: Denis Diderot
: Die Nonne Roman
: apebook Verlag
: 9783961304547
: 1
: CHF 2.50
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: Historische Romane und Erzählungen
: German
Die Nonne Suzanne Simonin erzählt in Briefen ihre Lebensgeschichte. Von den Eltern wird sie gegen ihren Willen zum Dasein als Ordensschwester gezwungen, da für eine standesgemäße Heirat die nötigen finanziellen Mittel fehlen - sie ist ein uneheliches Kind des ehemaligen Geliebten ihrer Mutter. Sie hasst das Klosterleben; obwohl sie zunächst in Verbindung zu einer verständnisvollen Oberin tritt, bleibt ihre Liebe zur Freiheit ungebrochen. So wird sie unter einer neuen, fanatischen und grausamen Äbtissin zum Ziel von Repressalien und Schikanen. In drei Klöstern wird sie mit der Macht von Konventionen und Geld sowie Scheinheiligkeit und religiösem Fanatismus konfrontiert. Der Roman wurde mehrmals verfilmt. So 1966 von Jacques Rivette mit Anna Karina in der Rolle der Suzanne Simonin und Liselotte Pulver als ihre letzte Oberin. Der Film wurde 1966 in Cannes für die Goldene Palme nominiert. 2013 kam eine Neuverfilmung von Guillaume Nicloux in die Kinos.

II

Ein Doktor der Sorbonne, der Abbé Blain, hielt die Ermahnungsrede, und der Bischof von Aleppo kleidete mich ein. Obwohl die Nonnen eifrig bemüht waren, mich zu stützen, so fühlte ich doch wohl zwanzig mal, wie die Knie unter mir zusammenbrachen, und es fehlte nicht viel, so wäre ich auf den Stufen des Altars niedergesunken. Ich hörte nichts, ich sah nichts, ich war wie verblödet; man führte mich, und ich ging; man fragte mich und antwortete für mich. Indessen nahm diese grausame Zeremonie ein Ende; alle zogen sich zurück, und ich blieb inmitten der Herde, der man mich eben zugesellt hatte. Meine Gefährtinnen umstanden mich; sie umarmten mich und sagten: »Aber seht doch, Schwestern, wie schön sie ist; wie dieser schwarze Schleier die Weiße ihres Teints hebt, wie dieses Band ihr steht, wie es ihr Gesicht umrahmt, wie dieses Kleid ihre Taille und ihre Arme hervortreten lässt.«

Ich hörte sie kaum an, ich war verzweifelt; dennoch musste ich zugeben, dass ich, als ich allein in meiner Zelle war, mich ihrer Schmeicheleien erinnerte. Ich konnte nicht umhin, mich in einem kleinen Spiegel prüfend zu betrachten, und ich glaubte, ihre Worte waren nicht so ganz unangebracht.

Als wir des Abends vom Gebet kamen, trat die Oberin in meine Zelle und sagte, nachdem sie mich eine Weile betrachtet:

»Ich weiß wirklich nicht, warum Sie einen so großen Widerwillen vor diesem Kleid hegen; es steht Ihnen wunderbar, und Sie sind reizend. Schwester Suzanne ist eine schöne Nonne; Sie wird man aber noch mehr lieben. Nun lassen Sie einmal sehen; gehen Sie; Sie halten sich nicht gerade genug; Sie dürfen nicht so gebückt gehen …«

Sie richtete mir den Kopf, die Füße, die Hände; dann setzte sie sich und sagte zu mir:

»Es ist gut; jetzt wollen wir aber ein wenig ernsthaft reden. Zwei Jahre wären nun gewonnen; Ihre Eltern können ihren Entschluss ändern. Sie selbst würden vielleicht hierbleiben wollen, wenn jene Sie fortnehmen möchten, das wäre durchaus nicht unmöglich …«

»Madame; glauben Sie das nicht …«

»Sie sind lange unter uns gewesen, doch Sie kennen unser Leben noch nicht; es hat zweifellos seine Leiden, aber es hat auch seine Freuden.«

Man kann sich denken, was sie sonst noch von der Welt und von dem Kloster hinzufügen konnte; das steht überall geschrieben, und zwar überall in derselben Weise, denn Gott sei Dank hat man mich das ganze Zeug lesen lassen, das die Mönche über ihren Stand geschrieben haben, den sie recht wohl kennen und verabscheuen.

Die Einzelheiten eines Noviziats will ich nicht berühren; wenn man es mit der ganzen Strenge beobachtete, so würde man es nicht aushalten; so aber ist es die schönste Zeit des Klosterlebens. Eine Novizenmutter ist immer die nachsichtigste Schwester, die man finden kann; ihr ganzes Streben ist stets darauf gerichtet, einem alle Dornen des Standes zu verbergen, es ist gleichsam ein Kursus der feinsten und ausgeklügelsten Verführung. Unsere Novizenmutter schloss sich ganz besonders an mich an, und ich glaube nicht, dass eine junge unerfahrene Seele dieser verhängnisvollen Kunst zu widerstehen vermag. Hatte ich zweimal hintereinander geniest, so wurde ich von der Messe, vom Gebet, von der Arbeit entbunden; ich