: Ferdinand Schmalz
: Mein Lieblingstier heißt Winter Roman
: S. Fischer Verlag GmbH
: 9783104909202
: 1
: CHF 13.00
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 192
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Debütroman des Bachmann-Preisträgers Ferdinand Schmalz - nominiert für den Deutschen Buchpreis 2021 und den Österreichischen Buchpreis 2021 Der Wiener Tiefkühlkostvertreter Franz Schlicht soll einem makabren Wunsch nachkommen. Sein Kunde Doktor Schauer ist fest entschlossen, sich zum Sterben in eine Tiefkühltruhe zu legen. Er beauftragt Franz Schlicht, den gefrorenen Körper auf eine Lichtung zu verfrachten. Zum vereinbarten Zeitpunkt ist die Tiefkühltruhe jedoch leer, und Schlicht begibt sich auf eine höchst ungewöhnliche Suche nach der gefrorenen Leiche. Dabei begegnet er der Tatortreinigerin Schimmelteufel, einem Ingenieur, der sich selbst eingemauert hat, und einem Ministerialrat, der Nazi-Weihnachtsschmuck sammelt. Ferdinand Schmalz nimmt uns in »Mein Lieblingstier heißt Winter« mit auf eine abgründige Tour quer durch die österreichische Gesellschaft, skurril, intelligent und mit großem Sprachwitz.

Ferdinand Schmalz, geboren 1985 in Graz, aufgewachsen in Admont in der Obersteiermark, erhielt gleich mit seinem ersten Theaterstück »am beispiel der butter« 2013 den Retzhofer Dramapreis und wurde zum Nachwuchsdramatiker des Jahres gewählt. Sein Stück »jedermann (stirbt)« wurde am Burgtheater uraufgeführt und mit dem Nestroy-Theaterpreis ausgezeichnet. 2017 nahm er an den Tagen der deutschsprachigen Literatur teil und gewann mit einem Auszug aus »Mein Lieblingstier heißt Winter« den Ingeborg-Bachmann-Preis. 2021 erschien sein gleichnamiger Debütroman, der auf der Longlist des Deutschen Buchpreises sowie auf der Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2021 stand. Ferdinand Schmalz lebt in Wien. Auszeichnungen:  2020 Peter-Rosegger-Literaturpreis 2018 Nestroy-Theaterpreis in der Kategorie Bestes Stück für jedermann (stirbt) 2018 Ludwig-Mülheims-Theaterpreis 2017 Ingeborg-Bachmann-Preisträger mit dem Text MEIN LIEBLINGSTIER HEISST WINTER2017 Kasseler Förderpreis Komische Literatur 2014/2016/2017 Nominiert für den Mülheimer Dramatikpreis2015 Eröffnung der Autorentheatertage am Deutschen Theater in Berlin in einer Inszenierung des Wiener Burgtheaters mit DOSENFLEISCH 2014 Dramatik Stipendium der Stadt Wien 2014 Nachwuchsdramatiker in der Kritikerumfrage des Jahrbuchs von 'Theater heute' 2013 2. Platz beim MDR-Literaturpreis für die Kurzprosa SCHLAMMLAND.GEWALT 2013 Retzhofer Dramapreis für AM BEISPIEL DER BUTTER

Die Schimmelteufel


Wie ausgestorben liegt er da, der Ort. Dort zwischen Buschwerk und Gestrüpp, wo auch das Gras schon meterhoch verdorrt, streckt ein Triceratops den dreibehornten Kopf empor. Das Nackenschild da in die Schultern reingepresst, das Maul zum Schrei weit aufgerissen. Doch nichts zu hören. Kein urzeitlicher Klang, der Mark und Bein zum Beben bringen würd. So harrt es still, das Ungetüm, vielleicht weil dort unter den Bäumen, hinter ihm im Schatten, schon der Fressfeind lauert. Zwischen Baumstämmen ist schon der dichtbezahnte Kiefer eines Tyrannosaurus zu entdecken. Die kleinen Händchen dicht am Leib. Den Killerblick da auf die Beute schon gerichtet, lauert er, wartet auf den Augenblick, in dem die messerscharfen Zähne er ins Fleisch des Vogelbeckensauriers dann schlagen könnt. Gräulich liegt ein Duft jetzt von Versengtem in der Luft, als wäre ein Vulkan hier in der Nähe ausgebrochen oder so ein Himmelskörper brennend da vom Himmel rausgestürzt, um sich dann in die Erde reinzugraben. Fast unscheinbar dieser Geruch, der doch erzählt vom Untergehen ganzer Welten. Ein Stückchen weiter, da am Wasserloch, ein umgekippter Stegosaurus. Die Rückenschilder teils da in den Schlamm hineingerammt, teils schon von dichtem Schimmel überzogen, weshalb auch Harald drum der Echse auf dem Bauch draufsteht, mit einem Schrubber ausgestattet. Und sich von Norbert diesen Eimer mit den Chemikalien jetzt reichen lässt, mit denen sie den Mikroorganismen auf den Makroechsen nun zu Leibe rücken wollen. Und schrubbend spricht’s aus Harald jetzt heraus, dass bei der allgemeinen Unordnung, die heutzutage herrscht, dass bei dem Chaos, das zu einem rüberschwappt, hat man den Fernseher erst mal eingeschalten, oder es, das Endgerät, dass man sich doch dann fragen muss, also dass er sich fragt: »Wo führt das alles hin?« Er sitze so zu Haus, bei sich zu Haus in seiner Wohnung drin, da auf dem Fernsehsessel, den er zwecks tieferer Entspannung sich gekauft, sitze drin im Fernsehsessel und starre tiefer rein, da in den Fernseher hinein, doch die Entspannung wolle sich beim besten Willen nicht einstellen. Ganz unrelaxt sitze er, der Harald, dann und denke da in sich, dass das doch alles lang schon nicht normal mehr sei. Und frage sich, ob das nur ihm auffalle, dass es nicht mehr normal zugehe in der Welt. Woraufhin Norbert, der am Schwanz des vorzeitlichen Riesen nun den Schrubber angesetzt, einwirft, dass ihm das alles auch ganz abnormal erscheine. Da sei er nicht allein, der Harald, sagt der Norbert jetzt. Und fühle sich derart angespannt, da im Entspannungssessel drin, fühle er, der Harald, sich nicht ganz bei sich. Das falle ihm dann auf in dem Moment, dass er nicht ganz bei sich, obwohl er doch in seiner Wohnung drin, in seinem Sessel, da in seinem Körper drinnen sitze, denkt er. Und trotzdem nicht bei sich. Und bilde sich so eine dünne Schweißschicht, da zwischen ihm und diesem Kunstleder, das seinen Fernsehsessel überziehe. Dass er ganz unmerklich zu schwitzen dann beginne, wenn dieses Chaos sich vom Fernseher heraus ergieße da auf ihn. Doch Norbert, der noch immer nicht versteht, will nun schon wieder mit der Hitzewelle anfangen und wie grad alle schweißgebadet seien. Dass das kein Zustand mehr da in der U-Bahn drinnen sei, wo all die sitzen wieder, die von einem Deodorant nichts wissen wollen. Aber Harald schneidet scharf ihm rein, dem Norbert, ins belanglose Gerede, weil gerade von größeren Zusammenhängen doch die Rede war. Und dass, seit er sich das klimatische Gerät gekauft, fast arktische Bedingungen da drin bei ihm in seiner Wohnung herrschen. Dass das, was da aus seinen Poren trete, was ihn ganz unmerklich von dem Entspannungssessel trenne, dass das was anderes sei. »Norbert, das ist was Allgemeines.« Und dass er angefangen habe, darauf zu achten, auf diese Anfälle von Abwesenheit zu achten. Dass es ihm aber nicht nur bei sich selbst auffalle. Dass er auch immer wieder andere beobachte, die nicht bei sich sind ganz. Und dass auch da inGittis Eck, wo er, wenn es ihm dann zu unentspannt in seiner Wohnung wird, sich an die Bar hinstelle, dass unter Gittis Stammgästen er verdeckt, doch zielgerichtet Umfragen gestartet hätt, die untrüglich ihm zeigen würden, dass dieses Gefühl nicht ganz bei sich zu sein, dass das was Größeres sei. Und glaubt auch Norbert verstanden jetzt zu haben, worum es Harald grade geht, und nickt ihm zu und spricht ihm nach: »Das ist was Größeres.« Woraufhin Harald jetzt den Eimer nimmt und aus ihm raus den Schwall Putzwasser auf dem Echsenbauch verschüttet jetzt