: David Baldacci
: Das Versprechen Roman
: Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG
: 9783838717135
: 1
: CHF 6.40
:
: Gegenwartsliteratur (ab 1945)
: German
: 366
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB

Ein Roman mit einem großen Herz und viel Gefühl

Amerika 1940: Ein einziger schrecklicher Moment ändert das Leben der zwölfjährigen Lou von Grund auf. Bei einem Autounfall kommt ihr Vater ums Leben, und ihre Mutter fällt ins Koma. Die einzige Verwandte, die sich um Lou und ihren kleinen Bruder Oz kümmern kann, ist ihre Urgroßmutter Louisa Mae, die auf einer Farm in Virginia wohnt. Doch das Leben in den Bergen ist hart, und die Kinder müssen schwer mitarbeiten. Nur allmählich erschließt sich ihnen die Schönheit der Welt, die sie umgibt. Erst als eine Bergbaugesellschaft die Hände nach dem Besitz ausstreckt, wird Lou klar, wie viel ihr das Land, das ihr Vater so liebte, bedeutet, und dass es sich dafür zu kämpfen lohnt ...

Mit 'Das Versprechen' hat Bestsellerautor David Baldacci einen fesselnden Roman geschrieben, der den Leser in das ländliche Amerika der 40er Jahre versetzt.

KAPITEL 1

Die Luft war feucht; dichte graue Wolkenbänke waren aufgezogen und kündeten von bald einsetzendem Regen, und der strahlend blaue Himmel war rasch verblasst. Der 1936er Lincoln Zephyr, eine viertürige Limousine, bewegte sich träge, ohne besondere Eileüber die kurvenreiche Straße. Der appetitliche Duft von frisch gebackenem Brot und Hähnchen, von Pfirsich- und Zimtkuchen stieg aus dem Picknickkorb auf, der verlockend zwischen den beiden Kindern auf der Rückbank platziert war, und erfüllte das Wageninnere.

Die zwölfjährige Louisa Mae Cardinal – von ihrer Familie kurz»Lou« genannt – war groß und schlank für ihr Alter; ihr Haar hatte die Farbe von sonnengebleichtem Stroh, und ihre Augen waren strahlend blau. Sie war ein hübsches Mädchen, von dem man zuversichtlich annehmen durfte, dass es zu einer sehr schönen Frau heranwachsen würde. Doch Lou würde sich strikt weigern, Teepartys auszurichten oder sich einen Zopf zu flechten oder Rüschenkleider zu tragen – und würde sich durchsetzen. Das war Teil ihres Wesens.

Ein Notizblock lag auf Lous Schoß, und emsig wie ein Fischer sein Netz füllte sie die leeren Seiten, indem sie alles niederschrieb, was ihr bedeutsam erschien. Ihrem eifrigen, ja begeisterten Gesichtsausdruck nach zu schließen, schien das Mädchen mit jedem Wort, jedem Satz einen fetten Fang einzuholen. Lou war hoffnungslos dem Schreibteufel verfallen – ein Wesenszug, der keineswegs einer kindlichen Laune entsprang, sondern den sie vom Vater hatte, der die Lust am Schreiben noch ungleich stärker verspürte.

Auf der anderen Seite des Picknickkorbes saß Lous Bruder Oz. Der Name war eine Kurzform seines Taufnamens Oscar. Er war erst sieben und zierlich für sein Alter, obgleich seine großen Füße hoffen ließen, dass aus ihm mal ein stattlicher Mann werden mochte. Doch er besaß weder die schlanken Gliedmaßen noch die körperliche Anmut seinerälteren Schwester noch deren natürliche Zuversicht, die so klar und funkelnd in ihren Augen zu lesen war. Stattdessen hielt Oz seinen abgewetzten Plüschteddy im unentrinnbaren Griff eines Catchers an sich gedrückt,ängstlich beinahe und Halt suchend, was ihm eine Ausstrahlung verlieh, die andere Menschen auf Anhieb für ihn einnahm. Wer Oz Cardinal kennen lernte, gelangte unausweichlich zu derÜberzeugung, dass er ein kleiner Junge mit großem Herzen war – so groß undüberströmend, wie Gott es nur den schwachen und verletzlichen Seelen gab.

Gedankenverloren saß Jack Cardinal hinter dem Steuer. Das drohende Unwetter nahm er nicht zur Kenntnis; nicht einmal der Insassen des Wagens schien er sich gewahr zu sein. Seine schlanken Finger trommelten auf dem Lenkrad. Die Fingerkuppen hatten mit den Jahren, in denen sie monoton auf Schreibmaschinentasten eingehämmert hatten, Schwielen bekommen. Deutlich sichtbar war auch eine kleine Einkerbung am rechten Mittelfinger, an dem sichüber die Jahre hinweg ungezählte Bleistifte beharrlich ihr Bett geschaffen hatten. Ein Stigma, wie Jack oft spöttisch bemerkte.

Wie viele Schriftsteller bevorzugte auch Jacküberschaubare»Bühnen«, dicht bevölkert von Figuren voller Fehler und Schwächen – Figuren, die sich von Seite zu Seite weiterentwickelten und für den Leser greifbarer und vertrauter wurden, als es die eigene Familie augenblicklich für Jack war. So mancher Leser mochte zu Tränen gerührt sein, sobald eine lieb gewordene Romanfigur durch die Feder des Autors sterben musste, doch selbst die Schönheit und Ausdruckskraft der Sprache Jack Cardinalsüberdeckte niemals den Ernst seiner Geschichten, denn die Themen, die darin steckten, waren von machtvoller Größe. Doch dann gab es hier und da wieder eine besonders gut formulierte Zeile, die einen zum Lächeln, mitunter sogar zum lauten Lachen brachte; denn eine Prise Humor war in der Regel das wirksamste Mittel, einen schmerzlichen Sachverhalt möglichst schonend zu vermitteln.

Jack Cardinals schriftstellerische Begabung hatte ihm viel Lob von Seiten der Kritiker, aber wenig Geld eingebracht. Nicht einmal der Lincoln Zephyr gehörte ihm; der Luxus eines eigenen Automobils, ob der Wagen nun schmuck oder schlicht war, schien für Jack auf immer unerreichbar zu sein. Der Lincoln war für den heutigen Picknick-Ausflug lediglich von einem Freund und Bewunderer Jacks ausgeliehen. Und die Frau auf dem Beifahrersitz hatte ihren Mann bestimmt nicht seines Geldes wegen geheiratet.

Amanda Cardinal trug die besondere Eigenart ihres Gatten gewöhnlich mit Fassung. Auch diesmal ließ ihre Miene eine Art gutherzige Resignation erkennen: Sie hatte sich damit abgefunden, dass Jacks Gedanken wieder einmal durch die Welten seiner Fantasie schweiften – Welten, die ihm stets die Flucht vor den unangenehmen Dingen des Lebens ermöglichten. Später dann, wenn die Decke auf dem Rasen ausgebreitet und das Picknick angerichtet war und die Kinder spielen wollten, würde Amanda ihren Mann behutsam aus seinem literarischen Universum zurück auf die Erde holen müssen.

Doch ausgerechnet heute wurde sie von einer tiefen Unruhe erfasst, während sie Meile um Meile dahinfuhren. Sie brauchten diesen gemeinsamen Ausflug dringend, nicht allein wegen der frischen Luft und der Ruhe und des guten Essens in freier Natur. Dieser au