Das Wort stand in blutroter Farbe über dem Eingang des Glasgebäudes im Münchener Osten.Lügenpresse.
Chefredakteur Tscharly Huber besah sich das Dilemma. Drohungen gegen ihn und seine Mitarbeiter waren in den letzten Jahren zu einem Teil seines täglichen Geschäftes geworden. Facilitymanager Robert gestikulierte mit nach vorne gebeugtem Kopf und schwingenden Armen, um seiner Empörung über die Schmiererei Ausdruck zu verleihen. Robert arbeitete seit über vierzig Jahren für die Münchener Neuesten Nachrichten und hatte aufgrund seiner geistigen Behinderung einen geschützten Arbeitsplatz inne. Gestern hatten sie auf dem Oktoberfest Roberts Dienstjubiläum gefeiert. Tscharly war beim Aufwachen verkatert gewesen. Obwohl er nur eine einzige Maß Bier zum Spitzenpreis von 28,50 Euro getrunken hatte! Der Maßpreis auf der Theresienwiese erreichte durch die Inflation immer utopischere Höhen. Dazu gab es Blasmusik im Ballermann-Stil, was auch nicht unbedingt jedermanns Geschmack war. Aber was sein musste, musste sein. Robert war hier bereits angestellt gewesen, bevor Tscharly überhaupt bei den Münchener Neuesten Nachrichten volontiert hatte. Robert war der gute Geist des Hauses und sollte in vier Wochen in seinen wohlverdienten Ruhestand verabschiedet werden. Eigentlich Zeit, endlich nach einem Ersatz Ausschau zu halten. Warum nur sträubte sich in Tscharly alles dagegen, ein Unikat wieseinen Robert zu ersetzen? In Gedanken nannte er ihn stets:mein Robert – mein alter Robert. Naturgemäß hatte Robert als Hausmeister die Schmiererei als Erster entdeckt.
Die Kugel, die das Gehirn des ältesten Angestellten des Verlags an diesem sonnigen Herbstmorgen Ende September durchdrang, hinterließ ein glattes Einschussloch auf dessen Stirn. Lautlos fällte der Schuss ihn wie eine Eiche vor Tscharlys Augen. Wie in Zeitlupe sank Robert zu Boden. Blutspritzer besudelten das weiße Pflaster vor den Glastüren der Redaktion. Die Glastüren konnten sich ni