1. KAPITEL
Als Carlo Rinucci an einem warmen Sommertag seiner schönen Braut Della in einer der ältesten Kirchen von Neapel versprach, ihr in guten und schlechten Zeiten treu zu sein und sie sein Leben lang zu lieben und zu ehren, und ihr dabei tief in die Augen sah, waren alle zu Tränen gerührt.
Für seinen Zwillingsbruder Ruggiero, der als Trauzeuge neben ihm stand, bedeutete Carlos Hochzeit eine einschneidende Veränderung, galt es doch, Abschied zu nehmen von den gemeinsamen Unternehmungen. Mit ihren einunddreißig Jahren hatten die beiden attraktiven Junggesellen so gelebt, als wäre das Leben ein einziger großer Spaß.
Nach der Trauung nahm Ruggiero zusammen mit den anderen Gästen an dem Empfang in der Villa Rinucci teil. Er flirtete nach Herzenslust und schien sich glänzend zu unterhalten.
Sein gutes Aussehen und sein Charme bewirkten, dass sich alle nach ihm umdrehten. Man behauptete, er könne jede Frau haben, die er haben wolle. Obwohl er darüber lachte, wusste er, dass es stimmte. Er konnte wirklich jede Frau haben – außer der einen, auf die es ihm ankam.
„Jetzt seid nur noch du und Francesco übrig“, stellte sein Bruder Luke fest. „Wahrscheinlich überlegt deine Mutter schon, mit wem sie dich verkuppeln kann.“
„Keine Chance, ich werde nie heiraten“, antwortete Ruggiero lachend.
„Das sagst du auf jeder Hochzeit.“
„Du hast es auf jeder gesagt“, erinnerte Ruggiero ihn. „Und im Gegensatz zu dir bin ich noch ledig.“
Luke winkte seiner Frau Minnie zu, mit der er seit zwei Jahren verheiratet war. Sie hielt ein Glas Champagner in der Hand und winkte zurück.
„Wenn du nicht aufpasst, wachst du eines Tages auf und musst dir eingestehen, dass du ein einsamer alter Mann geworden bist“, entgegnete Luke.
Ruggiero lächelte. Auf solchen Festen wurden immer derartige Bemerkungen gemacht.
Schließlich wurden die Reden gehalten, und Ruggiero war mit den Worten, die er dem Brautpaar mit auf den Weg gab, sehr zufrieden. Von Carlo und Della erntete er dankbare Blicke, während seine Mutter ihn liebevoll anlächelte.
„Du hast deine Sache gut gemacht“, lobte sie ihn später.
„Das hast du mir nicht zugetraut, stimmt’s?“, fragte er scherzhaft.
„Doch, doch. Ehrlich gesagt bin ich überrascht, dass du heute keine Begleiterin mitgebracht hast, irgend so ein junges Ding, das die ganze Zeit wie eine Klette an dir hängt.“
„Ich wollte mich auf meine Aufgabe als Trauzeuge konzentrieren und mich nicht ablenken lassen“, erwiderte er.
„Ah ja, ich verstehe.“
„Sei nicht so zynisch,mamma.“
„Bei sechs Söhnen kann man das leicht werden.“
Schweigend lächelte er sie an und wandte sich dann einer seiner Großtanten zu, während seine Mutter ein Ges