1. KAPITEL
Es war kein Fehler. Es war kein Fehler.
Immer wieder gingen Nalini diese Worte durch den Kopf, während sich das Boot von ihrer Heimatinsel Mattan entfernte – und von dem Schloss, das seit sechsundzwanzig Jahren ihr Zuhause gewesen war. Mit einem elenden Gefühl im Magen zwang sie sich, nach vorn zu blicken.
Vor ihr wurde allmählich die Burg von Kirtida sichtbar. Sie würde bald schon ihr neues Heim werden. Beim Anblick des weitläufigen, düster wirkenden Gebäudes wurde ihr schwer ums Herz.
Nein, ich habe mich nicht falsch entschieden, versuchte sie sich zu ermutigen.
„Wir sind gleich da, Prinzessin“, hörte sie Zacchaeus sagen.
Sie erschauerte. Nicht nur wegen der kühlen Brise, sondern wegen der Nähe dieses Manns … mit dem sie jetzt verlobt war: König Zacchaeus von Kirtida.
Ihre Heimat Mattan, dazu die Nachbarinsel Kirtida und Aidara als drittes Königreich, bildeten seit Jahrhunderten die so genannte Allianz der drei Inseln. Sie war lange stark und geeint gewesen, bis Zacchaeus einige Monate zuvor seinen Vater in einem Putsch vom Thron gestoßen und sich selbst zum König gemacht hatte.
Das hatte Anlass zu Sorge gegeben, vor allem, als er sich anschließend geweigert hatte, mit seinen Allianzpartnern zu kommunizieren. An dem traditionellen Staatsbankett – das im Wechsel jedes Jahr von einem der Königreiche ausgerichtet wurde und das dazu diente, das Bündnis zu stärken – hatte er auch nicht teilgenommen. Das hatte Nalinis Bruder König Xavier von Mattan und Leyna, die Königin von Aidara, zum Handeln veranlasst. Sie hatten ihre Verlobung bekannt gegeben, und prompt hatte Zacchaeus einen Tag später Kontakt mit ihnen aufgenommen.
Und das war der Grund dafür, warum sie, die Prinzessin Nalini von Mattan, sich jetzt auf dem Weg in ihre neue Heimat befand.
Sie wandte sich Zacchaeus zu und empfand plötzlich heftige Schuldgefühle, weil sie seine starke Anziehungskraft spürte. Dunkle Haare, hellbraune Haut – wie Karamell –, ein festes Kinn mit einem Anflug von Bart. Dazu markante, wie gemeißelte Gesichtszüge, auf denen ein ernster, intensiver Ausdruck lag. Zacchaeus war ganz in Schwarz gekleidet, was fast ein bisschen Furcht einflößend wirkte und seine Macht demonstrieren sollte. Ja, er war ein mächtiger Mann. Und gut aussehend. Das übte eine geradezu magnetische Wirkung auf sie aus.
Ja, ich finde ihn faszinierend, dachte Nalini mit schlechtem Gewissen. Sie sollte sich nicht zu diesem Mann hingezogen fühlen. Egal, ob seine hochgerollten Ärmel muskulöse Arme freigaben und seine Hose kräftige, wohlgeformte Beine umschloss … denn er hatte verlangt, dass sie ihn heiratete. Als Bedingung dafür, dass er die Dokumente unterzeichnete, mit denen Kirtidas Verbleib in der Allianz bekräftigt werden sollte.
Bis zu dieser Unterzeichnung war ihr Königreich Mattan in Gefahr.
„Ich habe Essen für uns vorbereiten lassen“, informierte Zacchaeus sie, als sie auf Kirtida anlegten, und sprang vom Boot.
Dann hielt er ihr die Hand hin, und sie zögerte kurz, bevor sie die Hilfe annahm.
Nalini spürte ein seltsam unbehagliches Gefühl bei dem Kontakt. Hitze durchströmte sie ganz kurz. Aber nein, es war Unbehagen! Sie brachte es nicht über sich, Zacchaeus anzusehen.
„Ich nehme an, du bist hungrig?“, fragte er nach.
„Du müsstest nichts annehmen, wenn du einfach fragen würdest“, erwiderte sie leichthin und schüttelte ihr unangenehmes Gefühl ab.
Nalini hatte sich aus eigenem Antrieb dafür entschieden, nach Kirtida zu kommen. Sie hatte sich ohne Druck durch ihren Bruder entschieden, ihr Königreich Mattan zu retten, indem sie Zacchaeus heiratete. Die Zeit zu wählen war vorbei. Nun musste sie höflich zu ihrem Verlobten sein.
„Aber ich hätte gern etwas zu essen, danke“, fügte sie daher hinzu.
Er nickte nur. Dann wies er die Diener an, die vor der Burg bereitstanden, ihre Sachen in die Suite zu bringen, in der sie wohnen würde, während sie die Hochzeit plante. Anschließend forderte er Nalini auf, ihm zu folgen.
Eine Gänsehaut überlief sie, als sie die Burg betrat, aber sie riss sich zusammen und straffte die Schultern.
Das Innere war eine wunderschöne Kombination aus Altem und Neuem. So waren beispielsweise die Steinsäulen antik, die Holzfußböden hingegen modern. Im Esszimmer wurde sie von den Dienern an einen Platz neben dem von Zacchaeus geführt.
Sie setzte sich, wartete einen Moment und erkundigte sich dann: „Kommt sonst noch jemand zum Essen?“
„Nein.“ Ein Schatten flog über sein Gesicht.
„Und deine Eltern?“, zwang sie sich zu fragen. „Leben sie noch … hier?“
Seine Miene verdüsterte sich noc