: Melinda Mullet
: Ein Whisky auf den Tod Kriminalroman
: Aufbau Verlag
: 9783841227928
: Abigail Logan ermittelt
: 1
: CHF 7.90
:
: Historische Kriminalromane
: German
: 384
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

D e verschwundene Frau von Edinburgh.

Abi ail Logan, die Besitzerin einer preisgekrönten Destillerie, besucht ein Whisky-Seminar in Edinburgh. Dort freundet sie sich mit Amanda an, die ein Frauenhaus leitet. Als kurz darauf eine der Frauen tot aufgefunden wird, bittet Amanda Abigail um Hilfe. Dann verschwindet eine weitere Frau spurlos, und eine Lösegeldforderung erreicht das Frauenhaus. Während Abigail sich um die Tochter der Entführten kümmert, beginnt sie auf eigene Faust zu ermitteln - denn sie hat einen schrecklichen Verdacht ...

Ein atmosphärischer Krimi aus den Highlands mit einer ungewöhnlichen Heldin und viel schottischem Flair.



Melinda Mullet hat britische Eltern, wurde aber in den USA geboren. Sie hat mehrere Jahre als Juristin gearbeitet, sich in den USA und im Ausland um Kinderrechte gekümmert und ist viel gereist. Sie lebt in der näheren Umgebung von Washington D.C. mit ihren beiden Töchtern und ihrem Mann, einem Whisky-Sammler aus Leidenschaft. Im Aufbau Taschenbuch sind ebenfalls ihre Romane 'Whisky mit Mord', 'Whisky für den Mörder' und 'Whisky mit Schuss' lieferbar.

Kapitel 1


Es war ein Tag wie aus dem Bilderbuch, wie geschaffen für einen Spaziergang. Liam trottete glücklich neben mir die lange Einfahrt zu The Larches hinauf, dem Familienanwesen der MacEwans und Zuhause meines Geschäftspartners Grant MacEwan. Die Sonne strahlte hell, in Schottland in der ersten Märzwoche ein seltener und willkommener Anblick. Die struppigen Lärchen, die dem Haus seinen Namen gegeben hatten, warfen vor uns scharfe Schatten auf den Weg. Früher einmal hatte man aus dem Lärchenholz die Fässer hergestellt, in denen die Familie MacEwan ihren Whisky reifen ließ, doch heute bildeten die Bäume nur ein prächtiges Tor zu dem ziemlich in die Jahre gekommenen Haus im schottischen Baroniestil.

Als wir beinahe bei der Tür angekommen waren, legte Liam einen Sprint ein und rannte voraus, um unsere Freundin Louisa zu begrüßen, die Haushälterin und Köchin in The Larches. Der alte Feinschmecker hatte eine sehr klare Vorstellung davon, wo seine nächste Mahlzeit herkommen würde, und er wusste auch, dass sie jede Mühe wert war. Louisa stand auf den Stufen vor der Haustür, ihre langen braunen Locken oben auf dem Kopf zu einem losen Knoten zusammengefasst, eine knallgelbe Schütze vor Jeans und T-Shirt gebunden. Sie redete mit einem hoch aufgeschossenen Inder, der neben ihr stand und eine große Ledertasche umgehängt hatte.

Als ich näher kam, deutete Louisa lächelnd auf ihren Gesprächspartner.

»Abi, ich weiß nicht, ob du unseren neuen Doktor bereits kennengelernt hast. Er ist erst eine Woche hier, der Ärmste, und schon halten wir ihn mächtig auf Trab. Dr Arya, das ist Abigail Logan, unsere prominente Journalistin.«

Dr Arya wandte sich mir zu und begrüßte mich. Sein Händedruck war fest, und er musterte mich mit einem offenen, sehr aufmerksamen Blick. »Es ist mir ein Vergnügen«, sagte ich. Seit beinahe einem Jahr, als unsere letzte Ärztin ins Gefängnis gewandert war, hatten wir keinen im Städtchen ansässigen Arzt mehr, und alle waren wirklich begeistert, dass wir endlich einen ständigen Ersatz hatten.

»Wie geht es dem Patienten?«, erkundigte ich mich und deutete mit dem Kopf auf das Haus. Durch den Flur wehte aus dem Obergeschoss der Klang erhobener Stimmen, vom Knallen einer schweren Tür unterstrichen, zu uns heraus.

»So ein Heilungsprozess ist immer eine langwierige Sache«, sagte Dr Arya milde. »Mr MacEwan ist noch auf dem Weg.«

»Sie meinen, er ist ein miesepetriger alter Mistkerl«, übersetzte Louisa diese Aussage.

Dr Arya lächelte leise. »Zögern Sie nicht, mir eineSMS zu schicken, wenn Sie sich Sorgen machen«, sagte er und wandte sich zum Gehen. »Ansonsten komme ich in ein, zwei Tagen wieder nach ihm schauen.«

Wir sahen ihm hinterher, als er in sein Auto stieg, die Einfahrt hinunterfuhr und dabei eine kleine Staubwolke aufwirbelte.

»Mach, dass du reinkommst«, sagte Louisa mit Nachdruck. »Ich brauche jetzt unbedingt einen Kaffee.«

Ich folgte ihr nur zu gern ins Erdgeschoss und in die riesige Küche mit dem schönen Steinboden und nahm an dem großen, auf Hochglanz polierten Eichentisch Platz. Louisa schaltete die Kaffeemaschine an und kam mit einem Teller voller Buttergebäck mit Himbeermarmelade und einem großen Hundekauknochen herüber. Liam saß erwartungsvoll bei Fuß, bis er belohnt wurde, und zog sich dann auf den Kaminvorleger zurück, um an seiner Beute herumzunagen.

»Also, was ist mit dem Herrn und Meister los?«, fragte ich, sobald wir uns alle niedergelassen hatten. Ich war neugierig geworden. Sogar in einem so kleinen Ort wie diesem war ein ärztlicher Hausbesuch an einem Sonntagmorgen eher ungewöhnlich.

Louisa hielt mir den Keksteller hin und seufzte tief, ehe sie antwortete. »Die Lage ist wirklich gar nicht gut. Ich mache mir echt Sorgen. Weitere Komplikationen nach der Gehirnerschütterung. Mir war klar, dass was nicht stimmte, aber du kennst ihn ja. Er behält alles für sich, als dächte er, dass das vielleicht wie durch Zauber wieder verschwindet. Jedenfalls hat er endlich Dr Arya gebeichtet, dass er seit dem Unfall nichts mehr riechen oder richtig schmecken kann.«

Ich hielt mitten im Kauen inne. »Was hat der Arzt dazu gesagt?«

»Er hat uns erklärt, es käme durchaus vor, dass eine Gehirnerschütterung solche Nebenwirkungen hat. Und er meinte, das sollte sich mit der Zeit geben, aber wann das ist, könne er nicht sagen, genauso wenig könne er sicher sein, dass es wieder ganz in Ordnung kommen würde.«

Louisa stand auf, um uns Kaffee einzuschenken. Ich saß wie vom Donner gerührt da. Seinen Geruchs- und Geschmackssinn zu verlieren, das ist schon für einen normalen Menschen ziemlich schlimm, aber Grant ist das, was wir in unserem Geschäft »eine Nase« nennen. Bei Abbey Glen, der Destillerie, die uns gemeinsam gehört und die wir als Zweierteam führen, war er der Master Blender. Der Mann, der mit seinen ausgeprägten Sinnen das unendlich fein nuancierte Geschmacksprofil geschaffen und vervollkommnet hatte, das unseren Craft Whisky zu einem der gefragtesten in der Branche gemacht hat. Wenn er diese Sinne verlor oder sie auch nur ein wenig beeinträchtigt waren, wäre das für ihn eine berufliche Katastrophe. Ein Desaster, das seine Laufbahn beenden würde.

»Wann kann man denn Genaueres sagen?«, fragte ich, während ich noch versuchte, die Nachricht zu verdauen.

»Der Doktor hat gemeint, Grant müsse geduldig sein.«

Louisa und ich verdrehten einmütig die Augen. »Daher also das Türenknallen«, sagte ich. »Ist Brenna bei ihm?«

»Ja, die großartige Ms B. kriegt im Augenblick das meiste ab. Ich gönne es ihr von ganzem Herzen.«

Ich trank hastig einen Schluck von meinem Kaffee und verbrannte mir dabei die Zunge. Meine Beziehung zu Grant war von Anfang an kompliziert gewesen. Der frühe Tod meines Onkels Ben, der mir seine vor Ort als The Glen bekannte Single Malt Destillerie vererbt hatte, war der Anlass für unsere erste Begegnung gewesen. Damals hatte ich mit aller Macht gegen eine heftige und tiefe Anziehung angekämpft, die dieser Schotte mit den sandfarbenen Haaren und den gefährlich grünen Augen auf mich ausübte. Ich wusste, dass es ein schwerer Fehler wäre, mich mit einem Geschäftspartner einzulassen. Es würde nicht nur mein in diesem idyllischen Fleckchen Erde neu gefundenes Gefühl von Frieden und Sicherheit gefährden, es würde auch meine Glaubwürdigkeit in der ohnehin frauenfeindlichen und speziell mir nicht gerade freundlich gesonnenen Branche untergraben. Dann wäre ich in den Augen der anderen Brenner nichts als »Grants Kleine«.

Die logische Antwort war, Abstand zu halten, und ich war mir sicher, dass ich das im Griff hatte, insbesondere nachdem Grants alte Flamme Brenna Quinn vor sechs Wochen bei den Golden Quaich Awards aufgetaucht war, und zwar mit der Absicht, ihre frühere Beziehung wieder aufzuwärmen. Solange Brenna da war, war Grant vom Markt, und ich würde nicht in Versuchung kommen. Problem gelöst. Das dachte ich zumindest, bis dann jemand einen Anschlag auf Grant verübte und der eine schwere Kopfverletzung davontrug und in kritischem Zustand ins Krankenhaus gebracht wurde.

Angesichts der Möglichkeit, ihn zu verlieren, wurde mir plötzlich klar, dass ich ihn weit lieber mochte, als ich es mir bis dahin hatte eingestehen wollen. Schade, dass ich das nicht rausgefunden hatte, ehe Brenna auf der Bühne erschien und ihre Ansprüche anmeldete, aber Timing war noch nie meine Stärke.

Nachdem Grant aus dem Krankenhaus entlassen worden war, hatten wir alle den Eindruck, dass er sich nur allmählich, aber letztlich doch vollständig von seiner Gehirnerschütterung erholen würde. Die Ärzte empfahlen mindestens zwei Monate absolute Ruhe, und zum allgemeinen großen Ärgernis bestand Brenna darauf, sich in der Destillerie ihrer Familie in Wales Urlaub zu nehmen und hier genau zu überwachen, dass Grant machte, was man ihm gesagt hatte. Und da waren wir also alle miteinander sechs Wochen später: ein schlecht gelaunter Patient, eine ständig überall im Weg herumstehende Freundin und ich, die ich mir größte Mühe gab, mich halbwegs wieder in einem Leben als Zuschauerin zurechtzufinden.

Ich merkte, dass Louisa mich sehr genau musterte. »Gehst du zu ihm rauf?«, fragte sie.

»Ich hatte es...