: Brigitte Riebe
: Die Sünderin von Siena Roman
: Diana Verlag
: 9783641012731
: 1
: CHF 7.20
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 561
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB/PDF
Geliebt, verbannt, geächtet
Siena 1368: Auf der Flucht vor ihrem gewalttätigen Mann findet Gemma Schutz bei Lina, einer vermögenden Witwe, die ihr Leben den Waisen von Siena widmet. Beide Frauen kämpfen um ihre gesellschaftliche Anerkennung. Doch die rätselhaften Todesfälle zweier unschuldiger Kinder drohen ihnen zum Verhängnis zu werden ...

Als Gemma sich aus den Fängen ihres Mannes befreit, weiß sie, dass ihr ein Leben als ehrbare Frau für immer verwehrt sein wird. Scheidungen sind ein Sakrileg, und so bleibt ihr nur die Flucht. Wie ein Geschenk des Himmels erscheint ihr da die Begegnung mit Lina. Aufopferungsvoll kümmert sich die junge Witwe um die Waisen von Siena und bietet Gemma an, sie zu unterstützen. Doch dann sterben kurz hintereinander auf mysteriöse Weise zwei Kinder, die in Linas Obhut standen. Eine heimliche Obduktion ergibt lediglich, dass die Kinder ohne sichtbare Anwendung von Gewalt zu Tode kamen. Wer ist für die ungeheuerlichen Taten verantwortlich? Einflussreiche Stadtväter, die Lina aus unerfindlichen Gründen zum Schweigen bringen wollen? Gemmas Vater, der Salzhändler mit dunkler Vergangenheit? Ein Wahnsinniger, der nachts auf den Straßen sein Unwesen treibt? Schließlich gerät Gemma selbst in Verdacht, sie wird verhaftet, verhört und als Mörderin angeklagt. Nur ein mutiges Bekenntnis im allerletzten Augenblick könnte sie noch retten ...
Detailgenau recherchiert und brillant erzählt: ein opulenter Roman voller Spannung und Dramatik

Brigitte Riebe ist promovierte Historikerin und arbeitete zunächst als Verlagslektorin. Sie hat mit großem Erfolg zahlreiche historische Romane veröffentlicht, in denen sie die Geschichte der vergangenen Jahrhunderte wieder lebendig werden lässt. Mit 'Marlenes Geheimnis' widmet sie sich nun der Kriegs-und Nachkriegszeit um 1945. Auch Riebes Familie mütterlicherseits stammt aus Nordböhmen, wo sie wie viele Sudetendeutsche nach dem Ende des Dritten Reichs das Schicksal von Vertreibung und Flucht erlitt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann in München.

Zwei


Der feuchte Schwamm erwies sich schließlich als Rettung, und obwohl Matteo inzwischen bleierne Müdigkeit in den Armen spürte, setzte er ihn großzügig ein. Anstatt wie bei seinen bisherigen Fresken die Pigmente lasierend zu verwenden, hatte er erstmals buttrigen Kalk gewählt, was einen gut deckenden Auftrag erlaubte und gleichzeitig viele Lichter setzte. Durch die zusätzliche Nässe gelang es ihm nun, erstaunlich weich zusammenklingende Farben zu erzielen. Fast schien es, als wollten das Blau des Frauengewandes und das leuchtende Goldgelb des Männermantels ineinander verschmelzen – und doch war es bei genauerem Hinsehen eher eine Sinnestäuschung, falls die reichlich aufgestellten Wachsstöcke mit ihrem flackernden Licht nicht trogen.

Jedenfalls mochte er die beiden Gestalten, die da unter seinen Händen auf der sorgfältig vorpräparierten Wand entstanden: die zur Fülle neigende, mütterliche Anna, die von innen zu strahlen schien wie ein junges Mädchen, jetzt, da endlich ihr sehnlichster Wunsch sich erfüllte, ebenso wie Joachim, der sie in freudiger Aufregung umfing, kein Greis, wie in zahlreichen traditionellen Darstellungen, sondern ein kraftvoller, würdevoller Mann jenseits der Lebensmitte. Aber das war erst der Anfang, das prominente Mittelstück, das zunächst die Augen aller Betrachter auf sich ziehen würde, während Matteo für die versteckteren Ecken, die erst später an der Reihe waren, ganz andere Überraschungen parat hatte.

Er trat zurück, um sein Werk aus einiger Entfernung zu begutachten, und stieß dabei einen Fluch aus, denn die heruntergebrannte Kerze, die er sich auf den Kopf gebunden hatte, träufelte ihm heiße Wachstränen in die Augen. Ungeduldig riss Matteo sich die provisorische Konstruktion herunter und wäre dabei fast versehentlich auf Nevio getreten, der hinter ihm auf einem Lumpenbündel schnarchte. Der Junge hatte sich geweigert, nach Hause zu gehen, nachdem Matteo angekündigt hatte, die Osternacht durchzumalen, um die besondere Stimmung dieser Stunden einzufangen.

»Kein anständiger Lehrling verlässt seinen Meister«, hatte Nevio gemurmelt, die Lider schon schwer vor Müdigkeit. »Solange du bleibst, werde natürlich auch ich durchhalten.« Kurz danach war er allerdings wie ein gefällter Baum umgesunken und hatte sich seitdem nicht mehr gerührt.

Liebevoll betrachtete ihn Matteo. Von Tag zu Tag mochte er ihn mehr, diesen anhänglichen, aufgeweckten Kerl, der geschickte Hände hatte und vor allem so schön staunen konnte. Als er ihm erklärt hatte, dass die Begegnung von Anna und Joachim an der Goldenen Pforte als symbolische Zeugung der göttlichen Jungfrau betrachtet werde, röteten sich Nevios Wangen.

»Das lass aber besser meine Mutter nicht hören!«, hatte er gesagt, sichtlich verlegen. »Die glaubt nämlich ohnehin, dass du mich verderben wirst. Ständig liegt sie mir in den Ohren, ob bei dir nicht doch heimlich Frauen ein- und ausgehen. Dabei hab ich die ganze Zeit außer ihr noch kein anderes weibliches Wesen in deinem Haus gesehen.«

Das Rascheln von Stoff ließ Matteo aufhorchen.

»Wie schön!«, sagte eine weibliche Stimme, ihm so vertraut, dass er sich nicht umdrehen musste, um zu wissen, wer ihn da in der nächtlichen Kapelle unverhofft besuchen kam. »Die beiden sehen so innig aus. Und ich kann spüren, wie groß ihre Freude ist.«

»Nichts könnte bewegender sein, als gemeinsam die Ankunft eines Kindes zu erwarten«, sagte er. »Lass uns nur hoffen, dass Barna ähnlich denkt. Beim Auszahlen des Vorschusses war er noch äußerst zögerlich. Ginge es nach ihm, so müssten der Junge und ich bis zur Fertigstellung des Freskos von Luft und Wasser leben.«

» Der Rektor ist ein schwieriger Mann und ein sehr geiziger dazu«, sagte Celestina. War sie aufgeregt? Ihre Stimme klang höher als sonst. »Seitdem die gesamte Verwaltung von Santa Maria della Scala in seinen Händen liegt, ist er sogar noch knauseriger geworden. Doch seine Macht reicht weit. Und er hat einflussreiche Freunde, vergiss das nicht!«

Jetzt stand sie neben ihm, zu seiner Überraschung nicht wie gewohnt im schlichten Habit des Hospitals, sondern in einem Kleid aus schwerer weißer Seide, über dem sie eine ärmellosegiornea mit roten und weißen Rosen auf blassgelbem Grund trug. Ihr schwarzes Haar war in der Mitte gescheitelt und locker nach oben genommen, was den kräftigen Hals vorteilhaft streckte. Leider jedoch machten die ungewohnt hellen Farben ihr Gesicht fahl und ließen vor allem die Warzen umso auffälliger hervortreten. Celestina hatte sogar Rosenöl aufgelegt, das in weichen Wellen zu ihm flutete.

Nichts davon entging dem Maler, während er sie aufmerksam musterte, weder ihr zunächst erwartungsvoller Ausdruck noch die jähe Resignation, die diesem folgte, als er offenbar nicht die gewünschte Reaktion zeigte. Nicht um der Osternacht willen hatte sie sich so fein gemacht, das wurde Matteo bewusst, sondern einzig und allein seinetwegen.

»Wie könnte ich das jemals?«, antwortete er.

»Von diesem Auftrag hängt einiges für dich ab.« Celestinas Stimme war schärfer geworden. »Man beobachtet dich, hat dich nie wieder aus den Augen gelassen. Seit damals ...« Sie legte die Hand auf den Mund, deutete auf Nevio.

»Damals ist lange vorbei. Ich lebe – und du hast mich nicht verraten. Allein das zählt. Und was den Jungen betrifft: Wenn der einmal schläft, dann schläft er.«

Celestina trat zur Seite, dabei fiel ihr Blick auf den Packen Zeichnungen, die eigentlich nicht für ihre Augen bestimmt waren. Zu gern hätte er das vermieden. Doch jetzt war es zu

ERSTES BUCH10
Eins12
Zwei71
Drei123
ZWEITES BUCH178
Vier180
Fünf232
Sechs285
DRITTES BUCH342
Sieben344
Acht403
Neun454
Zehn501
Historisches Nachwort544
Dichtung und Wahrheit552
Danksagung560