: Horst Stern
: Mann aus Apulien Die privaten Papiere des italienischen Staufers Friedrich II., römisch-deutscher Kaiser, König von Sizilien und Jerusalem, Erster nach Gott, über die wahre Natur der Menschen und der Tiere, geschrieben 1245 - 1250
: Rowohlt Verlag Gmbh
: 9783644311213
: 1
: CHF 10.00
:
: Historische Romane und Erzählungen
: German
: 448
: Wasserzeichen
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Der Klassiker über den Stauferkaiser Friedrich II. Im 13. Jahrhundert herrscht ein fortschrittlicher Mann von Apulien aus über das christliche Abendland: der römisch-deutsche Kaiser Friedrich II. ist ein Wegbereiter der Renaissance. Mit seinen Ansichten ist er seiner Zeit um Epochen voraus. Der bedeutende Gelehrte und Dichter kämpft mit vier Päpsten um die Vorherrschaft in Europa. Und auch in seinem Privatleben geht er ungewöhnliche Wege.

Horst Stern, geboren am 24.10.1922 in Stettin, ist ein mehrfach ausgezeichneter Journalist. Nach Anstellung bei Zeitung und Fernsehen gab er jahrelang die Umweltzeitschrift «Natur» heraus. 1986 erschien seine Romanbiographie «Mann aus Apulien» und wurde auf Anhieb zum Kritiker- und Publikumserfolg.

Post coitum


In jenen Jahren widerte meine platte Neugier mich manchmal an, doch war sie legitim; in den Denkgebäuden der Naturphilosophen steckt so mancher lockere Stein. Das praktische Mittel des Experiments als Prüfstein hochfliegender Gedanken gilt ihnen noch immer wenig. Da ich aber die Denkkraft nicht hatte, die solchen geistigen Hochmut hätte rechtfertigen können, vertraute ich zuvörderst meinen Sinnen. Dabei ist es geblieben. Es ist eines denkenden Menschen unwürdig, eines Tages aus dieser Welt zu gehen mit wenig mehr im Kopf als nachgebeteten Sachen, seien sie nun religiöser oder wissenschaftlicher Natur. Es ist überdies wichtig für Menschen, die ihrer hohen Geburt oder einer herausragenden Begabung wegen ihresgleichen so häufig nicht haben, sich im nahen Umgang mit der Natur das Maß zu holen, das ihnen ihre Besonderheit relativiert. Mir diente dazu früher die Absonderung vom Hof in den Schatten eines einzelstehenden Ölbaums auf der seewärtigen Flanke eines Hügels im Vorland der Murge, die ein mittelhoher Gebirgszug ist in Richtung auf Tarent, dem Adriatischen Meer parallel. Ich ging oft, wenn ich in Apulien war (und das hieß häufig: in Andria, wo ich Isabella Brienne begrub und auch ihre Nachfolgerin im Ehebett, Isabella Plantagenet), zu Fuß landeinwärts, auf diesen Hügel zu. Heute entsteht auf ihm das Oktogon, das die Landleute Castel del Monte nennen. Auf solchen Gängen, in der Anonymität eines alten grünen Jagdumhangs, machte ich bald die Erfahrung, daß der Herrscher für die Menschen auf den Straßen kein persönliches Gesicht hat. Wird es ihnen ohne die üblichen Herrschaftszeichen dargeboten, erkennen sie es nicht. Sie erkannten es nicht einmal dann, wenn ich ihnen, eingedenk meines Porträts auf den goldenen Augustalen, im beschämend absichtsvollen Drehen des Gesichts das bekannte Profil bot.

Die verletzende Erkenntnis, daß immer nur der Goldgrund der Macht den Herrscher macht, provoziert in den nach Herrschaft Süchtigen die brutale Anwendung der Macht, wodurch diese zur privaten schmerzstillenden Droge wird, die nichts und niemanden heilt, vielmehr durch Mißbrauch Glieder und Kopf eines jeden Gemeinwesens schließlich zerstört. Die unsichere Grausamkeit des Abbasidenkalifs Harun ar-Raschid, mit der er sich ja nicht nur der Barmakiden entledigte, hatte ihren tiefsten Grund, davon bin ich durch Selbstprüfung überzeugt, in seinen von der historischen Anekdote so mißverstandenen anonymen Nachtzügen durch seine Hauptstadt Bagdad. Was als noble Bemühung begann, Recht zu sprechen nach Menschenkenntnis und Augenschein, endete in der Blutjustiz eines Richters, der zu sensibel war, um nicht bei Abwesenheit der äußeren Zeichen seiner Macht, Sternenmantel und Beil, seine Bedeutungslosigkeit, sein Ameisendasein unter Ameisen tief verletzt zu bemerken:Ihr kennt mich nicht? Ihr sollt mich kennenlernen!

Das von den Großen der Welt zur Schau getragene menschliche Gesicht ist die Maske vor der intellektuellen Eitelkeit, die, wenn die Sonne des Beifalls sie nicht wärmt, zur Aggression neigt. Das hat sie mit der – freilich ganz unschuldigen – Natur der Schlange gemein. Einer Viper am Mittag zu begegnen ist ungefährlich; jedes noch weit entfernte Schrittbeben vertreibt sie schon. Ihr aber am frühen Morgen auch nur versehentlich nahe zu kommen, wenn sie den noch nachtklammen und darum seiner selbst nicht sicheren Leib auf einem von der Sonne beschienenen Stein geschmeidig werden läßt, kann den Tod bedeuten.

Solche Gedanken trug ich damals in die Berge hinauf. Es ging oft Wind dort oben. Die Hitze de