von einem gewaltigen Erdbeben erschüttert. Fast zu spät wird Milla und Luca klar, dass nur der Bund aus Feuer und Wasser die Stadt am Bosporus retten kann. Ausgerechnet in der Stunde der höchsten Not wird ihre Liebe auf eine harte Probe gestellt, denn der gut aussehende Baumeister des Sultans scheint alles daranzusetzen, Millas Herz zu gewinnen...

Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche historische Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte wieder lebendig werden lässt. Mit 'Marlenes Geheimnis' widmet sie sich nun der Kriegs-und Nachkriegszeit um 1945. Auch Riebes Familie mütterlicherseits stammt aus Nordböhmen, wo sie wie viele Sudetendeutsche nach dem Ende des Dritten Reichs das Schicksal von Vertreibung und Flucht erlitt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

Erstes Kapitel

Milla stieß die Fensterläden auf und lehnte sich weit hinaus.

Der Ruf des Muezzins hatte sie geweckt; zuerst hatte sie ihm schläfrig gelauscht, später hellwach. Eine Welle aus Licht und Luft flutete herein, durchsetzt mit einer Vielzahl fremdartiger Aromen, die sie begierig einsog. Unter ihr ein Gewimmel schattiger Gassen,über ihr der Spätsommerhimmel, so indigoblau, als bestünde er aus allerfeinstem Muranoglas. Sie hörte die rostigen Schreie der Möwen, die sich um Fischabfälle stritten, vermischt mit den klagenden Lauten der Maulesel, die als Lasttiere dienten. Dazwischen erklangen Männerstimmen, fluchend oder sich etwas zuschreiend, und sie verstand die Stimmung, auch wenn sie nicht wusste, was die Worte bedeuteten.

Dieüberdachten Markthallen, in deren Nähe Nikos’ stattliches Haus lag, waren offenbar gerade dabei zu erwachen. Im Vorübergehen hatte sie schon gestern ein paar Blicke darauf werfen können, genug, um ihre Neugierde zu wecken.

Und noch etwas war erwacht: Die alte Angst, die Milla in den Tagen auf See immer wieder tapfer niedergekämpft hatte.

Doch seit die Galeere gestern Abend im Hafen von Konstantinopel angelangt war, hatte sie neue Nahrung erhalten, wie ein Feuer, das eine Weile unter einer Ascheschicht geglüht hatte, um beim ersten Windstoß erneut aufzuflammen. Nicht einmal Lucas Gegenwart konnte Milla davon heilen, deshalb behielt sie ihre Befürchtungen, alles könnte vielleicht trotz ihrer Anstrengungen doch noch ins Leere laufen, lieber für sich. Er war mitgekommen, um sie bei der Suche nach dem Feuerkopf zu unterstützen, ebenso wie seine Freunde Nikos, Alisar und Ganesh, die hier zu Hause waren.

Doch wie sollten sie Millas Vater Leandro Cessi in diesem Labyrinth ausfindig machen? Und was würde geschehen, wenn Milla ihm nach all den Jahren der Trennung tatsächlich wieder gegenüberstand?

Alles, was sie in Händen hielt, war sein Brief, der das Wasserzeichen des Sultans trug– die Tulpe, die sie hierLale nannten.

Bislang war es das einzige Wort in der fremden Sprache, das sie kannte.

Und dennoch war es Milla an diesem frühen Morgen, als rufe Konstantinopel sie geradezu. Die feinen Härchen auf ihren Unterarmen stellten sich auf, so deutlich meinte sie es zu hören.

»Ich bin da«, flüsterte sie.»Ich bin da!«

Die Stadt war alt und riesengroß, und sie steckte voller Geheimnisse, das spürte Milla bei jedem Atemzug. Wie ein lebendiges Wesen ergoss sie sich mit ihren Holzhäusernüber die Hügel, an manchen Stellen von massiven Gebäudekomplexen aus Stein unterbrochen: Moscheen, Kirchen, Markthallen und einer weitläufigen Palastanlage unweit des Wassers, die von hohen Mauern schützend umgeben war.

Sie drehte sich zu dem breiten Bett um, in dem ihre Mutter schlief.

Savinias blonder Zopf hatte sich beim nächtlichen Herumwälzen gelöst. Helle Wellen umschmeichelten ihr Gesicht mit der geraden Nase und den vollen Lippen und ließen sie fast mädchenhaft aussehen. Aber es gab auch die steile Falte zwischen den Brauen und den eingekerbten Fältchenkranz um die Augen, die von durchweinten Nächten, Resignation und altem Kummer zeugten. Venedig zu verlassen, um sich auf diese Suche mit ungewissem Ausgang zu begeben, war für sie, die jede Veränderung scheute, eine ungleich größere Herausforderung als für Milla.

Und dennoch hatte sie diesen mutigen Schritt gewagt.

Was allerdings noch lange nicht hieß, dass Mutter undTochter nicht mehr aneinandergerieten. In schwierigen Situationen konnten sie sich uneingeschränkt aufeinander verlassen, das hatten die aufregenden Ereignisse am Himmelfahrtstag bewiesen. Ging es jedoch um Unwichtigeres und alltägliche Lappalien, prallten ihre Dickköpfe immer noch rasch gegeneinander, und sie begannen nach wie vor zu streiten. Zu Hause hatte dann meist Ysa dafür gesorgt, dass in solchen Fällen genügend Luft zwischen ihnen war, doch Leandros einzige Schwester hatte sie nicht auf diese gefährliche Reise begleitet. Jetzt mussten Tochter und Mutter lernen, ohne ihre erprobte Schiedsrichterin auszukommen.

Und noch jemand fehlte– Marco!

Beim Gedanken an ihn hatte Milla das Gefühl, ein großer, kalter Stein läge in ihrer Brust.

Der Plan, ihn gemeinsam mit einer List aus den Klauen des Admirals zu befreien, war schon im Ansatz kläglich gescheitert. Der bösartige alte Habicht hatte seinen einstigen Vertrauten nicht wie von ihnen vermutet in diepozzi werfen lassen, jene feuchten Zellen unterhalb des Dogenpalasts, in denen auch Milla und Ysa eingekerkert gewesen waren. Stattdessen hatte er offenbar dafür gesorgt, dass Marco an einen anderen Ort geschafft wurde. Nicht einmal das neu geknüpfte Netz aus Wasser- und Feuerleuten war tragfähig genug gewesen, um dieses geheime Versteck aufzuspüren. Was sie auch unternommen hatten, in ganz Venedig war nicht herauszubekommen gewesen, wo Marco Bellino steckte. Schließlich hatten sie abwägen müssen, entweder ihre Suche nach ihm fortzusetzen, oder die Galeere nach Konstantinopel zu versäumen.

Nach endlosen Diskussionen, ebenso hitzig wie tränenreich, hatten sie sich für Letzteres entschieden, doch Milla war sich noch immer nicht sicher, ob es auch wirklich die richtige Wahl gewesen war. Immer wieder drängte sich ein Gedanke in ihren Kopf, so entsetzlich und bedrohlich, dass sie ihn jedes Mal gleich wieder wegschob.

Was, wenn Marco nicht mehr