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Piper
»Du machst jetzt echt Nägel mit Köpfen.« Ich mustere meinen Kumpel über den Tisch hinweg. Simon wirkt verändert, nicht mehr so nervös und fahrig wie in dem Moment, als er mir seine Gefühle gestanden hat. Ein Lächeln huscht über seine Mundwinkel, als er den Blick hebt und mich anschaut. Seine Hand liegt auf den Prospekten, über denen wir die letzten Minuten die Köpfe zusammengesteckt haben. Er hat mir gezeigt, welche Ecken er bereisen will und welche Route er gewählt hat.
»Ich ziehe das jetzt durch«, bestätigt er.
»Wann geht es los?«, will ich wissen.
»Mein Flieger startet um halb sechs.«
Ich nicke stumm. Ich freue mich für ihn, ehrlich. Er hat letzten Monat gekündigt und sich für ein Jahr von allen Verpflichtungen im Familienbetrieb freistellen lassen, um die Welt zu bereisen. Die vergangenen Wochen hatte er viel Papierkram zu erledigen, musste allerhand Impfungen auffrischen lassen und hat versucht, die nötigsten sprachlichen Barrieren aus dem Weg zu räumen, die auf ihn zukommen werden. Was nach diesem Jahr passieren wird und ob er in seinen alten Job zurückkehrt, bleibt fraglich. Ich bin sicher, der Tapetenwechsel kann ihm nur guttun. Er wird neue Erfahrungen sammeln, andere Menschen und Kulturen kennenlernen, seinen Horizont erweitern.
Allerdings kann ich nicht verhindern, dass ich mir auch so meine Gedanken mache. Simon hat noch nie zuvor die Grenzen seines Heimatkontinents überschritten. Die weiteste Reise, die er mal gemacht hat, war bis nach Kalifornien, wo er als Zwölfjähriger zusammen mit seinen Eltern und seinen Brüdern San Francisco besucht und die Gefängnisinsel Alcatraz besichtigt hat. Jetzt will er gleich als Rucksacktourist durch Südostasien reisen, von Thailand über Malaysia und Indonesien bis nach Papua-Neuguinea. Das alles in weniger als drei Wochen, selbst organisiert und ohne Begleitung. Danach ist ein Trip nach China geplant, weiter nach Südkorea und Japan, um anschließend für einige Monate Europa zu besuchen. Ich bin gespannt, wie er sich so schlagen wird – und ob alles so reibungslos klappt, wie er sich das vorstellt.
»Du meldest dich zwischendurch, oder?« Meine Frage ist raus, ehe ich es verhindern kann.
Nach meiner Abfuhr, die auf seine Liebeserklärung vor zwei Monaten folgte, hat unsere Freundschaft ein wenig gelitten. Der Kontakt war für längere Zeit abgebrochen. Ich weiß, dass es nicht einfach für ihn war, das zu verdauen. Besonders nicht, weil er kurz darauf erfahren musste, dass ich mit seinem großen Bruder angebandelt habe. Das hat das ohnehin schon angespannte Verhältnis der beiden nicht unbedingt verbessert.
»Man könnte meinen, dass du dir Sorgen um mich machst«, bemerkt Simon leichthin. Er versucht das ins Komische zu ziehen, aber mir entgeht trotzdem nicht der Hauch von Bedauern in seinem Gesicht.
Ich schüttle reflexartig den Kopf, und für einen Moment will ich fast abwiegeln. Doch zu viel Coolness fühlt sich irgendwie falsch an. »Na ja, irgendwie schon. Du warst noch nie so weit weg von daheim – und ganz allein.«
»Hey, ich bin ein dreißigjähriger erwachsener Mann.«
Ich neige den Kopf ein wenig und ziehe eine Braue hoch, ohne etwas zu sagen.
Simon grinst breit.
»Das muss KEIN Widerspruch sein«, stellt er fest.
»Wenn du das meinst.« Wir lächeln einander an. »Tu mir den Gefallen und mach einfach hin und wieder ein