: John Grisham
: Das Komplott
: Heyne
: 9783641109509
: 1
: CHF 8.00
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: Krimis, Thriller, Spionage
: German
: 464
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Wenn nichts ist, wie es scheint
Malcolm Bannister, in seinem früheren Leben Anwalt in Winchester, Virginia, sitzt wegen Geldwäsche zu Unrecht im Gefängnis. Die Hälfte der zehnjährigen Strafe hat er abgesessen, als sich das Blatt wendet. Ein Bundesrichter und seine Geliebte wurden ermordet aufgefunden. Es gibt weder Zeugen noch Spuren, und das FBI steht vor einem Rätsel - bis Bannister auf den Plan tritt. Als Anwalt mit Knasterfahrung kennt er viele Geheimnisse, darunter auch die Identität des Mörders. Dieses Wissen will er gegen seine Freiheit eintauschen.

Er hat schon bessere Tage gesehen. Einst ein glücklich verheirateter Kleinstadtanwalt, findet sich Malcolm Bannister im Gefängnis Frostburg wieder, wegen angeblicher Geldwäsche zu zehn Jahren Haft verurteilt. Fünf davon hat er bereits abgesessen. Lange Jahre, die ihn seine Zulassung als Anwalt, seine sozialen Kontakte, seine Ehe und die Beziehung zu seinem Sohn kosteten. Die Zeit im Gefängnis vertreibt Bannister sich als Bibliothekar und juristischer Ratgeber für andere Insassen. Erfüllt ist er von diesen Aufgaben nicht, ihn beschäftigt nur ein einziger Gedanke: so schnell wie möglich raus aus dem Knast. Die Gelegenheit dazu bietet sich, als der betagte Bundesrichter Ray Fawcett mit seiner jungen Freundin erschossen aufgefunden wird. Die Ermittler stehen unter Druck. Genau auf diesen Moment hat Malcolm Bannister gewartet. Er bietet dem FBI einen Deal an: Er liefert den Namen des Mörders und wird im Gegenzug sofort freigelassen. Das FBI nimmt das Angebot an. Bannister beginnt ein neues Leben. Und damit nimmt eine teuflische Intrige ihren Lauf.

John Grisham ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Seine Romane sind ausnahmslos Bestseller. Zudem hat er ein Sachbuch, einen Erzählband und Jugendbücher veröffentlicht. Seine Werke werden in fünfundvierzig Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia.

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Ich bin Anwalt undsitze im Gefängnis. Wie es dazu kam, ist eine langeGeschichte.

Ich bin dreiundvierzig Jahre alt und habe die Hälfte einerzehnjährigen Haftstrafe abgesessen, die mir von einem charakterschwachen, scheinheiligen Richterin Washington, D. C., aufgebrummt wurde. Sämtliche Berufungen, die ich eingelegthabe, wurden abgelehnt, und in meinem vollständig geplünderten Arsenal istkein Prozedere, keine obskure Gesetzesbestimmung, keine Formsache, kein Schlupfloch undkein Ave-Maria mehrübrig. Ich habe nichts mehr. Daich mich mit dem Gesetz auskenne, könnte ich das tun,was viele Häftlinge tun: die Gerichte mit Stapeln sinnloser Anträge,Schriftsätzen und anderen Eingaben blockieren. Aber das würde mir auchnicht helfen. Mir wird nichts mehr helfen. Ich habe keineHoffnung, dass ich vor Ablauf der fünf Jahre aus demGefängnis komme, es sei denn, mir werden am Ende meinerHaftstrafe ein paar lausige Wochen wegen guter Führung erlassen. Bisjetzt ist mein Verhalten mustergültig gewesen.

Eigentlich sollte ich mich nichtAnwalt nennen, da ich es genau genommen nicht bin. Kurznach meiner Verurteilung trat die Anwaltskammer von Virginia in Aktionund entzog mir die Zulassung. Der Grund dafür ist schwarzauf weiß nachzulesen: Eine Verurteilung wegen eines schweren Verbrechens ziehtautomatisch den Ausschluss aus der Anwaltskammer nach sich. Diese Disziplinarmaßnahmewurde ordnungsgemäß im Anwaltsregister von Virginia veröffentlicht. In jenem Monatwurden drei von uns ausgeschlossen, was in etwa dem Durchschnittentspricht.

In meiner kleinen Welt bin ich jedoch als Knastanwalt bekannt,und als solcher verbringe ich mehrere Stunden am Tag damit,meinen Mitgefangenen bei deren rechtlichen Problemen zu helfen. Ich analysiereihre Berufungen und stelle Anträge. Ich verfasse einfache Testamente unddie eine oder andere Besitzurkunde. Ich sehe Verträge für Häftlingedurch, die wegen Wirtschaftsverbrechen einsitzen. Ich habe den Staat wegenberechtigter Beschwerden verklagt, aber nie wegen ungerechtfertigter. Und es gibteine Menge Scheidungen.

Acht Monate und sechs Tage nachdem ich meineStrafe angetreten hatte, bekam ich einen dicken Umschlag. Häftlinge lechzengeradezu nach Post, aber auf dieses Päckchen hätte ich verzichtenkönnen. Es kam von einer Anwaltskanzlei in Fairfax, Virginia. Sievertrat meine Frau, die sich– was für eineÜberraschung– scheidenlassen wollte. Innerhalb weniger Wochen war Dionne von einer treu sorgendenGattin, die für immer bei mir zu bleiben versprochen hatte,zu einem flüchtenden Opfer mutiert, das seine Ehe so schnellwie möglich beenden wollte. Ich konnte es nicht glauben. Fassungsloslas ich die Unterlagen, mit weichen Knien und feuchten Augen,und als ich befürchtete, in Tränen auszubrechen, rannte ich inmeine Zelle zurück, um ungestört zu sein. Im Gefängnis gibtes eine Menge Tränen, die aber stets im Verborgenen vergossenwerden.

Als ich von zu Hause wegging, war Bo sechs Jahrealt. Er war unser einziges Kind, aber mehr waren inPlanung. Die Rechnung ist ganz einfach, und ich habe siezigmal gemacht: Wenn ich rauskomme, wird er sechzehn Jahre altsein, ein Teenager mitten in der Pubertät, und ich werdezehn der wichtigsten Jahre, die ein Vater mit seinem Sohnverbringen kann, verpasst haben. Bis sie zwölf Jahre alt sind,beten kleine Jungs ihre Väter an und glauben, dass dienichts falsch machen können. Ich habe Bo in T-Ball undFußball trainiert, und er ist mir wie ein junger Hundnachgelaufen. Wir sind angeln und zelten gegangen, und samstagmorgens, nacheinem Frühstück unter Männern, hat er mich manchmal in dieKanzlei begleitet. Er war meine Welt, und ihm erklären zumüssen, dass ich sehr lange weg sein würde, hat unsbeiden das Herz gebrochen. Sobald ich im Gefängnis war, habeich ihm verboten, mich zu besuchen. Sosehr ich ihnauch an mich drücken wollte, ich konnte den Gedanken nichtertragen, dass der kleine Junge seinen Vater hinter Gittern sehenwürde.

Wenn man im Gefängnis sitzt und so schnell nicht wiederrauskommen wird, ist es nahezu unmöglich, eine Scheidung zu verhindern.Von unserem ohnehin nicht sehr großen Vermögen war nach achtzehn