»So, das hätten wir geschafft.« Klappernd fiel das OP-Besteck in die Chromschale, die Schwester Elena ihrem Chef Dr. Daniel Norden hinhielt. »Absaugen!«
Das EKG piepte gleichmäßig. Einem Blasebalg gleich pumpte das Beatmungsgerät durch einen Tubus Luft in die Lunge des Patienten auf dem Operationstisch.
»Tupfer«, befahl Dr. Lekutat, die Dr. Norden assistierte.
Schwester Elena reichte das Gewünschte herüber. Ihr Blick ruhte auf dem jungen Mann, dessen Gesicht unter der Maske kaum zu erkennen war.
»Motorrad gegen PKW. Das war wirklich keine gute Idee.«
»Denn es gewinnen immer die Autofahrer.« Christine Lekutat zuckte mit den Schultern.
»Man kann auch vorsichtig fahren.« Auch Daniel Nordens Tochter Dési hatte bereits Erfahrungen mit Zweirädern gemacht. Wenn er nur an den geplatzten Reifen von neulich dachte, sträubten sich ihm die Nackenhaare. Es war nur der Besonnenheit ihres Freunds Joshua Wiesenstein zu verdanken, dass nichts passiert war.
Christine runzelte die Stirn und sah ihren Chef an.
»Sie fahren Motorrad?«
»Der Freund meiner Tochter hat einen Motorroller.«
»Das ist ja noch gefährlicher.« Mit einem Ruck verknotete Dr. Lekutat den Faden.
Schwester Elena zuckte zusammen.
»Immer diese Panikmache. Wenn jeder Motorrad- oder Rollerfahrer verunglückte, würden wir aus dem OP gar nicht mehr herauskommen.«
»Dann können wir ja nur hoffen, dass Ihre Kinder niemals auf so einem Gefährt mitfahren«, erwiderte Christine. »Oder selbst den Führerschein machen.«
»Wenn sie das tun, werde ich sie enterben.«
Man brauchte kein Hellseher zu sein, um das drohende Donnerwetter zu erahnen. Unter allen Umständen wollte Dr. Norden die Gefahr abwenden. Streit im OP war ein Unding.
»Du hast etwas zu vererben?« Er zwinkerte Elena zu, ehe er hinüber zum Anästhesisten sah, der über seinen Geräteturm wachte. »Wir können den jungen Mann in ein paar Minuten aus seinem Dornröschenschlaf wecken.«
Die Haut um Dr. Klaibers Augen kräuselte sich.
»Solange Sie nicht von mir verlangen, dass ich ihn wach küsse.«
Daniel lachte und sah hinüber zur Uhr.
»Knapp vier Stunden. Reife Leistung, liebe Kollegen.«
»Danke, Chef! Ich tue, was ich kann«, erwiderte Christine Lekutat und ignorierte das unterdrückte Schnauben und Glucksen der Kollegen.
»Das weiß ich zu schätzen. Deshalb dürfen Sie die Sache jetzt abschließen.« Dr. Norden nickte ihr zu, grüßte in die Runde seiner Mitarbeiter und wandte sich ab.
»Schere, Schwester!«, hörte er Christines Stimme. Das Bild einer Hexe zuckte vor seinem inneren Auge auf. Er drehte sich noch einmal um und sah, wie sich Elena mit dem Handrücken über die Augen fuhr.
»Schon gut. Ich bin nicht schwerhörig.« Sie reichte der Chirurgin das Gewünschte.
Christine starrte sie an.
»Wie wäre es, wenn Sie in Zukunft ausgeruht zum Dienst erschienen? Der Patient hat ein Recht auf eine ausgeruhte Hilfskraft.«
Elena krallte sich am kühlen Metall des OP-Tisches fest.
Bevor sie sich aber auf ihre Kollegin stürzen konnte, griff Dr. Norden ein.
»Ach, Elena, kommst du bitte mit. Den Rest kann Schwester Ronja übernehmen.«
Ohne Dr. Lekutat aus den Augen zu lassen, stimmte Elena zu und marschierte aus dem OP.
»Diese Schnepfe. Irgendwann bringe ich sie um.« Sie warf einen Blick auf ihr Handy, ehe sie sich neben Daniel ans Waschbecken stellte und den Wasserhahn aufdrehte.
Mit einem beherzten Sprung brachte er sich in Sicherheit.
»Hey, ich habe heute schon geduscht.«
»Seit wann bist du wasserscheu?« Elena drosselte den Wasserstrahl, und Daniel kehrte zurück an ihre Seite.
»Du darfst dir die Worte der lieben Kollegin nicht so zu Herzen nehmen.« Er drückte auf den Seifenspender. Nach den Desinfektionsmitteln und Medikamenten war der Orangenduft eine wahre Wohltat. »Es ist doch nichts Neues, dass es Frau Lekutat an Einfühlungsvermögen mangelt.« Er bemerkte die Tränen in Elenas Augen, in denen sich das Neonlicht spiegelte.
»Man könnte auch sagen, sie benimmt sich wie ein Elefant im Porzellanladen.« Sie schniefte und griff nach einem Handtuch auf dem Stapel im Regal.
Daniel warf seines in den Gitterkorb in der Ecke.
»Was ist los mit dir? Du bist doch sonst nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen.«
Elena zielte. Ihr Handtuch landete knapp neben dem Gitterkorb. Das war zuviel des Guten. Die Tränen traten über die Ufer. »Ich versuche schon seit gestern Abend, meinen Sohn zu erreichen. Julius wollte bei einem Freund übernachten. Trotz unserer Vereinbarung geht er einfach nicht an sein Handy.«
Daniel erinnerte sich an ihr Gähnen. Beim genaueren Hinsehen bemerkte er die Schatten um ihre Augen.
»Deshalb die schlaflose Nacht?«
»Der Kandidat hat so viele Waschmaschinen gewonnen, wie er tragen kann.« Dankbar nahm sie das Taschentuch, das er ihr reichte. Sie putzt sich die Nase und trocknete die Wangen. »Der kann was erleben, wenn er heimkommt.«
»Bitte halte dich zurück.« Daniel zwinkerte ihr z