: John Grisham
: Der Gefangene
: Heyne
: 9783641110291
: 1
: CHF 8.70
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: Spannung
: German
: 464
: DRM
: PC/MAC/eReader/Tablet
: ePUB
Die Hölle auf Erden - Die Geschichte eines Justizskandals
Debbie Carter arbeitet als Bardame im »Coachlight Club« in Ada, Oklahoma. Sie ist beliebt bei den Gästen. Auch der ehemalige Baseballprofi Ron Williamson sitzt oft bei ihr an der Bar. Eines Morgens wird die junge Frau erwürgt in ihrer Wohnung aufgefunden. Ron Williamson wird der Tat bezichtigt und zum Tode verurteilt. Er verbringt elf Jahre in der Todeszelle. Kurz vor der Hinrichtung zeigt eine DNA-Analyse, dass Williamson die Tat nicht begangen hat. Er wird freigesprochen. Der wahre Täter, damaliger Hauptbelastungszeuge der Anklage, wird kurz darauf verhaftet. Fünf Jahre später stirbt Ron Williamson an den Folgen der Haft.

In der Tradition von Truman Capotes »Kaltblütig« widmet sich John Grisham einem Kriminalfall, der Zeugnis ablegt über die Ungerechtigkeit eines modernen Rechtssystems. Ein erschütternder Bericht, der wie ein packender Thriller nicht mehr aus der Hand zu legen ist.

John Grisham ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Schriftsteller. Seine Romane sind ausnahmslos Bestseller. Zudem hat er ein Sachbuch, einen Erzählband und Jugendbücher veröffentlicht. Seine Werke werden in fünfundvierzig Sprachen übersetzt. Er lebt in Virginia.

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In sanften Wellen erstrecken sich die Hügel des südöstlichen Oklahoma von Norman bis nach Arkansas. Wenig erinnert hier an die Ausbeutung der riesigen Ölvorkommen, die einst unter der Erde lagen. Da und dort sind noch einige träge, alte Ölförderpumpen in Betrieb, doch der Vorbeikommende fragt sich, ob sich der Aufwand lohnt. Viele andere wurden irgendwann stillgelegt, und ihre reglosen, rostigen Skelette erinnern an die glorreichen Tage, als man hier bei Erstbohrungen Springquellen entdecken und im Handumdrehen ein Vermögen machen konnte.

Solche Ölförderpumpen finden sich auch gelegentlich noch in der Umgebung von Ada, einer Stadt mit sechzehntausend Einwohnern, einem College und dem Gericht der County. Aber diese Pumpen sind nicht mehr in Betrieb, die Ölvorkommen ausgebeutet. Heute werden die Einwohner nach Stunden bezahlt und sind in Fabriken, der Tierfutter- oder Holzverarbeitung beschäftigt.

Ada ist eine geschäftige Stadt. An der Main Street finden sich keine unbewohnten Häuser mit zugenagelten Fenstern. Der Einzelhandel hat überlebt, obwohl viele Geschäfte an den Stadtrand umgezogen sind. Die Lokale im Zentrum sind um die Mittagszeit sehr gut besucht.

Das Gerichtsgebäude von Pontotoc County ist ein altes, schmales Haus, in dem sich die Anwälte und ihre Mandanten drängen. In der Nachbarschaft findet man die übliche Ansammlung von Kanzleien und kommunalen Einrichtungen. Das Gefängnis, ein flacher, fensterloser, an einen Bunker erinnernder Bau, wurde aus irgendeinem vergessenen Grund auf dem Rasen vor dem Gericht errichtet. Die Schwemme synthetischer Drogen sorgt dafür, dass es immer gut belegt ist.

Die Main Street endet am Campus der East Central University, an der viertausend Studierende eingeschrieben sind, von denen viele zwischen Ada und ihrem Wohnort pendeln. Die jungen Menschen tragen zur Vitalität und Vielfalt des Lebens in Ada und im südöstlichen Oklahoma bei.

Den aufgeweckten Journalisten derAda Evening News entgeht nur wenig – die Tageszeitung der Region gibt sich viel Mühe, im Konkurrenzkampf mit demOklahoman zu bestehen, der größten Zeitung des Bundesstaates. Auf der Titelseite finden sich internationale und nationale Nachrichten,gefolgt von Neuigkeiten aus dem Staat, der Region und wichtigen örtlichen Themen – Highschool-Sport, Lokalpolitik, Veranstaltungen, Nachrufe.

In der Bevölkerungsstruktur Adas und der Pontotoc County mischen sich auf sympathische Weise Einflüsse des kleinstädtischen Südens und des freiheitsliebenden Westens. Der Akzent mit den lang gezogenen Vokalen erinnert an den von Osttexas oder von Arkansas. Es ist das Land der Chikasaw. In Oklahoma gibt es mehr Nachfahren amerikanischer Ureinwohner als in jedem anderen Bundesstaat, und nach einhundert Jahren der Vermischung fließt auch in den Adern vieler Weißer indianisches Blut. Heutzutage ist das längst kein Makel mehr; tatsächlich ist man zunehmend stolz auf dieses Erbe.

Ada liegt mitten im »Bible Belt«. In der Stadt gibt es fünfzig Kirchen und ein Dutzend verschiedene christliche Glaubensgemeinschaften. Die Gotteshäuser sind gut besucht, nicht nur an Sonntagen. Es finden sich eine katholische Kirche und eine für die Episkopalen, aber weder ein Tempel noch eine Synagoge. Viele Einwohner sind Christen oder geben vor, es zu sein. Dass man zu einer Glaubensgemeinschaft gehört, wird mehr oder weniger erwartet. Oft ist die gesellschaftliche Stellung von der religiösen Zugehörigkeit abhängig.

Mit seinen sechzehntausend Einwohne