: Cay Rademacher
: Schweigendes Les Baux Ein Provence-Krimi mit Capitaine Roger Blanc
: DuMont Buchverlag
: 9783832170837
: Capitaine Roger Blanc ermittelt
: 1
: CHF 8.70
:
: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 416
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Blühende Mandelbäume und düstere Verbrechen - der achte Fall für Capitaine Roger Blanc Februar in der Provence: Es wird langsam Frühling, die Mandelbäume blühen - und Capitaine Roger Blanc wird nach Les Baux gerufen. In einem düsteren Tal unterhalb der berühmten Burgruine liegen die Carrières de Lumières, ein aufgegebener Steinbruch, in dem nun Kunstausstellungen gezeigt werden. Während eines Besuchs wurde ein Mann ausgeraubt und brutal ermordet. Wie sich zeigt, war das Opfer, Patrick Ripert, Privatdetektiv. Der wohlhabende Besitzer eines Mandelhofs in der Nähe hatte ihn erst wenige Tage zuvor engagiert, weil ein Bild aus seiner umfangreichen Sammlung gestohlen worden war. Wie hängen die beiden Fälle miteinander zusammen? Blanc findet heraus, dass Ripert heimlich noch ganz andere Nachforschungen angestellt hat, und stößt auf ein grausames Verbrechen: Vor sieben Jahren wurde eine ganze Familie ausgelöscht, es war eines der blutigsten Dramen der französischen Kriminalgeschichte. Der Mörder ist damals in der Provence untergetaucht - und nie wieder hat jemand eine Spur von ihm gefunden. Bis jetzt. Als ein weiterer Mord geschieht, wird klar, dass Blanc dem Täter sehr nahe gekommen sein muss ... Mord in der Provence - Capitaine Roger Blanc ermittelt: Band 1: Mörderischer Mistral Band 2: Tödliche Camargue Band 3: Brennender Midi Band 4: Gefährliche Côte Bleue Band 5: Dunkles Arles Band 6: Verhängnisvolles Calès Band 7: Verlorenes Vernègues Band 8: Schweigendes Les Baux Band 9: Geheimnisvolle Garrigue Band 10: Stille Sainte-Victoire Alle Bände sind eigenständige Fälle und können unabhängig voneinander gelesen werden.

CAY RADEMACHER, geboren 1965, schreibt in mehrere Sprachen übersetzte Kriminalromane, etwa die>Trümmermörder<-Trilogie aus dem Hamburg der Nachkriegszeit oder die Provence-Serie um Capitaine Roger Blanc. Außerdem erschienen>Ein letzter Sommer in Méjean< (2019),>Stille Nacht in der Provence< (2020) und>Die Passage nach Maskat< (2022) sowie das historische Sachbuch>Drei Tage im September< (2023). Cay Rademacher lebt mit seiner Familie bei Salon-de-Provence.

Der Fluss in die Unterwelt

Die Luft über dem Tunnel du Rove war so klar, als würde kein Mensch mehr auf der Erde leben. Die Morgensonne leuchtete weich auf die nahen Dächer von Marignane, verwandelte das stille Wasser des Étang de Bolmon am Horizont in flüssiges Gold; ein schmeichlerisches Licht, drei Monate entfernt vom gnadenlos grellen Leuchten, mit dem sie im Sommer die Provence ausdörren würde. Ein Graureiher segelte lautlos dicht über das Wasser, seine Federn hatten die Farbe von Asche. Winzige Wellenlinien riffelten den flaschengrün schimmernden Kanal, vielleicht von einem unmerklichen Wind modelliert, wahrscheinlicher jedoch von einer verborgenen Strömung – einer Strömung, die es gar nicht geben dürfte, dachte Capitaine Roger Blanc, weil sie gegen alle Naturgesetze zu verstoßen schien.

Er stand am Ufer eines Kanals, der mitten in der Stadt Marignane aus einem steilen Berg trat und in gerader Linie bis zum Étang de Bolmon führte, einem flachen See, den nur ein schmaler Damm vom viel größeren Étang de Berre trennte. Doch das Wasser zu Blancs Füßen strömte nicht etwa vom Berg fort Richtung Horizont, so wie ein Fluss, der einem Hügel entspringt – sondern es strömte auf den Berg zu und verschwand dort in einem riesigen finsteren Tunnel. Auf Blanc wirkte das, als würde das Wasser vom Schlund der Unterwelt angesaugt.

Ausgerechnet hier war wenige Stunden zuvor eine junge Frau spurlos verschwunden.

Beinahe spurlos.

Der Tag hatte schon schlecht begonnen: Sonntag, 15. März, Kommunalwahlen in Frankreich, alle Gendarmen waren wie immer mobilisiert worden, um die Wahllokale zu schützen. Nur dass diesmal nichts wie immer war. Die Seuche beherrschte das Land, Covid-19, in den Krankenhäusern erstickten die Patienten. Die Kinder durften ab morgen nicht mehr zur Schule gehen, damit sich die Pandemie nicht noch rascher ausbreitete. Blanc hatte Gerüchte gehört, dass der Präsident die Nation in den Ausnahmezustand versetzen würde, und wer wusste schon, was dann geschah? Vielleicht würde es ihnen allen so ergehen wie seinem Kollegen Lieutenant Marius Tonon, denn der steckte schon seit beinahe zwei Wochen in häuslicher Quarantäne. Er hatte sich vielleicht schon im Februar angesteckt, vielleicht auch nicht, niemand wusste das so genau, denn es gab zu wenige Tests. So wie es auch nicht genügend Alkohollösung gab, um sich die Hände zu desinfizieren. So wie es auch nicht genügend Masken gab, für niemanden.

Blanc hatte den Morgen über in Caillouteaux Dienst geschoben, wo man das Wahllokal in der Kantine der Grundschule eingerichtet hatte. Für die Wahlhelfer hatte es irgendwie doch noch Masken und Desinfektionslösung gegeben, nicht jedoch für die Flics vor dem Gebäude. Zum Glück war die Ansteckungsgefahr nicht sonderlich groß gewesen, denn die meisten Bürger waren aus Angst vor dem Virus erst gar nicht erschienen.

Kurz vor Mittag hatte es plötzlich Alarm in der Gendarmerie-Station von Gadet gegeben: Eine junge Frau namens Laetitia Fabre wurde seit dem frühen Morgen vermisst. Für Blanc war es, trotz dieser beunruhigenden Meldung, eine Erleichterung gewesen, als ihn sein Chef Commandant Nkoulou von dem langweiligen Job am Wahllokal abzog und ihn mit den Ermittlungen betraute.

Laetitia Fabre hatte mit ihrem Mountainbike eine Runde durch die Region gedreht, ihr war die Seuche offenbar egal gewesen, doch sie war bislang nicht zurückgekehrt. Eine zweiundzwanzigjährige Studentin an der Kedge Business School in Marseille; ihr Freund hatte den Beamten ein Foto der jungen Frau geschickt. Blanc hatte das Bild lange auf dem Handy betrachtet. Laetitia Fabre war mittelgroß, schlank, sie hatte braune lange Haare, trug eine dünne Brille – der Typ Frau, bei dem erst auf den zweiten Blick auffiel, wie hübsch sie war. Laetitia wohnte zusammen mit ihrem jüngeren Bruder noch bei der verwitweten Mutter in Pélissanne. Es waren aber weder Mutter noch Bruder, die sie vermisst gemeldet hatten – das hatte Yves-Laurent Sylvain getan, der klügste und ehrgeizigste der jungen Brigadiers, die auf der Station von Gadet Dienst taten. Denn Sylvain war der Freund der Vermissten.

Sylvain hatte sich bei Nkoulou gemeldet. Laetitia Fabre, so sagte er, hätte spätestens um zehn Uhr von ihrer Tour zurück sein müssen. Sie hatte die Nacht bei ihrer Mutter verbracht, er in der Wohnung seiner Eltern. Sie hatte sich auf der Gendarmerie-Station von Gadet melden wollen, um gemeinsam mit ihrem Freund wählen zu gehen. Jetzt war es zwölf Uhr, Laetitia Fabre war weder in Gadet noch bei ihren Eltern aufgetaucht, und wenn Sylvain sie auf dem Ha